Ski:St. Moritz ärgert sich über die eigene WM

Ski: Die Ski-WM und St. Moritz - nicht nur bunte Bilder.

Die Ski-WM und St. Moritz - nicht nur bunte Bilder.

(Foto: AP)

Der Ski-Weltverband diktiert: Ladenbesitzer dürfen nicht für ihre Produkte werben und müssen fremdes Bier ausschenken. Und dann feiern mitten im Ort auch noch die Österreicher.

Von Matthias Schmid, St. Moritz

Das Badrutt's Palace Hotel in St. Moritz ist eines der teuersten im Dorf. Es sieht von außen mit seinem markanten Turm aus wie ein Schloss. Viele Touristen bleiben vor dem Haupteingang stehen, um es zu fotografieren, im Hintergrund thront der imposante und 3451 Meter hohe Corvatsch. Das ist ein hübsches Bild. Zudem steht eine zwei Meter große Eisfigur eines britischen Nobel-Autobauers in der Hofeinfahrt. Neben den echten Karossen, versteht sich.

Strenggenommen dürfen diese Autos da gar nicht stehen. Die britische Marke gehört nicht zu den Hauptsponsoren der gerade stattfinden Ski-Weltmeisterschaft. Das Luxushotel, in dem Zimmer bis zu 16 000 Franken kosten, schert sich aber nicht um die strengen Vorgaben, die das WM-Organisationkomitee (OK) den Hoteliers und Einzelhändler während der Tage des Großereignisses auferlegt hat.

Während der WM genießen die exklusiven WM-Geldgeber Sonderrechte in St. Moritz. Die einheimischen Ladenbesitzer stört das, sie fühlen sich wie Menschen zweiter Klasse, manche von ihnen sprechen von "Knebelverträgen" und von "skandalösen Zuständen". Claudio Ender findet weniger drastische Worte, "aber ich halte das alles für ziemlich fragwürdig, weil wir uns ja alle freuen, dass wir die WM hier haben". Ender führt in der Via Maistra ein Sportgeschäft. Er darf nur drinnen für seine Produkte werben, draußen darf er keine Kleiderständer oder Kisten aufstellen. Das hat ihm das OK um dessen Chef Hugo Wetzel nahegelegt.

Restaurants und Cafés, die in der Fußgängerzone einen kleinen Stand oder eine Hütte aufgebaut haben, wird die Biermarke oder die Milch vorgeschrieben, die sie ausschenken müssen. Sie alle fühlen sich vom Korsett des Welt-Skiverbands Fis eingeengt. Das strikte Vorgehen erinnert an das Geschäftsmodell des Welt-Fußballverband Fifa, der bei Weltmeisterschaften in sogenannten Fanmeilen und rund um die Stadien seinen Geldgebern einen exklusiven Raum einräumt. "Aber wir sind hier in der Fußgängerzone von St. Moritz", sagt ein Konditormeister, der seinen Namen nicht nennen möchte. Er ist etwas eingeschüchtert und will keine Strafzahlungen riskieren.

Hugo Wetzel kennt die Vorbehalte der Einheimischen und ihre Wut. Aber er hat eine klare Haltung. "Wenn sich die Ladenbesitzer nicht an die Regeln halten, kriegen wir Probleme mit der Fis und müssen von ihnen Regress fordern", sagt er und verweist auf den Veranstaltervertrag zwischen OK und dem Ski-Weltverband. 28 Millionen Euro überweist die Fis an die Schweizer. "Daran sind natürlich klare Bedingungen geknüpft", hebt Wetzel hervor, ,,wir haben zum Beispiel unterschrieben, dass der Ort sauber von anderen Sponsoren sein soll."

Die Rechtsmäßigkeit dieser Übereinkunft zweifelt Marco Biancotti an, wie der Anwalt im Schweizer Radio erklärt. "Zwischen den beiden Parteien hat die Vereinbarung zum Produktezwang Gültigkeit. Aber sie tangiert auch Rechte von Dritten - und in diesem Punkt scheint sie mir nicht rechtens", sagt Biancotti, der vier Jahre im St. Moritzer Gemeinderat saß. Wetzel sind diese rechtlichen Bedenken bekannt, deshalb appelliert er an die Solidarität und Kooperationsbereitschaft der Einheimischen, in den Tagen der WM darauf zu verzichten, außerhalb ihrer Läden für ihre Produkte zu werben.

"So unterwürfig können nur wir Schweizer auftreten"

Noch viel mehr als über zweifelhafte Verträge wundern und ärgern sich die Einwohner darüber, dass die Organisatoren ausgerechnet ihrem Hauptkonkurrenten um Wintertouristen, Österreich, den schönsten Platz im Ort überlassen haben. Direkt am Schulhausplatz, am Beginn der Fußgängerzone, haben die Österreicher während der WM Quartier bezogen. Im sogenannten "TirolBerg" feiern sie sich selbst und ihre Medaillengewinner, organisieren Konzerte und feine Empfänge. "Eine bessere Werbe-Plattform gibt es ja nicht", schimpft Andreas, "die Österreicher und speziell die Tiroler werden ihr Glück angesichts ihres Marketing-Erfolgs selbst kaum fassen können."

Der Mann aus St. Moritz fährt während der WM als Freiwilliger Helfer die Prominenten durch das Dorf und erinnert daran, dass allein St. Moritz in den vergangenen 15 Jahren ein Drittel der Feriengäste verloren hat. "So unterwürfig können nur wir Schweizer auftreten", fügt er hinzu. In der Tat verwundert es, dass der Schweizer Skiverband seine Residenz an einem viel befahrenen Kreisverkehr abseits der Fußgängerzone bezogen hat, wo kaum ein Tourist hinkommt.

Wetzel kann die Aufregung der Menschen nicht verstehen, er findet ihn sogar unangebracht, "weil wir alle gemeinsam für die Alpen, für die Berge und den Skisport werben müssen und das nicht auf einen einzelnen Ort oder Region beschränken sollten." Wetzel verweist darauf, dass die Schweizer bei den Weltmeisterschaften in Schladming, Vail und Garmisch-Partenkirchen einen vergleichbar exponierten Platz gemietet hatten. "Wir hatten nur ein kleineres Haus, weil wir weniger Geld haben als die Österreicher. "

Nicht alle in St. Moritz sind verärgert oder wütend. Es lassen sich genügend Einheimische finden, die der ganzen Angelegenheit entspannt pragmatisch begegnen. "Ich gehe abends nur zu den Österreichern", bekennt zum Beispiel der Soldat Urs, "weil es da am lustigsten zugeht und sie einfach die besten Partys feiern können."

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