Ski-WM:"Früher war es mir immer zu kalt"

FIS World Ski Championships - Women's Super G

Sabrina Simader: Mit großen Ambitionen in einem für Kenia untypischen Sport

(Foto: Getty Images)

Sabrina Simader ist die erste Kenianerin, die an einer Ski-WM teilnimmt - in St. Moritz wird sie trotz acht Sekunden Rückstand gefeiert. Ein Schicksalsschlag hätte ihre Karriere fast verhindert.

Von Matthias Schmid, St. Moritz

Falls Sabrina Simader eines Tages mal eine Medaille bei einer Ski-Weltmeisterschaft oder bei Olympischen Winterspielen gewinnen sollte, weiß sie schon, was danach auf sie zukommen wird. Die Kenianerin durfte sich am Dienstag, nach der ersten Entscheidung bei der WM in St. Moritz ein bisschen so fühlen, als hätte sie nach dem Super-G aufs Podest klettern dürfen. Dabei hatte sie das Rennen auf dem letzten Platz beendet. Dennoch stapfte sie hinterher wie selbstverständlich von Kamera zu Kamera, von Mikrofon zu Mikrofon und erzählte, wie sie den Wettbewerb erlebt hat.

Die Tour d'Honeur bleibt normalerweise nur den Medaillengewinnern vorbehalten, den strahlenden Siegern. Doch neben der überraschenden Goldmedaillengewinnerin Nicole Schmidhofer prägte vor allem Simader den Super-G, weil sie als erste Ski-Rennläuferin Kenias an einer WM teilgenommen hat. Es ist vor allem ihre Lebensgeschichte, die die Menschen bewegt. Als Exotin sieht sie sich aber nicht. "Den Begriff mag ich nicht, weil ich ja in den Bergen groß geworden bin", erzählt Simader. Sie will nicht mit Vanessa-Mae verglichen werden, mit der Stargeigerin, die plötzlich für Thailand Riesenslalom-Rennen fuhr, oder mit ihrem Landsmann, dem Ski-Langläufer Philip Boit, die beide nur dadurch bei Winterspielen Aufsehen erregten, weil sie mitmachten und ohne Sturz ins Ziel kamen.

"Zu Beginn gefiel mir das Skifahren überhaupt nicht"

Die 18-Jährige ist eine selbstbewusste junge Frau. Sie will eines Tages ganz oben auf dem Podium stehen, Weltcup-Rennen gewinnen, vielleicht sogar WM- oder Olympia-Medaillen. Sie möchte als ernstzunehmende Skifahrerin wahrgenommen und nicht nur wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe von den Medien beachtet und von den Sponsoren abends als Stargast zum Gruppenbild mit den Siegern gebeten werden, wie am Dienstagabend. "Ich will mich step-by-step weiterentwickleln und den Abstand zu den Besten verringern", sagt sie. Beim Super-G war sie acht Sekunden langsamer als die Siegerin. Sie selbst war danach ziemlich unzufrieden mit ihrer Fahrt. "In einigen Passagen hat mir der Zug gefehlt", bekennt sie, "aber die Erfahrung hilft mir sehr für die Zukunft."

Sie erzählt das alles in einem perfekten Deutsch mit oberösterreicherischem Idiom. Als Dreijährige war sie mit ihrer Mutter Sarah aus Kenia nach St. Johann am Wimberg übergesiedelt, weil die Mama ihrer neuen Liebe gefolgt war. Ihr späterer Adoptivvater schloss sie schnell wie ein richtiger Vater ins Herz. Er war es auch, der sie im Winter auf den Berg mitnahm, um mit ihr die ersten Schwünge im Schnee beizubringen. Ihr neues Hobby war keine Liebe auf den ersten Blick. "Zu Beginn gefiel mir das Skifahren überhaupt nicht, früher war es mir immer zu kalt", sagt Simader.

Erst als sie älter wurde, begann sie den Sport zu schätzen. Sie stellte sich auch immer besser an und wechselte nach der Grundschule auf die Ski-Hauptschule nach Schladming, wo sie ihre Begabung schon bald einem größerem Publikum zeigen konnte, sie gewann die steirische Meisterschaft in der Abfahrt, im Riesenslalom und in der Kombination. Sie war eine Hochbegabte junge Skifahrerin mit glänzenden Perspektiven.

Einen Fanklub hat sie schon

Doch dann starb ihr Stiefvater, sie brauchte lange, um den plötzlichen Herzinfarkt, den Verlust des geliebten Menschen zu verarbeiten. Sie hatte keine Lust mehr auf Skifahren, auf das Leben. Erst ihrer Mutter und ihrem Trainer Christian Reif gelang es, ihr den Lebensmut, die Freude am Sport zurückzugeben. Sie begann wieder intensiver Ski zu fahren. Reif ist ihr Ski- und Konditionstrainer, der auch ihre Skier präpariert. Einen Servicemann oder andere Experten kann sie sich nicht leisten. Der kenianische Skiverband unterstützt sie finanziell nicht und persönliche Sponsoren fehlen ihr.

Dabei beginnen sich die Kenianer für sie und ihre zarten Erfolge langsam zu interessieren, "obwohl die meisten von ihnen noch keinen Schnee in ihrem Leben gesehen haben", wie Simader selber staunt. Der österreichische Skiverband ist dagegen umso hilfsbereiter. Sie kann immer wieder mittrainieren, sogar mit Spitzenkräften wie Marcel Hirscher oder der neuen Weltmeisterin Nicole Schmidhofer. "Das freut mich sehr für Nici und motiviert mich auch unglaublich, meinen Weg fortzusetzen", sagt Simader.

Vorliebe für hohe Geschwindigkeiten

Noch fährt sie ganz unten im professionellen Skisport. In sogenannten Fis-Rennen versucht sie, möglichst viele Punkte zu sammeln, damit sie in der Weltrangliste aufsteigt, um bald schon im zweitklassigen Eurocup starten zu dürfen. Dass für sie Rennen im großen Weltcup kein abwegiges Ziel sind, beweisen ihre Resultate. Anfang des Jahres landete sie in Maribor im Fis-Slalom auf dem siebten Platz, kurz danach durfte sie an gleicher Stelle erstmals im Weltcup starten, für die Teilnahme am zweiten Durchgang reichte es aber nicht.

Viel lieber als Slalom oder Riesenslalom fährt sie in den schnellen Disziplinen, "weil ich den Geschwindigkeitsrausch so liebe". Doch um Abfahrt und Super-G so üben zu können, wie sie gerne möchte, braucht es adäquate Trainingsstrecken, die sie nicht hat. Deshalb hofft sie, dass sie sich auch in Zukunft öfters den Österreichern anschließen darf. Eines hatte sie nämlich der neuen Weltmeisterin Schmidhofer schon voraus: Einen Fanklub der sie im Zielraum stimmungsvoll und lautstark unterstützt. Der SSV St. Johann war mit fast 30 Leuten vor Ort, darunter ein Trommler und ein Trompeter. Sie waren mit Abstand die lauteste Gruppierung im Publikum. Bis zum nächsten Einsatz ihres Lieblings müssen sie sich aber noch gedulden. Sabrina Simader wird erst wieder im Riesentorlauf in der kommenden Woche an den Start gehen.

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