Ski-WM in Bormio:Gemetzel vor dem Rennen

Selbst der große Hermann Maier muss sich für das österreichische Abfahrtsteam eigens qualifizieren.

Von Wolfgang Gärner

Österreich ist gesegnet mit herausragenden Skirennfahrern, mehr als jedes andere Land der Erde - beneidenswert. Wenn so viele sehr Gute da sind, bedeutet das gleichzeitig, dass nicht alle Platz haben bei Weltmeisterschaften, denn die Startplätze sind quotiert, also müssen von Team Austria immer ein paar zuschauen, die anderswo Topfahrer wären. Diese Bedauernswerten werden traditionell in einem beinharten Gemetzel aussortiert, das österreichische Abfahrtsqualifikation heißt und über die Jahrzehnte ein beliebter Programmpunkt wurde - vor allem in Phasen wie der momentanen in Bormio, wo ansonsten überhaupt nichts los ist.

Das Drama nahm oft interessante Wendungen: Vor 21 Jahren in St. Moritz drängte man David Zwilling zum Verzicht, der widersetzte sich, bestand auf der Qualifikation, wurde Weltmeister. 1980 bei den Winterspielen nützte Ersatzfahrer Leonhard Stock seine Chance in der Ausscheidung, gewann Gold, nachdem er Josef Walcher verdrängt hatte. Der war damals Weltmeister, wie 2002 Hannes Trinkl, der keinen Platz für die Olympia-Abfahrt bekam.

Gemetzel vor dem Rennen

Das Pikante an der Konstellation in Bormio ist, dass auch Hermann Maier der Weg durch die Ausscheidung zugemutet wird neben den Kollegen Werner Franz, Fritz Strobl, Christoph Gruber. Der Herminator in der Qualifikation - ist das schon Majestätsbeleidigung? Darauf deutete stark der Umstand hin, dass der Flachauer die Teamsitzung schwänzte, in der die Details besprochen wurden. Man hat sich aber flink auf die Sprachregelung verständigt, dass das kein Affront gewesen sei, sondern ein Irrtum: Maier habe das Meeting schlicht vergessen, und als man ihn erinnerte, saß er auf dem Ergometer. "Ich war auf dem Rad, und der Zeitpunkt für die Sitzung war wirklich ungewöhnlich."

Seine letzten Chancen, sich für einen Fixplatz zu empfehlen, wären in Kitzbühel gewesen, oder mit einer WM-Medaille im Super-G am Samstag. Aber in Kitz fiel die Abfahrt aus, und in Bormio die Medaille für ihn im ersten Rennen. So gab es an der Aufstellung durch Cheftrainer Anton Giger wenig zu deuteln: Neben Michael Walchhofer (als Titelverteidiger mit automatischem Startrecht) ist gesetzt nur Johann Grugger als Sieger von Chamonix und beim Test auf der WM-Strecke. Maier gab sich einerseits einsichtig mit der Erklärung, für ihn sei logisch gewesen, dass er da durch müsse, er hat aber auch dezent insistiert: "Ich glaube, die Trainer wissen haargenau, dass ich hier ein Topfavorit sein kann." Noch genauer wissen die Trainer, dass Hermann Maier im Winter 2004/05 als besten Abfahrtsplatz im Weltcup den vierten von Wengen aufzuweisen hat und beim gerne herangezogenen WM-Test am 29. Dezember auf der Piste Stelvio, als die ersten Vier Grugger - Walchhofer - Strobl - Kröll hießen, mit Platz elf erst der siebte Österreicher war. Auch wenn ihn Gegenwind gebremst hatte: keine Empfehlung, ihn den andern mit besseren Vorleistungen vorzuziehen.

Werner Franz hat immerhin den Sieg von Val d'Isere gut, reagierte dementsprechend: "Echt enttäuscht, aber ich rege mich nicht auf. Denn je mehr ich mich aufrege, desto langsamer werde ich." Seine Enttäuschung wurzelt tief, weil er in diesem speziell österreichischen Rennen vor dem Rennen spezielle Erfahrungen machen musste: viermal in der Verlosung, aufgestellt nur 2001, 1996 und 1998 reell gescheitert, 1994 musste er trotz erfolgreicher Qualifikation seinen Platz Günther Mader überlassen. Olympiasieger Fritz Strobl: "Für mich ist das nichts Neues, und eine Überraschung schon gar nicht. Ich habe es nicht anders erwartet." Christoph Gruber, Zweiter von Wengen: "Ich bin es schon gewohnt, Qualifikation fahren zu müssen."

Das Prozedere ist streng geregelt, als Termin für die Ausscheidung fixierte Cheftrainer Giger das zweite Training am Dienstag. Das erste am Montag war wertfrei, weshalb es Grugger, Gruber, Strobl, Franz zum Eintragen neuer Rennanzüge nützten. Strobl fuhr Bestzeit, aber die Overalls trugen nicht die Prüfplombe der Fis - alle qualifiziert, was völlig egal war. Am Tag, der Klarheit bringen sollte, peitschte der Orkan über den Berg, so dass das Training erst am Kombinationsstart beginnen konnte. Das widerspricht den Regularien von Team Austria, also keine Qualifikation, Grubers Bestzeit zählt ebenso wenig wie Strobls zweiter Platz oder Maiers 1,69 Sekunden Rückstand. "Hoffen wir, dass es am Mittwoch eine faire Ausscheidung gibt", sagte Christoph Gruber. Was aber, wenn nicht, womöglich nicht mal am Donnerstag? "So weit denke ich nicht", versichert Werner Franz, "denn der selbstdenkende Rennläufer ist unerwünscht." Sie seien sicher, dass das eine schöne WM für die Österreicher würden, hatte ihr Sportchef Hans Pum verkündet. Lustig ist es schon.

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