Ski nordisch:Papa ist stolz

FIS Nordic World Ski Championships 2017, Lahti, Finland - 01 Mar 2017

Ein Routinier, wenn es darum geht, lebhaft sein Gold vorzuzeigen: Johannes Rydzek in Lahti.

(Foto: BRANDT/EPA/REX/Shutterstock)

Früher stand Johannes Rydzek oft im Schatten seiner Teamkollegen - oder sich selbst im Weg. Nach seinem dritten WM-Gold in Lahti könnte der 25-Jährige nun eine Epoche prägen.

Von Volker Kreisl, Lahti

Das Aber ist jetzt weg. Dieser Sportler, heißt es nun, habe ein großartiges Talent, aber das war ja schon immer klar. Er kann sich plagen, er ist fleißig, und jetzt ist er auch noch abgeklärt. Der Chef sagt: "Er ist der kompletteste Kombinierer." Aber? Kein Aber.

Johannes Rydzek aus Oberstdorf war in seiner Karriere noch nie allein. Ein gutes Weltcup-Team funktioniert wie eine Familie, und Rydzek hatte immer einen großen Bruder vor sich. Eric Frenzel ist drei Jahre älter, er war auch immer drei Jahre besser. Frenzel holte vor drei Jahren in Sotschi Olympiagold, Rydzek stürzte, als er später auch auf dem Weg zu Gold war. Und immer sagte der Cheftrainer und Teamvater Hermann Weinbuch: "Der Eric, das ist ein abgezockter Hund." Der Ritschi? Klar, der sei auch ehrgeizig und "saustark". Aber.

Nun läuft gerade die WM 2017, und die Zeiten, in denen Johannes Rydzek der kleine Bruder war, sind vorbei. Der 25-Jährige ist nicht nur aus dem Schatten anderer herausgetreten, er wirft jetzt selber einen Schatten. Er ist seit Mittwoch der Beste in seiner Disziplin, nach Statistiken auch besser als die Vorfahren dieses alten Wintersports. Er hat den Norweger Bjarte Vik in der WM-Rangliste überholt, und er könnte, weil er noch jung ist, eine längere Kombinationsepoche prägen.

Drei Goldmedaillen hat Rydzek in Lahti errungen, am Freitag ist ihm trotz dieser Anstrengungen im Teamsprint ein vierter Sieg zuzutrauen. Er zeigte keine Nervosität mehr, keine Selbstzweifel, und auch keinen überschießenden Ehrgeiz, wie zum Beispiel bei seinem ersten großen Auftritt vor der Sportwelt, bei der WM 2011 in Oslo.

Rydzek war da als neuer Juniorenweltmeister angetreten und voller Elan, im Rennen nach der Großschanze hatte er gute Chancen auf Silber. In der Schlussrunde war er zusammen mit Frenzel gelaufen. Am Ende holte er auch die ersehnte Medaille, aber als die öffentlichen Zeremonien beendet waren, gab es einen Anpfiff. Denn Rydzek hatte das Tempomachen seinem Kollegen überlassen, er hatte sich die ganze Runde über an Frenzel gehängt und Kräfte gespart. So etwas ist tabu, die Medaille glänzte leicht stumpf.

Schlechtes Training, Sieg im Wettkampf - "früher undenkbar", sagt der Bundestrainer

Dahinter steckte mehr Unerfahrenheit als listiges Kalkül, und dennoch saß so ein Rüffel bei Rydzek tiefer als bei den zielfokussierten Athleten, die weniger grübeln. Ähnlich war es dann in Sotschi, als er im Gerangel auf der Zielgerade mit Fabian Rießle zusammenstieß und stürzte. Er habe nach Rückschlägen "immer alles in Frage gestellt", erzählt Rydzek. Und Weinbuchs Rat, er solle sich ein Beispiel am souveränen Frenzel nehmen, war nicht so leicht zu befolgen - denn sein Temperament kann man nicht einfach herunterdrehen wie eine Heizung. Man kann höchstens wachsen, indem man selber siegt.

Das Hin und Her zwischen Abmühen und Zweifeln hatte er vor zwei Jahren bei der WM in Falun erstmals durchbrochen, da holte er zweimal Gold, zudem Silber und Bronze und hatte den besten Energie-Haushalt. Er wurde gelassener, und die Ratschläge der Trainer kamen an. "Die haben mir immer so viel mitgegeben" sagt er, "vielleicht habe ich erst jetzt wirklich gelernt, es anzunehmen und zu schätzen." Zu Beginn dieser Saison verpatzte er das erste Training komplett, aber am nächsten Tag gewann er den Wettkampf. "Das war früher undenkbar", sagt Weinbuch.

Nur mit Optimismus denkbar war es auch, dass Rydzek einen großen Wettkampf zeigt, an dem es rein gar nichts auszusetzen gibt. In Lahti hat er schon drei von dieser Sorte hingelegt, wobei die ersten beiden einfach erschienen, denn die laufstärksten Deutschen hatten nach überlegenem Springen auch noch einen gewaltigen Vorsprung. Am Mittwoch aber war schlechtes Wetter an der Großschanze, der Wind blies in der deutschen Gruppe oben von vorne und ließ unten nach, weshalb einer nach dem anderen von seinem Luftkissen herunterfiel. Eine Minute Rückstand hatte Rydzek auf den Führenden, und trotz seiner großen Lunge gab es noch diverse Möglichkeiten, um etwas falsch zu machen. Rydzek konnte zu früh davonstürmen oder sich beim Kraftsparen verschätzen, und am Schluss konnte er sich in einem zu langen Sprint aufreiben oder auch zu spät dran sein, weil er die falsche Bahn gewählt hat, oder weil er wie früher im Gerangel stürzt.

Aber es lief alles nach Plan.

Rydzek erreichte seine avisierte Schlüsselstelle mit genügend Reserven, und er hatte sich seine Gegner in die entsprechende Position gelegt. Auf dem Gipfel des letzten kurzen Anstiegs genügten ihm drei, vier schnelle Schritte, fünf Sekunden Vorsprung für die freie Fahrt ins Ziel, seine Ellbogen brauchte er nicht mehr.

Er hat sich in seinem Sport jetzt an die Spitze der WM-Bilanzen gesetzt, fünfmal Gold, viermal Silber, einmal Bronze. Er hat nicht nur Barte Engen Vik, der in den Neunzigern lief, auf Platz zwei verdrängt. Er ist in dieser Liste nominell besser als Frenzel, auch als sein Sprung-Bundestrainer Ronnie Ackermann, der in den Nullerjahren aktiv war. Aber das mit den Bestenlisten ist so eine Sache, ihretwegen läuft Rydzek nicht, er genießt lieber "das Rennen an sich". Schon weil es früher weniger Wettkämpfe pro WM gab, liefern diese Zahlen ja ein falsches Bild: "Statistiken sind schwierig zu vergleichen", sagt Rydzek. Zahlen sind also trügerisch, auf den Spaß ist Verlass. Die Formel klingt etwas schräg, führt aber ganz nach oben.

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