Ski Alpin:In der Welt der Alleskönner

Die früheren Slalomspezialisten Rainer Schönfelder und Ivica Kostelic profilieren sich als Speedfahrer.

Wolfgang Gärner

Es scheint zum Werdegang vieler Slalomfahrer zu gehören, dass sie, wenn sie einen gewissen Reifegrad erreicht haben, beschließen, sich nun auch den anderen Spielarten ihres Sports zu widmen: Rauf auf die Abfahrten, rein in die alpine Kombination. Nicht jeden packt die Versuchung: Der Italiener Alberto Tomba, zweitgrößter Slalomist aller Zeiten, redete sich stets augenzwinkernd raus mit der Entschuldigung, seine Mamma habe ihm die Abfahrt verboten, und Ingemar Stenmark, alter Schwede und allergrößter Torläufer überhaupt, versuchte sich nur dreimal als Kombinierer (einmal, 1981 in Oberstaufen, wurde er immerhin Dritter). Bei anderen ist es ein unwiderstehlicher Drang, sich auf allen Feldern zu beweisen, und der Österreicher Rainer Schönfelder, ursprünglich begnadeter Slalomist, hat anlässlich von Platz drei in der Kombination (und des vierten in der Abfahrt) von Chamonix eben wieder den standardmäßigen Beweggrund formuliert: "Das ist ein nächster Schritt auf meinem Weg: ein kompletter Skifahrer zu werden".

Rainer Schönfelder

Rainer Schönfelder ist inzwischen weit mehr als nur ein begnadeter Slalomist.

(Foto: Foto: Reuters)

Ein ganz profaner Anreiz ist die Aufstockung der Kombinationswettbewerbe im Weltcup auf fünf, was den Vielseitigen noch mehr Gelegenheit zum Punktesammeln bietet. Schon in der vergangenen Saison (vier Kombinationen) machte Aksel Lund Svindal davon reichen Gebrauch: Er löste Benjamin Raich als Gewinner der Gesamtwertung um 13 Punkte ab, und allein im Kombinationsweltcup holte er 66 Punkte mehr als der Österreicher. Rainer Schönfelder hat die Botschaft wohl verstanden: Die Wandlung "vom reinen Slalomfahrer zum richtigen Allrounder" ermöglicht auch den Aufstieg zum "Top-Aspiranten für den Gewinn des Gesamtweltcups. Meine allerbeste Zeit als Skifahrer fängt jetzt erst an", sagt der 30-Jährige, der vor zwei Jahren bei Olympia in Sestriere schon registrierte, dass der Lohn für Vielseitigkeit in vielerlei Münze ausbezahlt wird - an ihn damals in Bronze für den Platz hinter Ivica Kostelic, Slalomweltmeister von 2003, der den gleichen Weg einschlug.

Die perfekte Mutation des Bode Miller

Und wer hat damit angefangen, auszubrechen aus dem Stangenwald in die viel größere, rasantere Welt der Allrounder? Natürlich Bode Miller, der Anfang des Jahrtausends ungestüm die Torlaufszene aufmischte und anschließend befand, es sei an der Zeit für die Wandlung zum kompletten Skifahrer. Der eigenwillige Amerikaner bekam die Mutation derart perfekt hin, dass er als fünfter und bislang letzter Fahrer Weltcuprennen aller Sparten gewann. In Chamonix war er eine Woche nach Kitzbühel schon wieder Kombinationssieger, womit er es erstmals in diesem Winter auf Rang eins im Gesamtweltcup schaffte. 62 Punkte trennen ihn von Benjamin Raich auf Platz zwei, und Miller sagte zwar nichts Konkretes über seine Chancen, zum zweiten Mal nach 2005 den Gesamtweltcup zu holen, deutete aber an: "Damals hatte ich sechs der ersten elf Saisonrennen gewonnen, diesmal..." Diesmal hatte er einen miserablen Start, fand in den ersten zehn Wettbewerben nie aufs Podest - und ist nun doch vorn und drauf und dran, den verletzten Svindal zu beerben. Zumal er auch in seiner einstigen Paradedisziplin noch diesen Winter zurückzukommen gedenkt: "Ich habe viel Energie in den Slalom investiert, ich werde sicher auch wieder einen gewinnen."

Mindestens so viel Energie hat Rainer Schönfelder in die Abfahrt gesteckt. "Sich als Skifahrer ein zweites Mal neu zu erfinden, sich umzuwandeln, da gehört viel dazu", sagt der Kärntner. Vor allem gehört viel Überwindung dazu für jene, die sich in ihrem ersten Skifahrerleben in vergleichsweise moderatem Tempo durch Slalomtore schlängelten. Schönfelder merkte es im Training von Beaver Creek: "Die Angst war weg. Kein flaues Gefühl mehr, keine Anspannung vor dem Start, nur Ruhe und Freude aufs Runterfahren. Da wusste ich: Es ist alles schon in mir, um Abfahrten gut zu fahren, ich muss nur drauf vertrauen."

Auch der beste deutsche Skifahrer hat zuweilen das Gefühl, so weit zu sein, um sich auf die Sparte Speed vorwagen zu können. Gegen diesen Schritt von Felix Neureuther hat sein Vater einiges einzuwenden: "Wo ist er Weltklasse? Im Slalom", und diesen Status solle der Filius nicht durch verfrühte Abenteuer ins Reich der Schussfahrer gefährden, sondern sich in seiner Spezialität erstmal stabilisieren, erst einmal siegen. Der Vater, der Gewinner von sechs Weltcupslaloms war, sagt, er mische sich nicht ein, andererseits ist nicht sicher, ob der Sohn sich dreinreden ließe. Immerhin war der Senior 1970 deutscher Kombinationsmeister (muss dafür also eine Abfahrt bestritten haben), aber die echten Vielseitigkeits-Cracks waren andere: Seine Frau Rosi, Olympiasiegerin in Abfahrt&Slalom, und sein Südtiroler Spezi Gustav Thöni. Der hochdekorierte Torläufer trat 1975, als es im Weltcup eng wurde, in Kitzbühel zur Abfahrt an und verblüffte die Fachwelt mit Rang zwei, 1/100 hinter Franz Klammer.

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