Sieg des FC Bayern in Hamburg:Eigenwillige Interpretationen

Hamburger SV v Bayern Muenchen - DFB Cup

Entspannter Abend an der Elbe: Mario Götze (li.) und Rafinha

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Eine baldige Niederlage des FC Bayern erscheint derzeit wie Science-Fiction. Nach dem 5:0-Pokalsieg gegen den HSV freut sich Trainer Pep Guardiola schon auf das Finale. Beide Mannschaften haben nach dem Spiel recht sonderbare Einschätzungen parat.

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Es gibt wenig Möglichkeiten, sich eine 0:5-Niederlage schönzureden. Fünf Gegentreffer, das ist kein Schiedsrichterverschulden, kein missglückter Umstand, das ist die totale Unterlegenheit. Wenn der Gegner allerdings FC Bayern heißt, verschieben sich die Interpretationen. Natürlich war Bert van Marwijk nicht glücklich, das Viertelfinale gegen die Münchner mit 0:5 verloren zu haben, doch eines konnte er immerhin loben: "Wir haben versucht, die ersten 20 Minuten kompakt zu stehen. Das haben wir sehr gut getan."

20 Minuten gegen die Bayern mithalten zu können, das ist mittlerweile die Dimension, in der sich der HSV bewegt, will er noch ein wenig Gutes im eigenen Spiel entdecken. Die Fans johlten und klatschten nach dem Abpfiff, als hätten sie nicht noch vor vier Tagen ihrer Mannschaft entgegengeplärrt: "Wir sind Hamburger und ihr nicht." Mit einem Zustand zwischen Kampfgeist und Übersprunghandlung versucht der Tabellenvorletzte, seinen Platz in der Liga zu rechtfertigen. "Dieser Verein lebt", verkündete der Stadionsprecher beim Einmarsch der HSV-Elf ins Stadion. Die wohl griffigste Parole für einen Klub, der ums nackte Überleben kämpft.

Für die Hamburger kam die Partie gegen den FC Bayern im Grunde ganz gelegen, es ging nicht um diesen knallharten Punktezwang zur Vermeidung des Abstiegs, sondern nur um ein Lebenszeichen, das im schmerzhaftesten aller Rückrundenstarts zuletzt nicht zu finden war. "Wir hatten heute nichts zu verlieren", befand Heiko Westermann. Nichts zu verlieren haben, das ist derzeit ein seltener Zustand in Hamburg.

"Man muss das Unmögliche versuchen", stand auf einem riesigen Banner der Fans vor dem Anpfiff der Partie. Im zweiten Teil der Choreografie wurde es gegen ein weiteres Banner getauscht, auf dem zu lesen war: "Um das Mögliche zu erreichen!" Ungewiss ist allerdings, was derzeit beim HSV überhaupt noch möglich ist. Am Wochenende steht die Partie gegen Eintracht Braunschweig an, laut Westermann "das wichtigste Spiel der Saison".

Dass Bert van Marwijk dann noch auf der Bank sitzen wird, gilt derzeit als unwahrscheinlich. Felix Magath soll an die Elbe kommen, doch noch ist nicht die nötige Mehrheit im Aufsichtsrat erreicht. Ob er die Situation in Hamburg mitbekommen habe, wurde Pep Guardiola nach der Partie gefragt. "Jaaaa, ich habe davon gelesen", sagte Guardiola und machte sich dann höflich, wie der Katalane nun mal ist, für seinen Trainerkollegen van Marwijk stark. "Er ist ein Gentleman", manövrierte sich Guardiola um die aktuellen Geschehnisse, "und er hat als Nationaltrainer mit Holland das WM-Finale erreicht und wäre fast Weltmeister geworden." Er sei jünger als van Marwijk, sagte Guardiola, was dem Hamburger passiere, könne auch ihm passieren.

"Wir haben sehr groß gespielt"

Das fügte sich freilich wunderbar ein in Guardiolas Dauerthese, dass auch die Bayern irgendwann man mal verlieren werden. Einen Beweis bleibt er den Gegnern momentan in sämtlichen Wettbewerben schuldig. Am Mittwochabend trat das Team erneut so routiniert und souverän auf, dass eine baldige Niederlage wie Science-Fiction erscheint.

Selbst die 22 Minuten, die der FC Bayern ohne Treffer blieb, waren 22 dominante Minuten, die sich nur hinter der Mittellinie Richtung HSV-Tor abspielten. Die Münchner überrollten die Hamburger lange Zeit noch nicht einmal, wohl auch weil sie sich auf ihre individuelle Stärken verlassen konnten. War der Ball erst im Strafraum, packten mal Götze, mal Robben und sogar Dante ihre genialen Momentchen aus. "Wir haben sehr groß gespielt", kommentierte Guardiola. "So wollen wir weitergehen", sagte Sportvorstand Matthias Sammer.

Weitergehen soll es vor allem mit Bastian Schweinsteiger. Nach monatelangem Ausfall gab er sein Comeback, beim Stand von 3:0 wechselte ihn Guardiola ein. Das sei ein "guter Zeitpunkt" gewesen, befand der Trainer. Es wurde laut im Stadion, sehr laut, als Schweinsteiger von Lahm die Kapitänsbinde überstreifte. "Es hat sich schön angefühlt, so empfangen zu werden, nicht nur von unseren eigenen Fans", sagte der Nationalspieler. In der Mannschaft seien alle glücklich über seine Rückkehr, sagte Philipp Lahm, und Arjen Robben befand: "Wir brauchen ihn zu 100 Prozent. Doch wir müssen aufpassen, dass der Druck nicht bei Basti liegt, er soll in Ruhe zurückkommen."

Auch Toni Kroos durfte wieder auflaufen. Er war zwar nicht verletzt, wurde von Pep Guardiola aber zunächst für zwei Partien auf die Bank versetzt. Es ist ein Motivationsspielchen, das der Trainer vor wenigen Wochen schon mit Mario Mandzukic getrieben hatte - und in eine klassische Win-win-Situation mündete. Mandzukic erzielte gegen den HSV drei Tore. Auch bei Kroos scheint die Taktik aufzugehen, nach anfänglichem Einspielen zeigte er einen überragend präzisen Pass über fast 30 Meter auf Arjen Robben.

Für die Bayern geht es im DFB-Pokal im Halbfinale gegen den Zweitligisten Kaiserslautern weiter. "Viele Spieler haben mir erzählt, wie schön es in Berlin ist", schwärmte Guardiola, "wir sind nur noch einen Schritt davon entfernt." Arjen Robben kennt Berlin schon, zum Halbfinale sagte er artig: "Auch für uns wird das spannend." Mittlerweile haben die Bayern ihre eigene Definition des Begriffs "spannend", auch in München verschieben sich die Interpretationen.

Die erste Runde im DFB-Pokal hatte der Klub im Übrigen mit einem 5:0 beendet, wie in Hamburg führte er zur Halbzeit 2:0. Der Gegner war damals trotz der hohen Pleite recht zufrieden, immerhin konnte er 18 Minuten lang das Führungstor verhindern. Es war der Viertligist BSV Rehden.

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