Ski:Gerichtsstreit mit Nebenwirkungen

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Women's Downhill Training

"Sieht besser aus, fast wie ein richtiges Skistadion." - Lindsey Vonn gefällt die Neugestaltung in Garmisch.<QM>

(Foto: Stanko Gruden/Getty Images)

Die Organisatoren des Weltcup-Rennens in Garmisch mussten den Zielraum umgestalten und die Tribüne versetzen - das Ergebnis ist gelungen.

Von Matthias Schmid

Lindsey Vonn nuckelt genüsslich an ihrer Getränkeflasche, als sie sich plötzlich umdreht und ihren Blick schweifen lässt nach rechts. Die Ski-Rennläuferin steht nach dem Abfahrts-Training am Freitag im Zielraum von Garmisch-Partenkirchen und muss sich erst einmal orientieren, sie ist hier schon so oft gestanden nach Trainingsfahrten und Rennen. Vor sechs Jahren gewann Vonn im Werdenfelser Land die Silbermedaille in der Abfahrt bei der Weltmeisterschaft. Doch dass die Organisatoren in diesem Jahr einiges umgestaltet und neu errichtet haben, "ist mir gar nicht aufgefallen", wie sie lächelnd mitteilt. Die große Stahlrohrtribüne zum Beispiel für 2600 Zuschauer und die riesige Videowand sind nun näher zur Talstation der Alpspitzbahn gerückt. "Sieht besser aus", findet Vonn, als sie die Neuerungen mit dem kurvenähnlichen Aufbau fachmännisch begutachtet, "fast wie ein richtiges Skistadion."

Der Landwirt, der geklagt hatte, redet nicht gerne darüber

Die freundlichen Komplimente von Fahrerinnen, Sponsoren und Besuchern haben natürlich schon Peter Fischer erreicht. Auch dem Geschäftsführer des Organisationskomitees (OK) für die Kandahar-Weltcuprennen gefällt "die engere kompaktere Atmosphäre und das insgesamt größere Gelände für die Sponsorenstände", wie er sagt. Doch die baulichen Veränderungen für die Abfahrt (Samstag) und den Super-G (Sonntag) folgten keinem freiwilligen Modernisierungsprozess, Fischer musste den Zielraum umgestalten und die Tribüne versetzen. Das Münchner Landgericht II hatte das in einem Urteil im Sommer so entschieden. Geklagt hatte ein Grundstücksbesitzer, auf dessen Wiese (Flurname Nesselwang) bisher die Hälfte der Tribünenzuschauer im Zielraum saß. Peter Lipf, ein Nebenerwerbslandwirt mit vier Kühen im Stall, störte sich schon seit Längerem an den Hinterlassenschaften der Skirennen, an der Arbeit, die er nach dem Abbau zu erledigen hatte, wenn der Ski-Tross weitergezogen war zum nächsten Standort. Er musste dann im Frühjahr zwei Nachmittage aufräumen, wie er erläuterte: den Boden lockern, Spurrillen, Löcher und Absenkungen wieder mit Humus auffüllen.

Lipf, 72, spricht nicht gerne mit Journalisten. "Ich habe keine Lust", sagt er nur. Vor allem die Eisenstangen für die Tribüne, die da zurückgelassen wurden, ärgerten ihn meisten, wie er im Sommer in seinem einzigen Interview dem Münchner Merkur erzählte. "2014 hab' ich das ganze Eisenzeug mitgenommen und Frau Meierhofer auf den Schreibtisch gelegt." Sigrid Meierhofer (SPD) ist seit drei Jahren die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen. Lipf war damals der erste, der in ihrer ersten Sprechstunde vorbeischaute. "Schrauben, Kronverschlüsse, Plastik und Blechbüchsen hab' ich damals gar nicht erst mitgenommen", fügte Lipf hinzu.

Wenn Peter Fischer diese Geschichten hört, schüttelt er mit dem Kopf. "Um die Tribüne ist es dem Grundstücksbesitzer nie gegangen, sondern nur um das Streiten", meint er. Seit 17 Jahren schon enden die Rennen auf Zips' Grundstück. Der Streit hätte im Sommer sogar zum Aus der traditionsreichen Weltcuprennen in Garmisch-Partenkirchen führen können. Denn ohne Sitzplätze für Besucher sind Weltcup-Veranstaltungen laut Reglement nicht möglich. Dabei gilt die schriftliche Vereinbarung bis 2034, die der Landwirt 2007 mit der Marktgemeinde geschlossen hat. "Mit allen anderen 27 Grundstücksbesitzern gibt es überhaupt keine Probleme", versichert Fischer. Dass es um andere Dinge gehen muss als um Eisenstangen und Humusauffüllungen, zeigt auch das Urteil des Landgerichts. Die Richter untersagten die Errichtung der Tribüne auf Lipfs Wiese lediglich bis zum 31. März dieses Jahres. Fischer könnte jetzt darauf bestehen, im nächsten Jahr die Stahlrohrkonstruktion wieder an dem früheren Platz aufzubauen. Doch er hat keine Lust mehr auf juristische Auseinandersetzungen vor Gericht, auf die nervenaufreibenden Versuche, sich außergerichtlich mit Lipf zu einigen. "Das Hin und Her würde ja auch viel Geld kosten", sagt Fischer, "das ist ja keine Tribüne von der Stange, sondern extra für uns angefertigt worden." Er wünscht sich, dass endlich Ruhe einkehrt und es wieder um den Sport geht. Fünf Jahre gilt der neue Vertrag mit dem Grundstückseigner, auf dessen Wiese die neue Tribüne steht.

Dabei hätte sich das OK um Fischer eine Einigung mit Lipf, der vor zwei Jahren schon mal 10 800 Euro Schadensersatz erhalten hat, sehr viel kosten lassen. Bis zu 140 000 Euro hätten die Macher für den Wertausgleich gezahlt, wenn Lipf den Grundstückstausch der Marktgemeinde angenommen hätte, die ihm im Gegenzug eine 17 000 Quadratmeter große Wiese angeboten hatte. Sie beginnt gleich neben seinem Grund, hinter der Bahnlinie zur Zugspitze. "Doch er hat zwei Notartermine verstreichen lassen", sagt Peter Fischer.

Er will über den Streit nicht mehr sprechen, Plan B scheint ja aufzugehen. Nicht nur Lindsey Vonn findet das neue Skistadion gelungen. Auch dem Welt-Skiverband Fis müssen die Umbauten gefallen. Die ausgefallene Abfahrt der Männer in Wengen wird nämlich am nächsten Freitag in Garmisch-Partenkirchen nachgeholt. "Diesen Klassiker wollte ich unbedingt hierher holen", sagt Fischer. Das Rennen beginnt erst um 13 Uhr. Bis dahin schafft es auch die Sonne übers Wettersteingebirge und lässt die neue Tribüne noch glänzender dastehen.

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