Ski alpin:Der erste Podestplatz seit 13 Jahren

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Steigende Tendenz: Thomas Dreßen, 24, freut sich über seinen dritten Platz in Beaver Creek.

(Foto: imago/Sammy Minkoff)
  • Thomas Dreßen wird in der Abfahrt von Beaver Creek Dritter.
  • Er selbst hat mit dem Erfolg nicht gerechnet.
  • Das deutsche Ski-Team hofft auf einen mentalen Schub nach dem Kreuzbandriss von Felix Neureuther.

Von Johannes Knuth

Das Wichtigste, sagt der Skirennfahrer Thomas Dreßen, sei die Geduld, er habe das erst in diesem Sommer wieder erlebt. Er investierte viel Zeit, die Fortschritte stellten sich schleppend ein, aber mittlerweile klappe es ganz gut mit der Erziehung des Jack-Russell-Terriers, den Dreßen und seine Freundin sich im Sommer angeschafft haben. "So eine Abfahrt ist definitiv hart", sagt Dreßen, er lacht, "aber es dauert sicherlich länger, einen Hund zu erziehen." Und jetzt?

Der alpine Winter nimmt in Nordamerika gerade Fahrt auf, und mit Dreßens Gewerbe, der Abfahrt und dem Super-G, verhält es sich schon ein wenig wie mit der tierischen Erziehung: Sie ist aufreibend, aber wer beharrlich schuftet, wird meist belohnt. Dreßen wurde vor einer Woche zweimal 14. in Lake Louise, Zehnter im Super-G in Beaver Creek. Und der Bringer war natürlich die Abfahrt am Samstag, Platz drei hinter den Branchenführern Aksel Lund Svindal aus Norwegen und Beat Feuz aus der Schweiz. Beaver Creek ist nicht irgendeine Abfahrt: Als Hermann Maier die Piste bei der WM 1999 erstmals inspizierte, raubte der Steilhang sogar dem unerschrockenen Österreicher den Atem: "Nichts hat man mehr gesehen, so steil war das", erzählte er einst im Interview. Maier liebte Beaver Creek, nirgends war er so erfolgreich.

Die Raubvogelpiste in Colorado hat es diesmal auch mit dem Deutschen Skiverband (DSV) gut gemeint, das Wochenende war schon vor dem dritten Platz durch Stefan Luitz im Riesenslalom bemerkenswert gut. Dreßen sicherte dem DSV den ersten Podestplatz im Schnellfahrbetrieb seit 2010 (Stephan Keppler, Super-G). Das bis dato letzte Mal, dass einem deutschen Abfahrer Zugang zum Podium gewährt wurde, liegt gar 13 Jahre zurück (Max Rauffer). Es war der erste Podestbesuch, seit Mathias Berthold die Ober-Aufsicht bei den DSV-Männern innehat - was beachtlich ist, weil Berthold und der fürs Speed-Team zuständige Trainer Christian Schwaiger bei ihrem Amtsantritt 2014 just dieses Ziel für die gescholtenen Schnellfahrer ausriefen.

Viele lächelten, aber jetzt lächeln sie nicht mehr, sondern beobachten, was die Deutschen so treiben. Sie haben dort nicht nur Dreßen für die Elite geschult, sondern auch Andreas Sander, Siebter am Samstag, und Josef Ferstl. Alle haben sich schon für die Winterspiele im Februar eingeschrieben. In Sotschi 2014 schaffte es keiner. Dass Dreßen, 24, nun der Erste der neuen Generation ist, der aufs Podium vorstößt, überrascht; kaum ein Rohstoff ist in der Abfahrt so wichtig wie die Erfahrung. Er habe damit zu diesem Zeitpunkt auch "nicht gerechnet", sagt Dreßen am Tag danach ins Telefon.

Andererseits: Zufällig ist ihm das auch nicht zugefallen. Dreßen stammt aus Mittenwald, er hospitierte im Ski-Internat Neustift in Österreich (wo er sich einen ordentlichen Tiroler Dialekt aneignete), fuhr dann eine Weile für den TSV Gilching, der seinen Vater als Trainer engagierte. Als der Vater 2005 bei einem Seilbahnunglück in Sölden starb, war das ein Schock, aber Dreßen machte weiter, es war ja ihr gemeinsamer Traum: dass er irgendwann im Weltcup fährt. Dreßen gewann bei der Junioren-WM Silber in Abfahrt und im Riesenslalom, entschied sich für die schnellen Übungen, debütierte im Februar 2015 im Weltcup. Er arbeitete geduldig seinen Lehrplan ab, leuchtete erst die schweren Pisten aus, bevor er was riskierte, überholte sich nie selbst. Er stieß in den Kreis der besten 25 vor, arbeitete im Sommer noch mal an der Fahrtechnik, am Slalom; er will in Pyeongchang auch in der Kombination starten. Er riskiert mittlerweile mehr, Dreßen trägt schon diese Lust in sich, wild zu sein, das haben sie im DSV bei den Schnellfahrern früher oft vermisst. Aber er kennt auch seine Grenzen.

Dreßens größte Kompetenz, sagt Berthold, sei freilich, dass er "so konsequent dahinter" sei, bei allem, was er tut. "Wenn's was machst, machst es gescheit", sagt Dreßen, das hätten ihm die Eltern vermittelt. "Ich will nicht zurückblicken und sagen: Hätt' ich das oder jenes besser gemacht."

Wie Dreßen am Samstag den Steilhang fuhr, das war schon mal ein Zeugnis seines neuen Mutes. Der Hang kippt nach links, ins Nichts, die Fahrer müssen aber nach rechts steuern, dann in eine scharfe Links-Rechts-Links-Kombination, es ist eine einzige Gemeinheit. Dreßen? Fuhr ruckelfrei, unaufgeregt, wie ein Kapitän, der regungslos auf der Kommandobrücke wacht, während ihm ein Orkan um die Ohren fegt.

Das Podium im Abfahrtssport ist ein exklusiver Zirkel, ein dritter Platz kann da eine ganze Auswahl vitalisieren. Berthold erinnert an die DSV-Frauen, die er einst betreute, "die sind immer besser geworden, aber erst als die Podiums kamen, haben sich plötzlich ganz neue Bereiche geöffnet. Da spielt sich vieles im mentalen Bereich ab". Ähnlich lief es bei den Abfahrern; Schwaiger und er gaben erst Nachhilfe im Kurvenfahren, dann schulten sie jeden individuell, mit Gespür für jeden Charakter. Und wer Dreßen im Training schlägt, das wissen die Kollegen jetzt, darf auch im Rennen auf einen der Hauptpreise hoffen.

Auf Berthold wartet jetzt natürlich auch die Aufgabe, die Erwartungen zu dämpfen, viele Medaillenhoffnungen haben die Männer ja nicht - auch wenn Felix Neureuther zuletzt bekräftigte, dass er trotz seines Kreuzbandrisses für den Olympia-Slalom in Südkorea plane. Dreßen ist jedenfalls einer, der sich kaum aus der Ruhe werfen lässt, bodenständig, unaufgeregt. Nach allem, was er erlebt hat, gibt es Schlimmeres als ein schlechtes Skirennen.

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