Sieg des WM-Gastgebers gegen Kamerun:Brasilien schnauft durch

World Cup 2014 - Group A - Cameroon vs Brazil

Wieder zwei Treffer, wieder der unumstrittene Hingucker des Abends: Brasiliens Neymar.

(Foto: dpa)

Das Achtelfinale ist erreicht - diesmal gelingt den Brasilianern um Neymar phasenweise sogar Glanzvolles. Die Seleção zeigt sich beim 4:1 gegen Kamerun verbessert gegenüber den ersten WM-Spielen. In der nächsten Runde wartet nun eine schwere Aufgabe.

Natürlich hatten die Brasilianer auf angenehmere Rahmenbedingungen gehofft, sie wollten sich in dieser dritten Partie eigentlich ohne Druck einspielen für die ab Samstag folgende K.o.-Runde. Aber genau dieser war seit dem torlosen Remis gegen Mexiko in Spiel zwei zuckerhutgroß vorhanden. Der Gruppensieg, gar die Qualifikation fürs Achtelfinale stand auf der Kippe, drei Spieler gingen zudem gelb-vorbelastet die letzte Aufgabe an, darunter Staubsauger Luiz Gustavo, in den sich seine Heimat gerade verknallt, und vor allem Neymar, der Jungstar mit den Strähnchen.

Eine Zitterpartie war das letzte, was die Fans der Seleção sehen wollten, ein Aus in dieser Phase wäre sicher auch eine stattliche Belastungsprobe für Stimmung und Sicherheit im fünftgrößten Land der Welt geworden. Und doch mühte sich der Gastgeber, er wankte, so ein bisschen, setzte sich aber 4:1 (2:1) durch. Im Achtelfinale gegen die bissigen Chilenen muss sich das Team steigern. Nur Neymar, zweifacher Torschütze (neben Fred und Fernandinho) am Montag, ist wohl zu wenig.

Drei Teams (Brasilien, Mexiko, Kroatien), nur zwei kommen weiter, das war die pikante Ausgangslage gewesen, wobei sich Brasiliens Luiz Felipe Scolari vorab ein interessantes Überkreuzduell mit dem Dickschädel-Trainerkollegen Luis van Gaal aus der Nachbargruppe B lieferte. Der Bondscoach hatte geschimpft, die Seleção würde vom Weltverband bevorzugt, weil sie entgegen der bisherigen Reihenfolge bei den Gruppen-Ansetzungen ihr Spiel erst nach denen der Gruppe B austragen durfte.

Brasilien wusste also vor dem Anpfiff, wer der mögliche erste K.o.-Gegner sein würde. "Das ist kein Fair Play", monierte van Gaal, Scolari zischte: "Wenn jemand sagt, dass Brasilien seinen Gegner aussucht, ist das eine gewisse Missachtung Kameruns." Unstrittig immerhin war seine Feststellung: "Wir müssen erst weiterkommen." Dass dies gelingen würde, mochten freilich nur Lebewesen im All, die nichts von der Weltmeisterschaft mitbekommen haben, in Frage stellen.

Brasilien startete ungefähr so, als würde man elf ausgehungerte Raubtiere aus dem Käfig lassen und mit Keulen winken. Nach nur 27 Sekunden nötigte Hulk auf rechts den Kameruner Henri Bedimo zu einem Foul, Freistoßflanke Neymar, die nichts einbrachte. Es folgte ein zweiminütiges Powerplay samt zwei geblockten Schüssen von Paulinho und Gustavo - die Richtung schien vorgegeben. Oscar, Hulk, Fred, sie wiegelten rudernd die Fans zusätzlich auf, der Druck war sichtbar, schon jetzt.

Kurzzeitig indes wurde Kamerun frecher. Eric Maxim Choupo-Moting vom FSV Mainz scheiterte nur knapp mit einer scharfen Hereingabe (13.), die David Luiz entschärfte, im Gegenzug erdreistete sich Allan-Romeo Nyom, Neymar mit beiden Händen von hinten niederzustoßen. Jonas Eriksson, der schwedische Schiedsrichter, beließ es seltsamerweise bei einer Ermahnung (15.).

Gustavo legt vor, Neymar trifft

Nur zwei Minuten später revanchierte sich der Profi vom FC Barcelona auf bestmögliche Weise - und netzte ein. Gustavos flachen Querpass in den Strafraum leitete der 22-Jährige direkt mit rechts weiter in die rechte untere Ecke, 1:0 (17.). Das war der erhoffte Druckabbau. Kameruns Trainer Volker Finke lachte, und er sollte es gleich wieder tun. Diesmal nur nicht auf zynische Art.

Nyom, der agile Verteidiger von Granada CF, schüttelte den zu passiven Dani Alves links außen im zweiten Versuch ab, ein Pass in die Mitte, eine Siesta von Luiz, und Schalkes Joel Matip staubte dankend ab, 1:1 (26.). Ein Drama? Das nicht, aber Brasiliens Abwehr wirkte nun doch leicht nervös und porös, was die Afrikaner spürten, die so ganz anders erwartet worden waren, viel weniger als Einheit. Bei der Niederlage in der zweiten Partie gegen Kroatien (0:4) hatte Benoit Assou-Ekotto seinem Kollegen Benjamin Moukandjo gar einen Kopfstoß verpasst, so ging es ja zu im Team.

Finkes Appelle, sich mit Würde zu verabschieden, fruchteten offenbar, wenngleich die Freude nur kurz währte. Neymar schlug zurück, nach einer energischen Balleroberung von Real Madrids Marcelo folgte sein Dribbling an Nicolas Nkoulou und Nyom vorbei, ein trockener Schuss, 2:1 (34.). Zehntausende gelbe Trikots im Estadio Nacional von Brasília zappelten ekstatisch.

Brasilien ist Neymar, das war das Fazit der ersten Halbzeit, und der Charakter des Spiels blieb auch nach der Pause der gleiche. Dieser so begabte Kerl setzte die Akzente, wenngleich in der 49. Minute Stürmer Fred eine präzise Flanke von Luiz zum erlösenden, beruhigenden 3:1 einnickte (49.). Die Seleção drosselte das Tempo, und Scolari holte in der 71. Minute den leicht humpelnden Neymar vom Platz (Willian kam).

Fast hätte sich noch eine unerwartete Pointe entwickelt, denn im Parallelspiel zog Mexiko gegen Kroatien in dieser Phase auf 3:0 davon und benötigte nur noch ein Tor, um statt Brasilien als Gruppenerster gegen Chile spielen zu dürfen. Doch der zur Pause eingewechselte Fernandinho machte per Picke für Brasilien alles klar, Kroatien traf auch noch. Das Gastgeberland schnauft tief durch. Erst mal.

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