Ski slpin:"Wer weiß, vielleicht hat von oben wer zug'schaut"

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Men's Downhill

Thomas Dreßen nach seiner Zieldurchfahrt in Kitzbühel.

(Foto: Alain Grosclaude/Agence Zoom)
  • Thomas Dreßen gewinnt als erster Deutscher seit 39 Jahren die Abfahrt in Kitzbühel.
  • Als er zwölf Jahre alt war, starb sein Vater und erster Trainer bei einem Seilbahnunglück.
  • "Der Traum von meinem Papa war, dass er mich dahin bringt, wo ich jetzt bin", hat er einmal gesagt.

Von Johannes Knuth, Kitzbühel

Der Skirennfahrer Thomas Dreßen ist ein ruhiger, bodenständiger Typ. Zumindest solange er kein Skirennen fährt. Der 24-Jährige stammt aus Mittenwald in Oberbayern, gegenwärtig wohnt er mit seiner Freundin und einem Jack-Russell-Terrier in Scharnstein am Traunsee. "Da ist es schön ruhig", sagt Dreßen über sein Domizil in Österreich, "die Luft ist gut und das Essen auch." Sein ausgefallenstes Hobby ist das Motorradfahren, vor einem Jahr hat er sich eine Harley Davidson angeschafft, ein Modell für Einsteiger. Auch mit der Harley fährt er am liebsten entspannt. Für den Rest des Jahres, auf den alpinen Weltcup-Pisten, auf denen Dreßen gerade seine Hauptbeschäftigung ausübt, geht es ja schon rasant genug zu. Am vergangenen Wochenende konnte man das gut besichtigen.

Thomas Dreßen hat an diesem Samstag die prestigeträchtige Abfahrt am Hahnenkamm in Kitzbühel gewonnen; der bislang letzte Deutsche, der das geschafft hatte, war Sepp Ferstl. Das ist jetzt 39 Jahre her. Die Abfahrt gilt als die Königsdisziplin des alpinen Sports, es geht um Mut und Überwindung; die Fahrer werfen sich in einem dünnen Anzug auf eine Rennbahn aus Eis, auf der sie bis zu 150 Stundenkilometer schnell werden. Damit hatten die deutschen Fahrer lange ihre Probleme. Und dann ist Kitzbühel auch noch die gefährlichste Abfahrt in diesem nicht gerade risikoarmen Sport. Gerade das ist in Kitzbühel ja der Kern des Geschäftsmodells: Fahrer werden in neue Sphären gehoben - und Karrieren finden ihr Ende.

Wer in Kitzbühel gewinnen will, muss sich also überwinden, er muss im Angesicht des Extremen aber auch die Ruhe bewahren. Und Dreßen beherrscht diese Kunst mittlerweile so gut wie kaum ein anderer: Er kann sich motivieren, er verheddert sich aber nicht im Überschwang. Der 24-Jährige debütierte vor drei Jahren im Weltcup, er arbeitete sich erst in vielen kleinen Schritten, dann immer schneller an die Spitze, im vergangenen Dezember gelang ihm dann ein großer Sprung: Platz drei in der schweren Abfahrt von Beaver Creek. Zum ersten Mal seit sieben Jahren stand wieder ein deutscher Abfahrer auf dem Podest. Und wenn Dreßen ein Lauf mal nicht gelang, verlor er auch nicht seine Ruhe. Er weiß, dass es wichtigere Dinge gibt als ein Skirennen.

Thomas Dreßen war zwölf Jahre alt, als sein Vater in Sölden ums Leben kam. Dirk Dreßen war mit einer Schülergruppe auf dem Weg zum Gletscher, ein Lastenhubschrauber verlor einen Betoneimer über der Seilbahn, neun Menschen starben (darunter auch der Bruder des deutschen Slalomfahrers David Ketterer). Dreßens Vater hatte die Karriere des Sohns einst angeschoben, er war der erste Trainer, fuhr Thomas in die Berge und in den Schnee. Die Eltern sind im Nachwuchsbereich längst die wichtigsten Sponsoren in Zeiten, in denen der Winter immer mehr in die Alpen zurückweicht.

Die Zeit nach dem Unglück war Dreßens schwerste, sie war aber auch ein Ansporn, wenn es mal nicht so lief oder er Verletzungen erlitt. "Der Traum von meinem Papa war, dass er mich dahin bringt, wo ich jetzt bin", hat er einmal gesagt. Dreßen gewann Silber bei der Junioren-WM im Riesenslalom und in der Abfahrt, im Frühjahr 2015 debütierte er in Saalbach im Weltcup. Heute hat er auf seinen Helm die Zahl 44 geklebt, jede Vier steht für den vierten Buchstaben im Alphabet: DD. Das sind die Initialen seines Vaters.

Als Dreßen sich am Samstag in Kitzbühel aus dem Starthaus schob, riss die Wolkendecke kurz auf, die Sonne half ihm, die Fallen auf der zerfurchten Piste besser zu erspähen. "Wer weiß, vielleicht hat von oben wer zugschaut und die Sonn a bissl mehr scheinen lassen bei mir", sagte Dreßen später. Dreßen hat sich den Weg an die Spitze seines Sports freilich schon auch selbst geebnet, er möchte nicht nur auf die Geschichte mit seinem Vater reduziert werden. Der Sieg auf der Streif, sein erster überhaupt im Weltcup, dürfte da nicht abträglich sein.

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