Ski Freestyle:Schnee-Spektakel im Hockey-Stadion

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Keine Luftnummer: Lisa Zimmermann beim Big Air Ski Event in Mönchengladbach.

(Foto: imago)

In Mönchengladbach trifft sich die Freestyle-Elite zum Weltcup, und nicht nur die deutsche Top-Athletin Lisa Zimmermann malt die Zukunft ihres Sports in olympischen Farben.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Beim 'Big Air'-Freestyle-Skispringen ist man am Ende schon auch froh, dass die beiden Stadion-Kommentatoren nicht vor Begeisterung explodiert sind. Eineinhalb Stunden lang wirbelten sie durch die Landungszone und brüllten Vokabeln der Entzückung in ihre Mikrofone. Als "unmenschlich", "abartig", "arschgeil" oder "saustark" lobten sie die tatsächlich atemberaubenden Flugtricks der Skispringer, aber weil sie glaubten, sich im Finale der Männer und der Frauen angesichts von insgesamt 48 Sprüngen rhetorisch stets noch steigern zu müssen, litten ihre Stimmbänder ebenso wie das Gefühl, dass die Qualität der einzelnen Sprünge in diesem kollektiven Begeisterungswahn überhaupt noch relevant ist. "Bist Du deppert?", brüllten sie jeden zweiten gelandeten Athleten im Überschwang an und lieferten immer auch gleich die internationale Übersetzung: "Are you kidding me?" Der Schwede Henrik Harlaut und die Südtirolerin Silvia Bertagna mussten sich als Sieger vor 9000 Zuschauern die diesbezüglich hartnäckigste Befragung gefallen lassen.

Die beste deutsche Freestylerin, Lisa Zimmermann, sogar eine der besten der Welt, hat beim Weltcup im Hockeystadion von Mönchengladbach vom Überschwang der beiden Plaudertaschen nicht allzu viel mitbekommen. "Ich hab immer Musik drinnen", sagte sie nach dem Weltcup-Finale. Die Bayerin Zimmermann, 20 Jahre jung und auch im täglichen Leben eine Freestylerin par excellence, hört beim Springen immer Deutsch-Rap, weil der aggressive Gangsta-Talk von Interpreten wie Kollegah oder Beginner sie mutiger, schneller und besser macht. In Mönchengladbach hat es aber nur zum dritten Platz gelangt. Man darf hier "nur" durchaus sagen, denn Zimmermann zeigte sich demonstrativ enttäuscht von ihrer Platzierung. Sie hatte gewinnen wollen. Schließlich ist ihr das bei einem Weltcup noch nicht gelungen.

"Wenn es funktioniert hätte, dann hätt' es mich ja nicht zwei Mal geschmissen", sagte sie nach ihren drei Sprüngen mit einem bitteren Lächeln.

Auch der zweite deutsche Finalteilnehmer hätte sich ein bisschen mehr erhofft, aber er war nicht völlig unzufrieden: Der Oberstdorfer Sebastian Geiger wurde zwar nur Letzter im Zehner-Finale, doch schon die bloße Teilnahme im Zirkel der Besten war ihm eine riesige Ehre.

Knackige Mischung aus Ski- und Turmspringen

'Big Air' ist beim Freestyle eine von drei Disziplinen. Es ist eine Mischung aus Skispringen und Turmspringen, denn erst nehmen die Springer auf einer steilen Schanze Anlauf, dann werden sie über eine Rampe in die Luft katapultiert und dann drehen und wirbeln und verbiegen sie sich wie Turmspringer - bloß, dass sie im Gegensatz zu denen nicht ins weiche Wasser eintauchen, sondern auf dem harten Schnee landen. Und die Landung ist wichtig: Lisa Zimmermann ist am Freitagabend im Finale drei Mal gesprungen, ein Mal ist sie sauber gelandet, ein Mal hat sie eine scharfe Korrektur fahren müssen, und ein Mal hat sie die Hände gebraucht, um sich zur Sturzvermeidung abzustützen. "Ich hatte ein Speedproblem und ein bisschen Pech, ich hatte einfach einen schlechten Tag", sagte sie.

Die Beinahe-Stürze und ihre daraus resultierende Unzufriedenheit machte sie aber nicht an der Rampe oder an den Bedingungen im Hockey-Park fest: "Die Rampe ist mega-gut gebaut, das ist die beste Rampe, auf der ich je gesprungen bin", sagte sie, "wir hatten zum Beispiel auch noch nie so eine lange Landung." Genützt haben ihr diese Argumente allerdings wenig. Vielleicht auch deshalb, weil sie in den vergangenen zwei Wochen vor allem im Bett gelegen hatte - mit einer Grippe.

Erst jetzt erhält sie ein bisschen Zeit zur Genesung. Im Januar ist Slopestyle in Frankreich, im Februar folgt noch der dritte Weltcup-'Big Air' in Kanada. Lisa Zimmermann glaubt, dass ihr Sport eine große Zukunft hat. "Ich bin so froh, dass der Weltverband Fis jetzt bei uns mit drinnen ist", sagt sie, und über das Springen namens 'Big Air' glaubt sie, dass dieses auch für die Skifahrer 2022 olympisch wird. 2018 in Südkorea ist es zunächst einmal bloß für die Snowboarder olympisch, für jene Athleten also, die in Mönchengladbach am Samstag zum Zuge kamen. Am Abend stürzen auch sie sich die 50 Meter hohe und 120 Meter lange Rampe hinunter, und wie auch immer ihre Sprünge dann gelingen - die Reaktionen der Stadionsprecher werden ekstatisch sein.

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