Ski-WM in den USA:Schnell durch die Bildungslücke

2015 Alpine Skiing World Championships

Viktoria Rebensburg: Große Medaillenhoffnung bei der WM

(Foto: dpa)
  • Viktoria Rebensburg soll bei der Ski-WM in Beaver Creek für Medaillen sorgen.
  • Beim DSV hat sie mittlerweile die Rolle ihrer zurückgetretenen Teamkollegin Maria Höfl-Riesch übernommen
  • Ihre Stärke ist der Riesen-Slalom. In Beaver Creek könnte sie allerdings auch in den schnellen Disziplinen überzeugen.

Von Johannes Knuth , Vail/Beaver Creek

Das Skiresort von Vail ist bekannt für seine exklusiven Hotels und Bars, Viktoria Rebensburg hat da gleich nach der Ankunft ein paar Erfahrungswerte gesammelt. "Wir haben erst mal die Clubs ausgecheckt", sagt sie. Kurze Pause. "Neeeiiin, Scheeerz."

Die Skirennfahrerin Viktoria Rebensburg, 25, vom Tegernsee hat zunächst noch ein paar wichtigere Termine. Seit vergangenem Mittwoch bereitet sie sich in Vail vor, an diesem Dienstag eröffnen die Frauen mit dem Super-G (19.15 Uhr/ZDF) die 43. Alpinen Ski-Weltmeisterschaften. Rebensburg wirkt dabei derzeit so locker wie selten, und das ist schon beachtlich. Es ist ja einiges, was da in den kommenden Tagen auf sie zurollen wird.

Rebensburg könnte vier Medaillen gewinnen

Die erste Woche einer WM gehört den schnellen Wettbewerben, dem Super-G und der Abfahrt. Gleich am Dienstag, wenn im Super-G also die ersten Medaillen ausgegeben werden, meldet Rebensburg Ansprüche an. Die Olympiasiegerin im Riesenslalom von 2010 kam bislang mit ihrem Riesenslalom-Material nicht zurecht, derzeit testen sie in Vail einen neuen Ski für ihre eigentliche Spezialdisziplin. Ausgang offen.

Aber so dramatisch, wie das klingt, ist es nicht, denn früher als veranschlagt ist Rebensburg nun auch in die Elite der besten Speed-Pilotinnen vorgestoßen. Rebensburg bewirbt sich nun auch in den schnellen Disziplinen um Medaillen - und ihre Referenzen lesen sich ziemlich gut. Für die Abfahrt am Freitag bringt sie aus der aktuellen Saison einen zweiten und einen dritten Platz mit. Im Super-G wurde sie einmal Vierte. Auch den Riesenslalom hat Rebensburg noch nicht vollständig ausgeklammert. Und zieht man dann noch den Teamwettbewerb hinzu, bei dem sie ebenfalls mitwirken wird, ergibt sich noch eine vierte Medaillengelegenheit. Vier Medaillenchancen?

Stärkste Skirennfahrerin des DSV

Bis vor einem Jahr hatten sie im Deutschen Skiverband (DSV) vor allem Maria Höfl-Riesch mit der Aufgabe betraut, erste, zweite und dritte Plätze zu sichern. Höfl-Riesch brachte dann auch beständig etwas mit nach Hause, zuletzt zwei Medaillen von der WM 2013 in Schladming. Nach Höfl-Rieschs Rücktritt im Sommer hat Rebensburg ein Stück weit diese Pflicht geerbt. Sie verfügen im DSV ja derzeit über keine weiteren Frauen, die ihr assistieren könnten, und ohne Erfolge wird es in Sportverbänden schnell ungemütlich.

Gute Aussichten im Super-G

Rebensburg fremdelte zunächst ein wenig mit dieser Rolle, aber jetzt, da die Geschäfte laufen, scheint sie ihr doch zu gefallen. Wolfgang Maier, der Alpindirektor im DSV, warnt davor, ihre Auftritte allein an Gold, Silber und Bronze zu messen: "Sie kann eine Medaille gewinnen, sie muss nicht", sagt Maier immer wieder. Er weiß: Kaum etwas ist schlechter planbar als eine Platzierung im Skirennsport; gerade die langen Abfahrtspisten sind dem Wetter oft ausgeliefert, die Bedingungen variieren von Fahrerin zu Fahrerin. Andererseits begreift Rebensburg die Rennen in den Speed-Disziplinen nicht mehr als Nebenerwerb, sondern als lukrativen Geschäftszweig. Sie hat ihre Scheu vor hohem Tempo und Sprüngen abgestreift, mittlerweile weiß sie, sobald sie sich ins Starthaus begibt: Wenn ihr keine Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, gibt es wenige Fahrerinnen, die schneller sind als sie.

Viktoria Rebensburg und der Super-G in Beaver Creek, das könnte eine harmonische Beziehung werden. Es gibt bisher wenige Indizien, die dagegen sprechen. Die Strecke, glaubt Frauen-Bundestrainer Markus Anwander, "wird die technischen Fahrerinnen bevorzugen". Technische Fahrerinnen meistern die Kurven sauberer, sie verschenken wenig Geschwindigkeit, was wiederum die Chancen erhöht, dass sie auf den geraden Stücken schneller sind als der Rest. Rebensburg kann in diesen technischen Passagen ihre Kompetenzen aus ihrem Kerngeschäft, dem Riesenslalom, am besten einbringen. Sie mag auch den trockenen, griffigen Schnee im 2800 Meter über dem Meer gelegenen Beaver Creek, dort, wo die meisten Rennen stattfinden.

"Ich hoffe", sagt Anwander, "dass sie ein Wort mitsprechen." Mit "sie" meint er Rebensburg sowie Veronique Hronek, die zweite DSV-Starterin am Dienstag, sie hat sich eine Platzierung unter den besten Zehn vorgenommen.

Die Favoritin? Ist natürlich Lindsey Vonn. Rebensburg hat vor kurzem noch einmal die jüngste Siegfahrt der Amerikanerin im Super-G von St. Moritz im Video studiert. Vonn wisse genau, hat Rebensburg festgestellt, wie sie lang gezogene Kurven in den schnellen Disziplinen anlegen müsse, wann sie den Ski anwinkeln muss, wann sie ihn belastet, wann entlastet. "Ich hoffe", sagt Rebensburg, "dass ich da hinkomme, wo sie schon ist."

Die Selbstverständlichkeit, mit der Vonn ihrer Arbeit in Abfahrt und Super-G nachgeht, fehlt Rebensburg noch, wobei sich die 25-Jährige von derartigen Bildungslücken nie hat stören lassen. Bei den Winterspielen in Vancouver gewann sie ihr Gold im Riesenslalom ja sogar, ohne vorher einen Weltcupsieg herausgefahren zu haben; vor Sotschi schleppte sie wochenlang virale Infektionen und eine Lungenentzündung mit sich herum, am Ende wurde sie Dritte. In undefinierten Rollen war Rebensburg oft am stärksten.

In ihrem Umfeld haben sie vorsichts- halber einige Vorkehrungen getroffen. In Vancouver hatten die Organisatoren den zweiten Durchgang wetterbedingt um einen Tag nach hinten geschoben, Rebensburgs Eltern saßen da schon im Flieger, sie verpassten, wie ihre Tochter Olympia- siegerin wurde. In Sotschi waren die Eltern gar nicht anwesend, jetzt reisen sie einen Tag später zurück als Rebensburg selbst. Sicher ist sicher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: