Ski-Alpin:Im goldenen Alter

Alpin-Profi Hilde Gerg, 29, vertraut auf ihre Routine - die Folge ist ein gelungener Saisonstart.

Von Wolfgang Gärner

München - So viel Zeit muss sein: Die Skirennfahrerin Hilde Gerg reiste zum Abfahrtstraining nach Obertauern zwölf Stunden später an als der Rest des deutschen Teams, aus familiären Gründen.

Hilde Gerg, AP

"Je öfter man das, was man will, schon umsetzen konnte, desto leichter fällt es einem: dann ist man lockerer." - Hilde Gerg

(Foto: Foto: AP)

Sie war schon zwei Tage zurück aus Amerika, als ihr Mann, Skitrainer Wolfgang Grassl, mit dem Europacupteam aus Norwegen eintraf: "Dass ich schon wieder wegfahre zwei Stunden, bevor er nach Hause kommt", das wäre übertrieben gewesen, nachdem sie vier Wochen getrennt waren.

"Nach so langer Zeit gibt es allerhand zu bereden." Vor allem über das vergangene Wochenende, als sie in Lake Louise sich schon wieder an die Spitze des Abfahrt-Weltcups setzte.

Einfach so weitermachen

Mehr noch über die Zukunft: Wie geht es weiter? Mit dem Super-G am Samstag in Zauchensee, Salzburger Land. Nach dem, was zuletzt geschah, muss sie nicht sonderlich grübeln, was zu tun ist: Einfach so weitermachen wie in Kanada, als sie in den Abfahrten gewann und Dritte wurde.

Von selbst geht nichts, andererseits: "Auch in Altenmarkt muss man erst wieder schnell hinunterfahren." Positive Erkenntnisse aus jüngerer Zeit sind dabei von Vorteil: "Immerhin weiß ich jetzt schon, dass ich wieder Rennen gewinnen kann. Das ist besser, als am Anfang schon hinterher zu hängen."

Selbstvertrauen aus Erfahrung

Die Überraschung über diese Erfolge hielt sich in Grenzen, die Trainer waren nach ihren Vorstellungen bei den Zeitläufen in Sommer und Herbst überzeugt, dass Hilde Gerg wieder auf der Höhe sein würde, sie selbst hat Selbstvertrauen aus Erfahrung:

"Man weiß nicht genau, ob man gleich gewinnen wird, aber im Großen und Ganzen war ich mir sicher, dass alles zusammenpasst. Dass meine Skitechnik stimmt, das wussten die Trainer, deshalb machte ich mir keine großen Gedanken, dass ich ewig weit weg sein könnte. Denn in Abfahrt und Super-G ist es so: Wenn man mal einen gewissen Level erreicht hat, dann kann man auch immer vorne mitmischen. Und weil ich noch dazu gerne Rennen fahre, im Ernstfall eher besser fahre als im Training, machte ich mir keine großen Sorgen."

Wer 29 ist und schon seit über einem Jahrzehnt im Weltcup, kommt auch nicht aus der Ruhe, wenn er vom Wettkampf-Kalender zum Warten gezwungen wird und erst extra spät einsteigen kann, erst fünf Wochen nach dem vorgezogenen Saisonstart von Sölden.

"Dass mich das trifft, nachdem ich keine Torläufe mehr bestreite, war mir klar, darauf konnte ich mich einstellen", und während die Kolleginnen ihr Slalom-Wochenende in Aspen absolvierten, hat sie immer weiter geübt, unermüdlich: "Das war eher angenehm - man hatte noch zwei gemütliche Wochen zur Vorbereitung, in denen man auf Kunstschnee und bei guten Bedingungen trainieren konnte, nachdem es auf den Alpengletschern im Herbst nicht so toll gewesen war."

Es hat sich ausgezahlt, offenbar, der Ertrag sich umgehend eingestellt, "es ist gut, wenn man bestätigt bekommt: Man hat gut trainiert den Sommer über, und das Material passt."

Dabei ist Erfahrung Gold wert, nicht anders als beim Setup in der Formel 1: "Bei der Abstimmung tun wir Älteren uns leichter, weil man was zum Ski sagen kann. Man lernt mit der Zeit, was man braucht, und wie man das ausdrückt."

Früher fuhren sie fast alle das gleiche Material, und Völkl war Hoflieferant der deutschen Frauen. Hilde Gerg ist als Einzige dabeigeblieben (und Regina Häusl dazugekommen).

Diese Situation schätzt sie als günstiger für sich selbst ein, denn: "Jetzt werden die Ski in erster Linie für mich gemacht, und es ist einfacher, das Material für eine zu richten, als es Fünfen recht zu machen."

"Dann fuhr ich halt alleine vorne rein"

Im Prinzip geht es darum, sich auf sich selbst zu konzentrieren, "und darauf, dass ich meine Ziele gut umsetzen kann." Wenn eine Teamkollegin das Ergebnis abrundet wie zuletzt Petra Haltmayr - erfreulich, "vor allem für die Trainer und das Klima in der Mannschaft. Aber für mich speziell bringt es nichts, ob andere gut oder schlecht fahren. Es war in den letzten Jahren ja schon öfter so, das ich allein war, dass andere verletzt waren und Maria Riesch noch nicht so gut. Dann fuhr ich halt alleine vorne rein - wenn ich Ski fahre, mache ich mir über die anderen keine Gedanken."

Sie wisse genau, was sie tun muss, sagt Cheftrainer Wolfgang Maier, es gebe eine gewisse Grundsicherheit, von der sie zehren könne, sagt sie selbst: "Je öfter man das, was man will, schon umsetzen konnte, desto leichter fällt es einem: dann ist man lockerer."

Gut umsetzen bedeutet in ihrem Fall: "Ich bin immer wieder mal vorn gewesen im Abfahrts-Weltcup", der ist auch wieder ein Ziel für sie, neben den Weltmeisterschafts-Rennen von Bormio im Februar.

Das dauert noch bis dahin, der Weltcup kommt jetzt erst richtig in Schwung, die Abfahrerinnen treten mal gerade an der zweiten Station an, unter ganz anderen Vorzeichen als zuletzt in Kanada.

Dort waren die Athletinnen und ihr Tross wie üblich vorwiegend unter sich, Altenmarkt dagegen ist bereits ein Höhepunkt der Frauen-Tournee. "Immer gut besucht, prima Stimmung - das mag ich gerne", sagt Hilde Gerg.

"Ich finde es schön, wenn man seine Ruhe hat wie in Kanada, aber es ist nicht so, dass mich der Trubel stört."

Da stört schon eher, dass sie in Altenmarkt noch nie gewonnen hat. Und wo war sie nicht schon überall Erste: In Spanien, Frankreich, Italien, Kanada, Schweden, Slowenien.

In Österreich hat sie nur 2002 in Saalbach gesiegt, allerdings doppelt: In zwei Abfahrten an zwei Tagen hintereinander. In Altenmarkt stieg sie damals, ein paar Wochen später beim Weltcup-Finale als Dritte im Super-G auf das Podest.

Von da aus sind es nur noch zwei Stufen bis zur Vollendung. Wie sagt Hilde Gerg? "Wenn man ein gewisses Niveau erreicht hat, geht vieles wie von selbst."

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