Ski alpin:Dunkle Wolken in Vermont

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Women's Slalom

Wieder in der Erfolgsspur: Mikaela Shiffrin.

(Foto: Alexis Boichard/Getty Images)

Slalom-Siegerin Mikaela Shiffrin zweifelt, Viktoria Rebensburg ist zuversichtlich, und Felix Neureuther denkt an die Olympischen Winterspiele - sofern sein gerissenes Kreuzband eine wundersame Heilung erleben sollte.

Von Johannes Knuth

Seit zwei Jahren hält der alpine Skizirkus wieder an der Ostküste der USA, in Killington, und so sehr die amerikanischen Fahrer die Weltcups in ihrer Heimat mögen - es gibt auch einen Heimnachteil. Mehr als 30 000 Zuschauer kamen am Wochenende nach Killington, sie beluden ihre Fahrer mit viel Zuneigung, aber auch mit Erwartungen. Vor allem Mikaela Shiffrin. Die 22 Jahre alte Amerikanerin ist seit fast sieben Jahren im Weltcup unterwegs, sie hat fast alles gewonnen, knüpfte im Vorjahr aber derart viele Siege aneinander, dass die fremden Ansprüche irgendwann Shiffrins eigene überholten. Als sie an diesem Wochenende zum zweiten Mal in Vermont antrat, erzählte Shiffrin erstaunlich offen von Selbstzweifeln, die sie mittlerweile befallen: "Manchmal wache ich auf und stecke in einer dunklen Wolke. Ich kann niemanden sehen und hören, denke, dass ich mein Skigefühl verloren habe." Sie suche seitdem Rat bei einem Sportpsychologen. Was ihr ebenfalls helfe: "Schnell Skifahren." So gesehen war das Wochenende in Killington eine gelungene Therapie. Shiffrin gewann am Sonntag ihren ersten Weltcup des Winters, im Slalom, wo Petra Vlhova ihr zuletzt zugesetzt hatte. Das werden ihre größten Herausforderer in diesem Winter, sagte Shiffrin: Die Slowakin, und ihr eigener Kopf.

Wieder geradeaus

Viktoria Rebensburg und Killington, das war vor einem Jahr noch eine unvollendete Beziehung. Die 28-Jährige vom SC Kreuth hatte damals einen Bruch des Schienbeinkopfes auskuriert, sie reiste mit wenigen Trainingseindrücken nach Vermont, beendete das Rennen im grauen Mittelfeld. "Es wäre schöner, wenn es in den vergangenen Wintern öfters geradeaus gegangen wäre", sagt Rebensburg heute, "aber ich habe dabei auch viel mitnehmen können. Und worauf ich in der Zeit wirklich stolz war: Ich bin positiv geblieben, habe immer weitergemacht." Im Sommer intensivierte sie das Training, hospitierte verstärkt bei der Konkurrenz. Belohnt wurde sie mit zwei Siegen in den ersten zwei Riesenslaloms der Saison, der jüngste Erfolg in Killington war ihr 15. im Weltcup. Rebensburg macht noch keine Besitzansprüche geltend, auf den Gesamtweltcup etwa, den sie vor drei Jahren lose ins Auge fasste. Aber die Ausgangslage könnte schlechter sein, wenn am Wochenende die erste Abfahrt in Lake Louise ansteht. "Wenn der Riesenslalom passt", sagt Rebensburg, "kann ich das auch in die Speed-Disziplinen mitnehmen." Wie gefestigt sie in ihrer Basisdisziplin ist, sah man im zweiten Lauf in Killington: Sie stolperte von der Ideallinie, fuhr mutig weiter, sauber, vor allem: schnell.

Lake Norway

Die Abfahrtsstrecke in Lake Louise haben sie irgendwann einmal in Lake Lindsey umgetauft, scherzhaft, weil Lindsey Vonn dort ständig gewinnt - und mittlerweile so dominant ist, dass sie im nächsten Jahr dort die Männer herausfordern will. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Männer führten in Lake Louise bereits am vergangenen Wochenende eine Abfahrt und einen Super-G auf, und auch bei den Männern setzte sich Bewährtes fort: Norwegens Edelfahrern ist in Kanada kaum beizukommen. Die Abfahrt ging noch an Weltmeister Beat Feuz aus der Schweiz, Aksel Svindal wurde nach einjähriger Verletzungspause Dritter. Der Super-G wanderte aber schon wieder in den Besitz von Kjetil Jansrud. Es war der neunte Sieg für die Norweger in den vergangenen elf Rennen. Vielleicht heißt die Abfahrt bald ja auch Lake Norway. Die deutschen Athleten starteten solide, Josef Ferstl wurde im Super-G Zehnter, Thomas Dreßen löste mit zwei 14. Plätzen die Zulassung für die Winterspiele.

Neureuthers Träumerei

Felix Neureuther kam auf Krücken, graue Hose, graues T-Shirt, dazu hatte er eine Botschaft von seinem Rückflug mitgebracht: "So lange noch ein kleines Fünkchen Hoffnung besteht, dass sogar tatsächlich Olympia möglich sein sollte", sagte er am Montag am Münchner Flughafen, so lange werde er einen Start bei den Spielen 2018 anpeilen. Olympia trotz Kreuzbandriss? Neureuther hatte sich am Wochenende in Colorado verletzt, die Saison war zerbröselt, so lautete der erste Schadensbericht. Aber bis zum Slalom am 22. Februar 2018 sind noch drei Monate Zeit. "Ich bin jetzt 33", sagte Neureuther, "so viele Chancen habe ich nicht mehr." Das sei aber erst mal nur "eine Träumerei in meinem Kopf", er sei bis zu seinem Sturz nun mal der beste Neureuther gewesen, den es bislang gab, "absolut". Eine Voraussetzung wäre nun, dass er sein Knie konservativ heilen lässt, ohne Operation. Ob das sinnvoll ist, werde er bald klären. Sicher ist: Wenn einer in den vergangenen Wintern aus dem Stand in die Spitze schoss, dann Neureuther.

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