Ski alpin:Mitarbeiter des Tages

Der nächste Podestplatz von Stefan Luitz, die nächste Überraschung durch Alexander Schmid: Die deutschen Rennfahrer malen in Val d'Isère weiter am Bild des Erfolgs.

Von Johannes Knuth

Ski alpin: Diesmal die Balance zwischen Angriff und Verteidigung geschafft: Stefan Luitz belohnt sich beim Riesenslalom in Val d’Isère mit Rang zwei.

Diesmal die Balance zwischen Angriff und Verteidigung geschafft: Stefan Luitz belohnt sich beim Riesenslalom in Val d’Isère mit Rang zwei.

(Foto: Alessandro Trovati/AP)

Eine Autofahrt nach Val d'Isère kann je nach Abfahrtsort, Verkehrsaufkommen, Fahrstil sowie Kaffeeaufnahme schon mal neun Stunden in Anspruch nehmen. Mathias Berthold, Cheftrainer der deutschen Skirennfahrer, und Wolfgang Maier, Alpindirektor im Deutschen Skiverband, konnten also einiges besprechen, als sie sich am Freitag in einer Fahrgemeinschaft in die französischen Alpen aufmachten. Zum Beispiel die Sache mit Alexander Schmid. Maier war angetan von diesem jungen Allgäuer, aber Schmid, fand Maier, habe seine Begabung noch nicht allzu oft in Slaloms und Riesenslaloms überführt. Berthold sah das etwas anders, freundlich gesagt, Schmid sei so unerhört schnell. Da sei es nur eine Frage der Zeit, ehe er diese Kompetenz im Weltcup einbringen werde.

Der Beleg folgte einen Tag später, in Val d'Isère. Schmid beendete den ersten Lauf des Riesenslaloms als Achter, das war schon beachtlich, der 23-Jährige vom SC Fischen hatte zuvor in sieben Versuchen im Weltcup noch nie die Beförderung in den zweiten Lauf geschafft. Nun startete er im zweiten Lauf als einer der Letzten; viele bekommen da weiche Knie, wenn es im Starthaus immer einsamer wird und die Erwartung immer größer. Aber Schmid steuerte auch im zweiten Versuch so ruhig über die Face de Bellevarde, als mache ihm das alles nichts aus: die Piste, die mal glatt war, mal ruppig, immer steil, der Neuschnee, der den Hang aufweichte. Schmid riss die Führung an sich, am Ende wurde er Sechster, er hatte sich aus dem Stand in die Weltspitze gehoben. Weltspitze?

Platz sechs, Olympiaqualifikation geschafft: Alexander Schmid fühlt sich "wie im Traum"

Es ist schon beachtlich, wie kräftig die deutschen Männer im jungen Olympiawinter derzeit am Bild des Aufschwungs malen, ohne den kreuzbandverletzten Felix Neureuther. Fritz Dopfer beendete den Slalom am Sonntag als Siebter (der Österreicher Marcel Hirscher gewann); seit Dopfers Schien- und Wadenbeinbruch war das sein bester Ertrag, mit dem er sich auch für die Winterspiele im Februar qualifizierte. Viktoria Rebensburg steuerte in St. Moritz Platz sechs im Super-G bei (das Rennen am Sonntag fiel aus). Und der Bringer war natürlich der Riesenslalom der Männer. Stefan Luitz kletterte an die zweithöchste Stelle des Podiums, nach Platz drei vor einer Woche in Beaver Creek. Aber selbst der Allgäuer Luitz gestand, dass die Auszeichnung zum Mitarbeiter des Tages seinem Landsmann Schmid gebührte. "Das hätte ich im Traum nicht gedacht", sagte Schmid, der auch die Norm für die Winterspiele einreichte. Allein seine Abreise gestaltete sich schwieriger. Schmid hatte die Rückfahrt auf den Samstagnachmittag terminiert, nun musste er noch eine behördliche Pflicht abarbeiten: die Siegerehrung der besten Sechs am Samstagabend.

So unerwartet der Erfolg kam: Schmid steht auch ein wenig für das kleine, feine Reservoir an Talenten, das Berthold und sein Team in der zweiten Reihe kultiviert haben. Schmid war mal Zweiter in der Jugend-Weltrangliste hinter einem gewissen Henrik Kristoffersen, 2015 gewann er einen Riesenslalom im zweitklassigen Europacup. Dann kamen die Verletzungen, Syndesmosebandriss, ein Kompartmentsyndrom. Wer unten ist im Skisport, kommt nur schwer nach oben, er startet mit hohen Startnummern, fährt auf zerfurchten Pisten, auf zerfurchten Pisten ist es wiederum schwer, gute Ergebnisse zusammenzutragen, die einen in der Startliste nach vorne wehen. Und dann, sagte Maier am Wochenende ins Telefon, gebe es Tage, "da geht alles auf". Wobei es freilich eine Frage von vielen Wintern ist, bis sich Skifahrer dauerhaft in der umkämpften Elite behaupten.

Luitz ist da schon weiter. Er vertritt den maladen Vorfahrer Neureuther bislang beachtlich gut, und er ist gerade dabei, einen nicht minder beachtlichen Schritt zu vollführen. Der 25-Jährige führte lange eine große Begabung mit sich, aber er unterfütterte das immer wieder mit Fahrfehlern, die ihm bessere Platzierungen raubten (und ihm von Sportdirektor Maier den Beinamen "Unvollendeter" einbrachten). Luitz wandte sich an einen Sportpsychologen, die Trainer dämmten ein fehlerhaftes Bewegungsmuster ein, das er sich in der Jugend eingefangen hatte. Im vergangenen Winter versah er seine Auftritte schon mit mehr Konstanz, jetzt die zwei Podiumsplätze, nachdem er in den Jahren davor im Weltcup vier geschafft hatte, insgesamt.

An Luitz, sagt Maier, könne man studieren, wie beides sich ergänze: ein starkes Betreuerteam und ein Hochbegabter, der diese Ressourcen annimmt. Sie haben den Trainingsbetrieb bei den Männern im Sommer noch einmal angepasst, auf Bertholds Wunsch zwei kleinere Gruppen geformt: eine für die besten Techniker im Weltcup, eine zweite für die zweite Reihe. Man könne die Fahrer nicht wie einen Hirscher betreuen, der ständig vier, fünf Zuarbeiter um sich habe, sagt Maier, dafür fehlt im DSV nach wie vor das Geld. Aber man wolle mit dieser Kleingruppenkultur halt darauf reagieren, dass die Besten im Weltcup immer individueller angeleitet werden.

Das ist vor diesem Hintergrund vielleicht der größte Verdienst Bertholds: Dass er seit seinem Wechsel zum DSV vor drei Jahren nicht nur das Potenzial seiner Fahrer weiter gehoben hat, sondern sich die Trainer in allen Ressorts und Altersstufen mit den Sportlern entwickelt haben, oder andersherum. Und noch eine Kleinigkeit fällt auf: Berthold steht mittlerweile oft am Start, bei den Athleten, während die meisten Cheftrainer auf der markantesten Stelle an der Piste wachen. Er hat vor Kurzem eine sportpsychologische Schulung abgeschlossen, auch deshalb schafft er es offenbar wie kaum ein anderer, störende Gedanken seiner Fahrer vor dem Start zu ersticken. Ein Betreuerteam setze sich aus vielen Rädern zusammen, sagt Maier, "aber Mathias ist sicher ein besonderes Rad".

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