Skandal um Olympia-Vergabe:IOC-Mitglied verkauft Stimmen für 240.000 Euro das Stück

54 Stimmen könne er London für die Vergabe der Olympischen Spiele 2012 besorgen. Gegen Geld. Dumm nur, dass der Präsident des bulgarischen Olympischen Komitees, Ivan Slavkow, mit getarnten Journalisten und deren versteckter Kamera sprach. Ein peinlicher Skandal für das IOC, mal wieder.

Fünf Jahre nach dem olympischen Korruptionsskandal um Salt Lake City steht das Ansehen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und seiner Mitglieder wieder auf dem Spiel. Eine Reportage des britischen Senders BBC erweckt den Eindruck, dass die Stimmen einer beträchtlichen Zahl der 124 Olympier für die Wahl des Olympia-Ortes 2012 käuflich seien.

Die beunruhigte IOC-Spitze hat die Ethik-Kommission eingeschaltet und wird sich mit der Affäre bei ihrem Treffen ab Freitag in Athen befassen.

Man ist ja Geschäftsmann

In dem Beitrag "Die gekauften Spiele" bieten nach Angaben des Senders vier Agenten insgesamt 54 Stimmen für London an. Dessen Konkurrenten bei der Vergabe der Spiele 2012 durch die IOC-Vollversammlung im Juli 2005 sind Paris, Madrid, Moskau und New York.

Bei den geheim gefilmten Gesprächen gaben sich die Journalisten als Vertreter der fiktiven Agentur "New London Ventures" aus, die für London IOC-Stimmen besorgen wollten.

Im Zentrum des Verdachts steht der bulgarische NOK-Präsident Slavkow, der sich mit dem BBC-Team auf Vermittlung des Serben Goran Takac in Sofia getroffen hatte. In den fingierten Verhandlungen zeigte er sich "offen für Gespräche" über seine Stimmabgabe. Auf die Frage, ob andere IOC-Mitglieder für ihre Stimmen Vergünstigungen erwarteten, sagte Slawkow: "Ja, in bestimmter Weise sind sie interessiert. ... Einige sind Geschäftsleute, sie sind interessiert."

War ja alles nur gespielt, beteuert Slawkow

Slawkow und Takac haben sich inzwischen mit der Behauptung verteidigt, sie seien nur zum Schein auf das Treffen eingegangen. "Unser einziges Ziel ist es gewesen, jene zu entlarven, die betrügen wollen", sagte Takac am Dienstagabend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Sofia. Ihm sei ein Vertragsangebot unterbreitet worden, für 1,2 Millionen Dollar Lobby für London betreiben zu sollen.

Dazu sollten Zahlungen an IOC-Mitglieder extra vergütet werden. Von seinem Treffen mit den verkappten BBC-Leuten habe er das russische IOC-Mitglied Witali Smirnow unterrichtet. Dieser habe erklärt, IOC-Präsident Jacques Rogge informieren zu wollen. Smirnow selbst hat nach eigenen Angaben ein Treffen mit den als Geschäftsleute auftretenden Reportern verweigert: "Ich habe kategorisch Nein gesagt", sagte Smirnow in Moskau vor seiner Abreise nach Athen.

Über den Vorgang habe er Rogge informiert. Der Russe ist einer von vier Stellvertretern des IOC-Präsidenten. Takac erklärt in den aufgezeichneten Gesprächen, er könne für London 15 bis 20 Stimmen besorgen, zwischen sieben und zehn Mitglieder würden für ihre Voten Geld verlangen. Dafür würden zwischen 2,5 und 3 Millionen Dollar notwendig werden.

Neben Takac machten drei andere angesprochene Agenten konkrete Aussagen über Stimmenanwerbung von IOC-Mitgliedern. Der Ungar Gabor Komyathy versprach 20 Voten. "Normalerweise" würde eine Stimme 240.000 Euro kosten, "plus Nebenausgaben". Der Ägypter Mahmood El-Farnawani stellte 24 Voten in Aussicht.

Er verspricht 23 asiatische IOC-Mitglieder zu beeinflussen

Die Bedingungen für seine Tätigkeit: 25.000 Dollar pro Monat für eine Zeit von 15 Monaten, plus eine Prämie von 250.000 Dollar, wenn London gewinnt. Abdul Muttaleb Ahmad versprach die Beeinflussung von 23 asiatischen IOC-Mitgliedern. Er sagte jedoch, er selbst wolle in keine Direktzahlungen involviert sein.

Die vier von dem BBC-Reportern Angesprochenen gehören zum Umfeld des IOC, sie sind schon in der Vergangenheit auf verschiedenste Weise als Lobbyisten bei der Vergabe Olympischer Spiele aufgetreten. Takac bekam Einfluss über seinen Vater Artur, der dem früheren Präsidenten Juan Antonio Samaranch als Sonderberater gedient hatte. Ahmad fungiert als Generaldirektor der Vereinigung der asiatischen Nationalen Olympischen Komitees (OCA) und vertritt die Interessen seines Landsmanns Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah, IOC-Mitglied und OCA-Chef.

Der Bestechungsskandal um den Bewerber der Winterspiele 2002, Salt Lake City, hatte 1999 zu einer Reinigungsaktion des IOC geführt. Durch Ausschluss und erzwungenen Rücktritt verloren zehn IOC- Mitglieder ihr Amt, zehn weitere Olympier waren verwarnt worden.

Als weitere Konsequenz hatte das IOC ein Besuchsverbot seiner Mitglieder von Kandidatenstädten beschlossen und eine unabhängige Ethik-Kommission installiert. Rogge, der am Mittwoch in Athen erwartet wurde, hat bisher keinerlei Kommentar zu der jüngsten Affäre abgegeben. Seine Sprecherin Giselle Davies sagte, das IOC werde erst dann Stellung beziehen, wenn es den BBC-Beitrag selbst gesehen habe.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: