Ski alpin: Frauen:Jeden Tag etwas besser

Ski alpin: Weltmeisterschaft

Verträumt nach dem Kantersieg: Mikaela Shiffrin.

(Foto: Helmut Fohringer/dpa)

Mikaela Shiffrin beweist mit ihrem dritten WM-Gold im Slalom, warum sie vermutlich die beste Skifahrerin der Gegenwart ist.

Von Johannes Knuth, St. Moritz

Worauf sie stolz sei, wurde die Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin noch gefragt, es war eine eher naheliegende Frage. Die Amerikanerin hatte ja gerade Slalom-Gold in St. Moritz auf ihre Seite gezerrt. Aber Shiffrin gibt auf naheliegende Fragen gerne mal unerwartete Antworten.

Sie sei stolz, dass sie zuletzt "einen Schritt zurück" gemacht habe, sagte Shiffrin, im Dezember, als sie auf die Abfahrt in Val d'Isère verzichtete. Sie war müde. Auch die WM begann mit einem Verzicht, Shiffrin schrieb sich weder für die Kombination noch für den Team-Event ein, in dem sie medaillenbefähigt war. Sie beschloss: "Ich mache das, was ich gerade am besten kann", Riesenslalom, Slalom. Und dann? Saß sie am Samstag im Pressesaal, als Inhaberin von WM-Silber im Riesenslalom und Gold im Slalom. Sie hatte nichts Besonderes getan für den besonderen Moment, dafür das, was sie konnte. Und das kann Shiffrin nun mal besser als alle anderen.

Mikaela Shiffrin aus Avon, Colorado, gehören längst Vergangenheit und Gegenwart im Slalom, und wenn es so weitergeht, wird die Amerikanerin auch in Zukunft über ihren Sport herrschen, nicht nur im Slalom. Sie hat drei WM-Titel in ihrer Kerndisziplin gewonnen, nacheinander, das war zuletzt einer gewissen Christl Crantz aus Deutschland gelungen: 1937, 1938, 1939. Shiffrin ist Slalom-Olympiasiegerin, hat 28 Weltcupsiege gesammelt. Sie kriegt so langsam auch die anderen Übungen in den Griff, den Riesenslalom, im Super-G wurde sie im Weltcup zuletzt Vierte. Ein riskantes Projekt: in die kraftfordernden Schnelldisziplinen zu expandieren, ohne die Agilität im Slalom zu verlieren. Aber Shiffrin scheint gegen grobe Fehler und Verletzungen immun zu sein, bis jetzt.

Das war ja stets ihr Leitthema: Jeden Tag ein bisschen besser werden. So sehr, dass die Gegner langsam verzweifeln.

Je länger sie in ihrem Sport dabei sei, hatte Shiffrin zuletzt in einem Interview gesagt, glaube sie, dass es Talent gar nicht gebe. Sondern nur Arbeit, jeden Tag ein bisschen besser werden. Und es stimmt ja: Wenn ihre Teamkollegen früher Nachwuchsrennen fuhren, trainierte sie, weil sie so länger im Schnee war. Wenn man sie im Sommer fragt, wann sie das letzte Mal auf Skiern stand, wie im vergangenen Juni, dann sagt sie: "Gestern". In Colorado könne man ja bis in den Juli hinein fahren. Sie hat sich auf diese Weise einen der reinsten Schwünge im Weltcup angeeignet, die Ski immer sauber auf der Kante, vor, während, nach dem Tor, vom ersten bis zum letzten.

Am Samstag gewann sie mit 1,64 Sekunden vor Wendy Holdener, Schweiz.

Und dann ist da ihre Mutter, "der größte Vorteil, den ich habe", sagt Shiffrin.

Eileen Shiffrin war früher Skirennfahrerin, "eine fantastische", sagt die Tochter. Sie ist seit der ersten Minute im Weltcup an Mikaelas Seite, weil sie nicht wollte, dass die Tochter alleine durch den Skizirkus zog, mit 15. Also zog Eileen Shiffrin mit, lernte mit der Tochter, kochte, stritt sich schon mal mit den Trainern des Verbands, zog sich zurück, wenn sie musste. "Sie ist mit mir über die Jahre gewachsen", hat Shiffrin in St. Moritz erzählt, "ist mir aber immer einen Schritt voraus." Sie wisse, wann sie sie kitzeln müsse und wann nicht, stelle auch die unbequemen Fragen, als Trainerin, nicht als Mutter. "Sie kennt mich so gut, dass es mich fast verrückt macht", findet Shiffrin, aber jeder Branchenführer brauche nun mal eine Vertrauensperson. Es sei, sagte Shiffrin, "als hätte ich immer ein Stück zu Hause bei mir".

Shiffrins Biografie weist kaum Brüche auf. Sie lebt in einer ständigen Leistungsoptimierung, man kann das langweilig finden, oder professionell. Sie kehrt ihr Privatleben nicht nach außen wie Lindsey Vonn, die in Amerika bekannt ist. Sie sei ein privater Mensch, hat Shiffrin einmal erzählt, sie mag die Anonymität in der Heimat. "Ich fühl mich nicht wirklich als Star", sagt sie, "vielleicht, weil ich gar nicht so recht weiß, was das ist."

Kein Star? Shiffrin wird in diesem Jahr wohl zum ersten Mal der Gesamtweltcup zufallen, sie hätte sich lieber mit der Schweizerin Lara Gut bis zum Ende darum gezankt, aber Gut riss in St. Moritz das Kreuzband. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass die beiden sich messen. Sie wolle irgendwann einmal in allen Wettbewerben Rennen gewinnen können, bekräftigte Shiffrin in St. Moritz, "ich will nicht die schnellste Skifahrerin sein, sondern die beste, die stärkste Person. Ich habe das Gefühl, dass ich gerade erst angefangen habe."

Mikaela Shiffrin ist übrigens noch immer erst 21 Jahre alt.

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