Ski Alpin:Die Stimme von Kitz

Michael Horn moderiert seit 45 Jahren die Skirennen in Kitzbühel - morgen zum letzten Mal. Ein Gespräch über den Abschied von der legendären Streif.

Thomas Becker

Michael Horn, 67, ehemaliger Nationalratsabgeordneter der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP), ist die wohl bekannteste Stimme des Ski-Weltcup-Zirkus. Seit 45 Jahren moderiert er die Kitzbüheler Weltcup-Rennen. Doch am Samstag ist nach geschätzten 6000 Läufern Schluss. Das 68. Hahnenkamm-Rennen wird sein 52. und letztes sein.

sueddeutsche.de: Herr Horn, man nennt Sie "The Voice", die Stimme von Kitz. Ihr erstes Rennen moderierten Sie anno 1963. Erinnern Sie sich noch an den Sieger?

Michael Horn: Da kann ich mich sehr wohl erinnern. Ein strahlend schöner Samstag, der Sieger hieß Egon Zimmermann aus Lech am Arlberg, der im Jahr darauf Olympiasieger wurde. Mein zweiter Sieger war übrigens Ludwig Leitner, ein Deutscher - einer der wenigen deutschen Sieger in Kitzbühel.

sueddeutsche.de: Wie kam es, dass Sie mit gerade mal 22 Jahren in der Sprecherkabine landeten?

Horn: Per Zufall. Über Nacht war der bekannte Schweizer Fernsehkommentator Karl Erb krank geworden, ich sprang ein - und der Karl Erb kam nie mehr zurück. Auch der Pressechef der Olympischen Spiele von Innsbruck war im Zielraum und hat mich gleich als Sprecher für die Spiele verpflichtet. Seitdem sitz ich in dem Kabäuschen, bin in der ganzen Welt herumgekommen, war zehn Jahre Sprecher in Amerika, Australien, in Lech und und und. Das alles aus Hobby, ehrenamtlich, ich bin ja kein Profi-Sprecher, ich mach das aus Begeisterung.

sueddeutsche.de: Ihr Beruf im "richtigen Leben"?

Horn: Ich war Kurdirektor in Kitzbühel, viele Jahre Pressechef des Rennens, habe bald mein 50-jähriges Jubiläum als Funktionär beim Kitzbüheler Skiklub und vermiete ein paar Appartements im Ort.

sueddeutsche.de: Wie hat sich das Ereignis Streif in all den Jahren verändert - und wie haben Sie als Moderator darauf reagiert?

Horn: Ich habe mich stets als Mittler gefühlt zwischen Zuschauern und Athleten. Bis zum letzten Läufer hab ich mich immer informiert. Da gab es ja mal die kanadische Welle, dann waren eine Weile die Schweizer sehr stark. Generell hat sich natürlich sehr viel verändert. Am Anfang sind die Rennläufer noch zum Fünf-Uhr-Tee gegangen, jetzt sind sie abgeschottet, mieten sich Turnhallen, um auch dort noch ihre Übungen machen zu können. Es ist alles professionalisiert, kommerzialisiert und halt nicht mehr so lustig.

sueddeutsche.de: Haben Sie ein Lieblingsrennen oder einen Lieblingsfahrer?

Horn: Für mich war natürlich Franz Klammer eine tolle Figur. 1976 gab es bei Olympia diesen tollen Zweikampf mit dem Schweizer Bernhard Russi, und auch hier in Kitzbühel hat Klammer ja mehrmals gewonnen. Das waren schon tolle Auftritte. Dann ist da noch Karl Schranz, der die Leute begeisterte. Und jetzt zum Schluss und zugleich die wohl schönste und genialste Abfahrt, das war der Sieg von Stefan Eberharter 1994. Über eine Sekunde Vorsprung, eine perfekte Fahrt, ein perfekter Tag.

sueddeutsche.de: Ihr besonderes Merkmal ist die Mehrsprachigkeit: Sie begrüßen Gäste und Fahrer in sechs Sprachen.

Horn: Ich hab maturiert in Englisch und Französisch, kann ein wunderschönes Küchen-Italienisch, Russisch muss man jetzt ja auch lernen, ein bisschen Schwedisch und so geht's dahin. Das gefällt den Leuten. Allerdings muss ich sagen, dass der Skisport immer mehr zur Show ausartet. Da geht's nicht mehr nur um die Athleten und ihre Leistung, die Zuschauer wollen auch die Welle, "Die Hände zum Himmel", solche Sachen. Das Rundherum ist heute noch mehr gefragt als das Rennen selbst.

sueddeutsche.de: Was war Ihre größte Herausforderung als Sprecher?

Horn: 1969 ist mal die Zeitmessung ausgefallen. Der Karl Schranz kam ins Ziel und ich hab geschrieen: "Neue Bestzeit!" - und dann ist die Uhr einfach weitergelaufen. Eigentlich wäre ein Schweizer Sieger gewesen, doch später hat man anhand der Fernsehaufzeichnung festgestellt, dass Schranz doch schneller war. Da hatte ich schon harte Stunden. Ein anderes Mal, 1987, hab ich 30.000 Zuschauer fast drei Stunden lang unterhalten müssen, weil der Start wegen Nebels ständig verschoben wurde - bevor er nachmittags um drei ganz abgesagt wurde. Da hab ich dann erzählt, es sehe gut aus, wir hätten mit der Wetterstation telefoniert - was gar nicht stimmte. Ich hab halt Geschichteln erzählt, gesagt: "Jetzt gebt's euch wieder mal ein Küsschen", und dann haben wir nochmal eine Polonäse gemacht. Das war echte Knochenarbeit.

sueddeutsche.de: Am Samstag bei der Abfahrt sitzen Sie zum letzten Mal in der Sprecherkabine, schon am Sonntag beim Slalom übernehmen zwei junge Moderatoren. Wo werden Sie sich das Rennen anschauen? Sie haben es ja noch nie aus einer anderen Perspektive gesehen.

Horn: Das stimmt. Ich werde mal hinauffahren zum Start, das hab ich noch nie erlebt. Und natürlich auch unten von der Ehrentribüne aus. Ich bin ja Ehrenmitglied des Kitzbüheler Skiklubs geworden, eins von insgesamt nur dreien. (Er zeigt einen goldenen Ring mit eingravierter Gams an seiner linken Hand). Tja, und dann werden wir ein Glasl trinken gehen, ganz auf der Easy-going-Seite.

sueddeutsche.de: Haben Sie sich ein Schlusswort überlegt?

Horn: Nein. Ich hab mir die Abschiedsvorstellungen einiger amerikanischer Sprecher angeschaut. Die sagen zum Schluss auch nur: Good evening, and that's it, aus. Was soll man da theatralisch machen? Das Leben geht ja weiter.

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