Sieben Kurven in der Formel 1:Vettel entdeckt in Montreal einen Zusatzantrieb

Der Ferrari-Pilot schwärmt von der Teamleistung der Scuderia. Max Verstappen droht, Kopfstöße zu verteilen und ein kanadisches Model schwenkt die Zielflagge zu früh.

Von Elmar Brümmer, Montreal

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Fernando Alonso

Formula One F1 - Canadian Grand Prix

Quelle: REUTERS

Die beste Taktik des Rennens war die, den nächstmöglichen Flug nach Paris zu nehmen. Raus aus der Formel-1-Welt, hin zum Abenteuer der 24 Stunden von Le Mans. Sein 300. Grand Prix, mal wieder ein Rennen zum Vergessen. Das Schicksal der letzten drei Jahre scheint den Spanier einzuholen. Mit dem angestrebten Jubiläums-Pünktchen wurde es nichts. Nach 30 Runden brach der Auspuff, der zweite Ausfall in Folge, auf Platz zehn liegend. McLaren, das sich auf dem Weg nach oben wähnt, ist desillusioniert. Eine Vokabel allein reichte ihm nicht, um den derzeitigen Leistungszustand zu beschreiben: "Es ist traurig, frustrierend und enttäuschend." Ob er unter diesen Umständen überhaupt noch in der Formel 1 weiterfahren will, scheint offener denn je: "Wir werden sehen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Aber wir brauchen mehr Leistung, damit wir wettbewerbsfähiger werden." McLaren überlegt inzwischen, ein eigenes Team für die IndyCar-Serie zu gründen. Vielleicht ist sich Teamchef Zak Brown deshalb so sicher, wenn er behauptet: "Fernando wird nächstes Jahr für uns fahren."

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Sebastian Vettel

Formula One F1 - Canadian Grand Prix

Quelle: REUTERS

Zwei Monate hat er auf diesen dritten Saisonsieg warten müssen, und dann gelingt er ihm auf diese Weise: Auf der Paradestrecke seines Gegenspielers Lewis Hamilton, aus der Pole-Position heraus das Rennen in jedem einzelnen Moment kontrollierend. 50 Formel-1-Siege, das ist ein Wort. Jetzt liegen in der ewigen Wertung nur noch Michael Schumacher, Lewis Hamilton und Alain Prost vor ihm. Der Heppenheimer wusste gar nicht mehr, wohin mit seiner Freude. Er freute sich für das Team, das Publikum und auch für sich ein bisschen. Vor allem legte er nach der Übernahme der WM-Führung (221:220) Nachdenklichkeit an den Tag. Auf der letzten Runde kam ihm Michael Schumacher in den Sinn, später schossen ihm Tränen in die Augen. Er erinnerte auch an Gilles Villeneuve, der vor 40 Jahren beim ersten Rennen in Montreal den Motorsportboom in der Region ausgelöst hatte. Dann berichtete er von einem Rennwagen, der noch freitags überall hin fuhr, nur nicht dahin, wohin er ihn lenken wollte. Und wie er zusammen mit seiner Scuderia die Wende geschafft habe. Nein, nicht er, sondern sein Team, darauf besteht er. "Es kam alles zusammen. Irgendwie war es Magie", sagt der Realo, der die Emotionen als Zusatzantrieb entdeckt hat, "solche Momente muss man festhalten."

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Max Verstappen

Canadian F1 Grand Prix

Quelle: AFP

Man nennt das wohl Rehabilitation, auch wenn diese rasend vonstatten geht. Ein dritter Platz im siebten Rennen, das ist ein echter Fortschritt nach vier Kollisionen und zwei Ausfällen zuvor. Keine Auffälligkeiten, die Rad-an-Rad-Berührung mit Valtteri Bottas in der Startkurve, das war korrektes Racing. "Ein sauberes Wochenende", atmete auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner auf, "das ist hervorragend für sein Selbstvertrauen und vielleicht der Beginn einer Erfolgsserie für ihn." Trotzig hat sich der Niederländer allen Ratschlägen zuvor widersetzt: "Viele Leute haben mir gesagt, dass ich meine Herangehensweise ändern sollte. Aber das wird nicht passieren. Denn sie hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe. Ich ziehe weiter mein eigenes Ding durch." Journalisten warnte er, besser nicht mehr nach Situationen zu fragen, in denen etwas schief gegangen war: "Mich ermüdet das. Wenn ich noch ein paar solcher Nachfragen bekomme, muss ich mich wohl mit einem Kopfstoß verteidigen."

