Ski-WM: Die Bilanz:Ach, Felix!

Elisabeth Görgl, Lindsey Vonn und Andorra: Die Ski-WM hat einige bemerkenswerte Sieger hervorgebracht - und einen am Ende bitter enttäuschten Deutschen. Die SZ zieht Bilanz - und gibt Einblicke in Himmel und Hölle. Mit garantiert hohem Mitsingfaktor!

Christof Kneer

Der Song, heißt es in einer Pressemitteilung, sei "eine große Rock-Hymne mit starkem Mitsing-Faktor". Der Song baue "einen Spannungsbogen von den einsamen Momenten des Sportlers im Starthaus bis zum großen Glücksgefühl im Ziel". Der Songtext zeige, "dass zwischen Himmel und Hölle oft nur ein schmaler Grat liegt, aber genau dazwischen liegen die Zehntelsekunden, die Legenden bilden".

Women's Giant Slalom
(Foto: dpa)

Wer möchte, darf diese Zeilen gerne noch einmal lesen, um die Anmut dieser Formulierungen wirklich erfassen zu können. Starker Mitsing-Faktor: Das ist elegant und poetisch. Die einsamen Momente im Starthaus: Das ist romantisch und feinsinnig. Zehntelsekunden, die Legenden bilden: Das ist kühn und voller schöpferischer Kraft.

Bleibt die Frage: Hat sich die Ski-WM an dieses Motto gehalten, das im WM-Song der Athletin Elisabeth Görgl (You're the Hero) vorgegeben wurde? Antwort: unbedingt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit teilt die SZ ihre Bilanz in die Kategorien "Himmel" und "Hölle", also Gewinner und Verlierer. Die Zehntelsekunden, die dazwischen liegen, konnten leider nicht untersucht werden, weil die Redaktion nicht verstanden hat, was damit gemeint ist.

Himmel I: Blechsalat mit Mitsing-Faktor

HIMMEL

Women's Slalom - Alpine FIS Ski World Championships
(Foto: Getty Images)

INNERHOFER, CHRISTOF: Nimmt drei Medaillen mit nach Hause, von jeder Farbe eine, und das Beste daran: Er heißt zwar wie ein Österreicher, ist aber keiner. Südtiroler Speedfahrer, der eisige Pisten liebt, weshalb er auf der eisigen Kandahar Zehntelsekunden gutmachte, die ihn zur Legende machten (oder so). Besitzt eine Vorliebe für Rock-Hymnen mit starkem Mitsing-Faktor. Brachte diese Vorliebe meist abends zum Ausdruck, tourte mit seinen Medaillen um den Hals durch Sponsorenzelte und Nachtclubs und traf in allen die Amerikanerin Julia Mancuso, mit der er sich nach SZ-Informationen über die einsamen Momente des Sportlers im Starthaus unterhielt.

BRONZEMEDAILLE, DIE: Wurde vom Veranstalter offenbar kurz vor WM-Beginn aufgewertet. "Meine Bronze ist so viel wert wie Gold", sagte Maria Riesch nach zweimaligem Erhalt dieser Plakette. Ein Satz mit starkem Mitsing-Faktor, denn viele Athleten sprachen ihn nach: der Kombinationsdritte Peter Fill etwa (der heißt wie ein Österreicher, aber keiner ist) oder der Riesenslalom-Dritte Philipp Schörghofer, der einen österreichisch klingenden Namen trägt und erstaunlicherweise Österreicher ist.

GRIPPEVIRUS, DAS: Hat mindestens eine aufgewertete Bronzemedaille verdient, weil es ihm gelang, gut trainierte SportlerInnen (u. a. Riesch, Rebensburg) umzuhauen. Sorgte für einsame Momente der Sportler im Krankenbett.

