Sieg beim FC Porto:BVB in der Europa League - glanzlos zum Favoriten gereift

Analyse von Felix Meininghaus, Porto

Thomas Tuchel saß im Presseraum des Estadio do Dragao in Porto, der mit seinen blauen Plüschsesseln eher einem Kinosaal gleicht, und war hin- und hergerissen: Sollte er sich über das souveräne Weiterkommen freuen oder über die überschaubare spielerische Leistung seiner Mannschaft ärgern? Dortmunds Trainer entschied sich für eine Zwischenlösung. Sein Team habe agiert "wie ein Orchester, das seinen Rhythmus nicht findet", monierte Tuchel, um dann lobend hinzuzufügen: "Dennoch haben wir die Ordnung und den Biss nicht verloren."

Borussia Dortmund wurde beim FC Porto nicht wirklich gefordert und zog recht ungefährdet ins Achtelfinale der Europa League ein. Dem 2:0-Hinspielerfolg ließ die Mannschaft von Thomas Tuchel vor knapp 30 000 Besuchern im längst nicht ausverkauften Estadio do Dragao ein 1:0 (1:0) folgen. Der BVB darf damit weiterhin darauf hoffen, den letzten Pokal zu holen, der im Trophäenschrank des Klubs noch fehlt.

Acht Pflichtspiele haben die Dortmunder nach der Winterpause absolviert, dabei sechsmal zu null gespielt und nur zwei Gegentore zugelassen. Auch wenn die Mannschaft wie in Porto nicht glänzt, tritt sie unheimlich selbstsicher auf. Weil sie nach vielen unnötigen Treffern in der Hinrunde mittlerweile weiß, dass die Abwehr sicher steht. "Es erleichtert das Leben, zu null zu spielen", sagte Sven Bender, der den verletzten Griechen Sokratis in der nordportugiesischen Hafenstadt als Verteidiger vertrat.

Tuchel konnte sich in Porto sogar den Luxus leisten, die Schlüsselspieler Mats Hummels und İlkay Gündoğan in der Halbzeit auszuwechseln, um sie für das Sonntagsspiel gegen Hoffenheim zu schonen. Wenig später durfte auch Marco Reus seinen Arbeitstag frühzeitig beenden. Reine Vorsichtsmaßnahmen waren das angesichts des straffen Programms mit vielen Spielen in den kommenden Wochen: "Wenn es ein Finalspiel gewesen wäre, hätte ich mich durchbeißen können", sagte Hummels: "Aber angesichts des Ergebnisses habe ich Vorsicht walten lassen. Gegen Porto ist das komplett nach Plan gelaufen. Wir haben nicht mal gut gespielt, aber wir haben nicht viel zugelassen."

Es gibt derzeit viele positive Aspekte beim Dortmunder Ist-Zustand. Auch außerhalb des Rasens, wo ein Spieler im Verlauf der Woche ein Zeichen gesetzt hatte: Sven Bender verlängerte seinen Vertrag bis 2021. Der Profi verband dies auch mit einem emotionalen Bekenntnis zu seinem Arbeitgeber: "Der Verein hat mir sehr viel gegeben und bedeutet mir enorm viel, daher bin ich froh, so ein langfristiges Angebot bekommen zu haben."

Nie mehr ein Fall Robert Lewandowski

Bender sei "über seine unbestrittenen sportlichen Fähigkeiten hinaus eine außerordentlich wichtige Integrationsfigur", sagt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Tatsächlich könnte der siebenfache Nationalspieler, über den sein Mitspieler Nuri Şahin sagt, er gehe "mit dem Kopf in Zweikämpfe, die ich nicht einmal mit dem Fuß bestreiten würde", bei der Borussia eine Führungsrolle übernehmen. Schließlich geht er, wenn man die personelle Situation des BVB aus dem Blickwinkel der Klubführung betrachtet, mit gutem Vorbild voran. Falls Benders Unterschrift auch andere Protagonisten des neuen Dortmunder Aufschwungs dazu bewegen sollte, langfristige Verträge zu unterschreiben, könnte Sportdirektor Michael Zorc seinen Job mit größtmöglicher Gelassenheit betrachten.

Verträge von Stammspielern laufen 2017 aus

Schließlich laufen die Verträge von Stammspielern wie Kapitän Mats Hummels, İlkay Gündoğan, Marcel Schmelzer und Henrikh Mkhitaryan im Jahr 2017 aus. Zorc und Watzke müssen also im Sommer überlegen, ob sie diese europaweit begehrten Profis veräußern, um sie zwölf Monate später nicht ablösefrei ziehen lassen zu müssen. Dieses Schicksal hatte die Dortmunder zuletzt mit Robert Lewandowski ereilt. Seitdem betont Watzke, dies sei eine Ausnahme gewesen, die sich sein Verein in Zukunft ersparen will. Aber das funktioniert nur, wenn Spieler rechtzeitig abgegeben oder frühzeitig neue Verträge geschlossen werden.

Bender hofft, dass möglichst viele seiner Kollegen nachziehen: "Letztendlich muss jeder von uns die Entscheidung für sich selbst treffen. Natürlich ist die Versuchung groß, etwas anderes zu machen. Aber die Überlegung, was man hier hat, sollte auch eine Rolle spielen."

Zum Beispiel die, in einer Mannschaft zu spielen, die schon im ersten Jahr unter Tuchel gefestigt genug erscheint, um für Titel in Frage zu kommen. Auch wenn der 42-Jährige davon noch nichts wissen will: Es sei "nicht wichtig, der Favorit zu sein", sagte Dortmunds Trainer, bevor er in der Nacht verschwand, "sondern wie einer zu spielen. Wir müssen bescheiden bleiben und die Herausforderungen weiter annehmen. Nur so können wir den langen Weg bis zum Ende fortsetzen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: