Ski alpin:Lindsey Vonn isst Schokoriegel heimlich auf der Tankstellentoilette

Lindsey Vonn

"Und am Ende verdanke ich das alles meinem Körper": Lindsey Vonn bei den Emmy Awards in Los Angeles.

(Foto: Jordan Strauss/AP)

Die amerikanische Skifahrerin hat ein Buch geschrieben, in dem sie darstellt, wie sehr ihr gesellschaftliche Erwartungen zu schaffen machten - und wie lausig sie sich lange Zeit ernährte.

Von René Hofmann

Es sagt schon einiges über ein Buch, wenn sich die prominente Autorin auf Seite sechs gleich einmal komplett nackt zeigt. Auf Zehenspitzen in der Abfahrtshocke kauernd, zwei knallrote Skistöcke im Anschlag - so begrüßt Lindsey Vonn die Leser ihres Erstlingswerks "Strong Is the New Beautiful", das in dieser Woche erschienen ist. Eineinhalb Jahre lang hat die bekannte Ski-Größe an den 388 Seiten gefeilt, zum Start in die kühle Jahreszeit sind sie nun auf den Markt gekommen, und bereits auf den ersten Blick wird klar: Hier geht es vor allem ums Verkaufen. Ums Sich-Verkaufen. Ums Bücher-Verkaufen. Dafür wird auch die eigene Haut zu Markte getragen. Und das durchaus im Wortsinn.

Vonn hat keine Autobiografie geschrieben. Was sie vorlegt ist zu einem Drittel ein klassischer Fitness-Ratgeber mit Übungen, zu einem Drittel eine Ernährungs- Anleitung und - da wird es interessant - zu einem Drittel eine Erklärung, wie es zu all dem kam.

"Zum Frühstück gab es gesüßte Cornflakes"

Vonn war noch keine drei, als sie zum ersten Mal auf Skiern stand. Als sie 13 war, zog ihre Familie mit ihr und ihren vier Geschwistern von Minneapolis nach Vail, damit die Älteste beste Bedingungen hatte, um ihre Ski-Karriere voranzutreiben. Der Druck, der diese Entscheidung für Vonn aufbaute, kommt vor in dem Buch. Aber er wird nicht ausgeführt; die meisten Konfliktfelder werden nur gestreift. Was Vonn ausführt: Wie lausig sie sich über weite Strecken ihrer Karriere ernährte. So lausig, dass es einen staunen lässt.

Zu Beginn ihrer Karriere im US-Ski-Team teilte sie sich in Park City ein Apartment mit drei Teamkollegen. Was im Kühlschrank war: "Donuts, Pasta, Pizza, Limo, Süßigkeiten und Kuchen", zählt Vonn auf und erzählt: "Zum Frühstück gab es gesüßte Cornflakes, zum Mittagessen Weißbrot-Sandwiches und abends wurden Eimer voller Eiscreme geleert." Gekocht wurde "nur Wasser - für Spaghetti, über die in der Mikrowelle erhitzte Fleisch-Fertig- Soße kam".

All das geschah angeblich weder aus Bequemlichkeit noch aus Unwissenheit. Es folgte vielmehr einem Trend, den damals nicht wenige Athleten einschlugen: Carbo-loading. Die vielen Kohlenhydrate sollten helfen, durch intensives Krafttraining mehr Muskeln aufzubauen. Der wahre Effekt war ein anderer. Vonn schildert, wie sie sich zunehmend schwächer und müder fühlte und beim Blick in den Spiegel immer mehr Rundungen entdeckte, die sie eigentlich loswerden wollte.

Eine Kampfansage an die Konkurrentinnen

Die Naivität des Vortrags überrascht - ebenso wie die Tatsache, dass ihr Irrlichtern in Ernährungsfragen offenbar weiterging, als sie die Nachteile des Carbo- loading entdeckte. Eine Zeitlang stürzte sie sich auf Protein-Shakes, dann wog sie alles, was sie zu sich nahm, penibel ab. Anschließend verschrieb sie sich mehr als zwei Jahre lang der Steinzeitdiät, bei der moderne Fertiglebensmittel gemieden werden.

Mitunter ist es unterhaltsam, wenn Vonn berichtet, welch kuriose Blüten das trieb: Dass einer ihrer Trainer ihr einst Schokolade komplett verbot, führte dazu, dass sie sich an der Tankstelle regelmäßig etliche Riegel besorgte und diese in der Toilette gleich heimlich verschlang.

Die spannenden Themen lässt Vonn aus

Die aussagekräftigste Stelle des Buches aber ist die, an der Vonn schildert, was sie nach den Olympischen Spielen 2010 erlebte. In Vancouver gewann sie in der Abfahrt Gold. Nach dem Triumph wurde sie in viele TV-Shows eingeladen und zu vielen Veranstaltungen, bei denen den Gästen rote Teppiche ausgerollt werden. Auf dem ungewohnten Untergrund fiel ihr auf, wie sehr sie mit ihrem Athletenkörper heraus stach. "Ich fühlte mich größer und muskulärer als die anderen Frauen dort", schreibt Vonn und weiter: "Zum ersten Mal in meiner Karriere fragte ich mich, ob ich dünner sein sollte, um als Athletin erfolgreich zu sein, ob es das ist, was nötig ist, um als Frau sozial und kulturell relevant zu bleiben."

Die gesellschaftlichen Erwartungen, denen Frauen begegnen, gerade in den USA; die besonderen Spannungsfelder, die sich dabei für Sportlerinnen auftun, die ihren Körper über Jahre extrem trimmen - das sind spannende Themen, über die sich sehr grundsätzlich nachdenken lässt. Das aber tut Vonn nicht. Sie belässt es bei der Schilderung des Schlüsselerlebnisses und dabei, ihre Reaktion darauf allen als Empfehlung an die Hand zu geben: gesundes Essen, bewusstes Training.

Vonns Resümee im Alter von nun 31 Jahren klingt wie eine Kampfansage an die Konkurrentinnen, denen sie bald wieder auf der Skipiste begegnen wird: Siege, Niederlagen, Verletzungen, Beziehungsprobleme - all das habe sie bewältigt. "Und am Ende verdanke ich das alles meinem Körper. Meinem starken Körper", schreibt sie. Ach ja, Schminktipps fürs Skifahren gibt es dann auch noch.

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