PISTEN-PRÄPARATOREN, DIE: Die heimlichen Helden dieser WM. Die Pistenchefs - ehemalige deutsche Skirennfahrer wie Stefan Stankalla, Florian Eckert oder Florian Beck - wurden in der ersten Woche von prominenten Athleten beschimpft, beleidigt und mit Tiernamen belegt. Vorwurf: Piste zu stark gewässert, deshalb: zu hart, zu ruppig, zu schlagig (alpiner Fachterminus für: von mannigfaltigen, schwer erkennbaren Wellen überzogene Oberfläche). Aber: Als der Frühling über Garmisch hereinbrach, hielten die Pisten. Grund: Sie waren zuvor so stark gewässert worden.

JOURNALISTEN, ÖSTERREICHISCHE: Hatten bis zu Schörghofers aufgewerteter Bronzemedaille eine herrliche Zeit. Erfanden wunderschöne Begriffe wie "Blechsalat" (alpiner Fachterminus für: Deppen, die Vierter werden). Spotteten überhaupt sehr süffig über Österreichs Männer (können nix) und Frauen (können viel, gelten aber nicht). Ein Extrapluspunkt für die Fachfrage an Elisabeth Görgl, ob sie mit ihrem Song (Rock-Hymne mit starkem Mitsing-Faktor) für den European Song Contest nachmelden möchte. Sie möchte nicht.

Himmel II: "Des is' ois a Wahnsinn"

Weltmeisterschaft Ski Alpin: Slalom der Maenner
(Foto: dapd)

ZIELSTURZ, DER: Drängte sich als eigene olympische Disziplin auf. Den Demonstrationswettbewerb nach der Männer-Abfahrt gewann der Norweger Svindal, der spektakulär unter die Begrenzungsmatten rauschte und zwei Tage später in der Super-Kombi eine Goldmedaille gewann, die so viel wert war wie Gold.

OLYMPIA-GEGNER, DIE: Gaben Ruhe.

MITTERMAIER, ROSI, und NEUREUTHER, CHRISTIAN (im Bild): Gaben ständig Interviews, saßen in allen Zelten und zwar gleichzeitig. Endlich mal in der Öffentlichkeit!

OLYMPIA-FREUNDE, DIE: Gaben auch Ruhe.

RUBENBAUER, GERD: Hat schon ein WM-Finale kommentiert ("Jaaaaaa! Tor für Deutschland! 1:0 durch Andreas Brehme") und war sich trotzdem nicht zu schade, einen umfassenden Dienstleister zu geben. Stellte als Moderator in den Pressekonferenzen richtige Journalistenfragen. Kommt in Görgls WM-Song "Hero" vor. Zu Recht.

GÖRGL, ELISABETH: Holte zweimal Gold, sang sich bei der Siegerehrung jeweils selbst ein Ständchen. Nimmt nicht am European Song Contest teil, was für sie spricht. Prägte den Aphorismus der WM: "Die erste Medaille war a Wahnsinn. Die zweite Medaille war a Wahnsinn. Des is' ois a Wahnsinn." Das ist romantisch und feinsinnig, kühn und voller poetischer Kraft.

Himmel III: Das nächste große Ding

Korrigierte Ueberschrift: Weltmeisterschaft Ski Alpin - Abfahrt der Frauen
(Foto: dapd)

ANDORRA: Unabhängiger Zwergstaat in den östlichen Pyrenäen, dessen Bürger Kevin Esteve Rigail, 21, bei der Kombinationsabfahrt alle Österreicher hinter sich ließ. Zehntelsekunden, die ihn zur Legende machten (oder so).

VIERTER PLATZ, DER: Synonym für: Schweiz (unabhängiger Zwergstaat nordöstlich von Andorra).

MURISIER, JUSTIN: Sehr heimlicher Gewinner dieser Titelkämpfe. 19-jähriger Schweizer, der von Experten als das nächste große Ding im Skizirkus gehandelt wird. Landete im Riesenslalom bereits auf Platz 13, zeitgleich mit Kostelic. Insider haben es bemerkt: Im zweiten Durchgang fuhr er die drittschnellste Zeit, schneller als Weltmeister Ligety.

DEUTSCHE SLALOMFRAUEN: Haben die Erwartungen voll erfüllt. Die Erwartungen waren: arbeiten zu wenig, kämpfen zu wenig, verstecken sich zu sehr hinter Maria Riesch. Des is' ois a Wahnsinn.

VONN, LINDSEY (im Bild): Von aller Welt als Verliererin tituliert, von der SZ-Alpin-Redaktion deshalb aus Trotz zur Gewinnerin erklärt. Nach Gehirnerschütterung zu Abfahrts-Silber: Das ist wirklich nicht schlecht, auch wenn Silber in Garmisch ja weniger wert war als Bronze.

Hölle I: Saucooles Gesamtkunstwerk

Men's Slalom - Alpine FIS Ski World Championships
(Foto: Getty Images)

HÖLLE:

FELIX NEUREUTHER (im Bild): Ach, Felix.

BODE MILLER: Stock verloren im Super-G, in der Abfahrt aufgetreten wie eine deutsche Slalomprinzessin, im Kombi-Slalom aus der Piste geschanzt, im Riesenslalom Laufbestzeit im zweiten Durchgang nach schwacher Leistung im ersten Lauf: Bestätigte seinen Ruf als saucooles Gesamtkunstwerk. Ist aber eigentlich Sportler. Traf in den WM-Nachtclubs manchmal Christof Innerhofer und immer Julia Mancuso.

SCHNEE: Schnee? Wird überschätzt.

SUPER-KOMBINATION: Wettbewerb mit geringem Mitsing-Faktor. Wenig Gegenliebe bei Zuschauern und Sportlern. Favorit Kostelic verschenkte sein Gold, ließ den Wettbewerb freiwillig sausen. Entspannte sich im Kurzurlaub am Strand und traf dort nicht Julia Mancuso. Die hatte Dienst: Ihr Freund, Aksel Lund Svindal, startete in dieser Super-Kombi und gewann auch noch.

MARIA'S CORNER: Vom Riesch-Clan gemietete Lounge für Schickimicki- Termine. Einige mussten leider entfallen, siehe auch unter: Grippevirus, das.

NEBEL: Wollte den Frauen-Riesenslalom zur Absage bringen. Lächerlich!

Hölle II: In der Maskottchen-Rumpelkammer

ABFAHRER, ÖSTERREICHISCHE: Nahmen die einsamen Momente des Sportlers aus dem Starthaus mit ins Ziel. Geschwächt auch ohne Grippevirus. In der Kombi-Abfahrt dem Andorraner Rigail unterlegen, dafür immerhin vor dem Bulgaren Georgiew platziert. Der vierte Platz des jungen Romed Baumann (im Bild) in der Spezialabfahrt? Aller Ehren wert, der stolzen Ski-Nation aber wurscht. Zwischen Himmel und Hölle liegt oft nur ein schmaler Grat. Oder Österreich.

SCHWEIZ: Sechs bis acht Medaillen hat Sportdirektor Dierk Beisel gefordert. Es wurden fünf bis sieben weniger.

GA und PA: Waren Maskottchen für eine Veranstaltung, die nach zwei Wochen schon wieder zu Ende ist. Dumm gelaufen. Müssen jetzt beide in die Maskottchen-Rumpelkammer, zu Goleo.

SCHLADMING: Der Ort in der Steiermark muss als Ausrichter der nächsten Ski-WM (4. bis 13. Februar 2013) den Himmel-und-Hölle-Standard halten, den Garmisch-Partenkirchen gesetzt hat. Ob das geht? Vielleicht, wenn Kevin Esteve Rigail aus Andorra das WM-Lied singt. Titel: "Zehntelsekunden, die Legenden bilden." Untertitel: "Des is' ois a Wahnsinn."

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