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Winnie Harlow

Canadian F1 Grand Prix

Quelle: AFP

70 Runden hätten gefahren werden sollen, 69 sind es dann bloß geworden, lediglich 68 wurden gewertet. Die Frau, die die Zielflagge schwenkte, macht sonst selten eine unglückliche Figur. Doch da oben auf dem Ausguck an der Ziellinie des Circuit de Gilles Villeneuve nutzte dem kanadischen Model auch seine berufsmäßige Coolness nichts. Dabei trifft die 23-Jährige, eine Freundin von Lewis Hamilton, keine Schuld. Sie hatte brav die schwarz-weiß-karierte Flagge geschwenkt, die man ihr in die Hand gedrückt hatte. "Ein Kommunikationsfehler", stöhnte Renndirektor Charlie Whiting. Das hätte schon schief gehen können - wenn Vettel vom Gas gegangen und Verfolger Valtteri Bottas auf dem Pedal geblieben wäre. Aber der Ferrari-Fahrer hatte die richtige Rundenzahl auf dem Lenkraddisplay abgelesen. Einzig Leidtragender war Daniel Ricciardo, der im 69. und nicht gewerteten Umlauf die schnellste Runde fuhr. Diese Ehre wird jetzt Teamkollege Max Verstappen zuteil. Und Winnie Harlow kann sich trösten: Pelé war dieses Missgeschick auch schon passiert.

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Brendon Hartley

Canadian F1 Grand Prix

Quelle: AFP

Er kam als Notnagel, aber immerhin als Le-Mans-Sieger. In der ersten Phase der Talentsichtung bei Toro Rosso hatte man den Neuseeländer glatt übersehen. Jetzt hat der 28-Jährige einen Stammplatz in der Formel 1, aber die Frage ist: Wie lange noch? Richtig glücklich wird der Kiwi nicht, und jedes Mal, wenn Mercedes-Ersatzfahrer Pascal Wehrlein durchs Fahrerlager läuft, dürfte er zusammenzucken. Alles, was er braucht, ist eine Punkteplatzierung - und die möglichst schnell. In Montreal hätte es klappen können. Wenn seine erste Runde nicht bloß vier Kurven gedauert hätte. Dann wurde er zum unschuldigen Opfer von Lance Stroll, der den Rennwagen mit dem neuen Honda-Motor brutal in die Mauer drängte. Das Auto hob ab, es ging viel zu Bruch, aber beide Fahrer blieben zum Glück heil. Doch das Pech bleibt Hartley treu, die Tapferkeit auch: "Ich bin bereit für das nächste Rennen." Sofern sein Rennstall auch noch bereit ist. Für übertriebenes Mitgefühl ist die Formel 1 ja nicht unbedingt bekannt.

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Niki Lauda

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Quelle: Erwin Scheriau/AFP

Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen darum, welcher der beiden Österreicher in der Chefetage des Mercedes-Werksrennstalls die schlechtere Laune haben würde nach der desillusionierenden Darbietung von Montreal. Die Plätze zwei und fünf, ein Benzinproblem bei Valtteri Bottas, Motorenüberhitzung bei Lewis Hamilton - und das Motorenupgrade musste wegen eines Produktionsfehlers verschoben werden. Derart angeschlagen wurde der Titelverteidiger zum Opfer, und Teamaufsichtsrat Niki Lauda grantelte entsprechend: "Ferrari hat heute das bessere Auto, den besseren Motor und den besseren Spritverbrauch. Sie haben uns in Disziplinen überholt, in denen wir mal vorne lagen. Ein unglaubliches Gesamtpaket. Jetzt muss in allen Bereichen etwas passieren." Teamchef Toto Wolff ruft jeden Einzelnen im Silberpfeil-Team auf, sich etwas zu überlegen. In einer ersten Stellungnahme machte er es kürzer und härter als Lauda: "Ein Scheißresultat!"

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Die Kanadier

Canadian F1 Grand Prix - Qualifying

Quelle: AFP

Nur einmal hat die beinahe südländische Lebensfreude, die das Publikum beim kanadischen Grand Prix verbreitet, einen Dämpfer bekommen - als ein Biber im Parc Jean Drapeau Opfer des Rennwagens von Romain Grosjean wurde. Doch das brachte dem Franzosen schlechtes Karma, vor der Qualifikation explodierte ihm der Motor. Übrigens einer von Ferrari. Die Kanadier, die seit dem Sieg von Landsmann Gilles Villeneuve vor 40 Jahren dem sommerlichen PS-Festival verfallen sind, bejubelten umso mehr die beiden erfolgreicheren Rennwagen mit italienischem Antrieb: Den von Jacques Villeneuve, der das Auto seines Vaters zur Show um die temporäre Piste kreiseln ließ, und natürlich das von Sebastian Vettel, der den ersten Sieg für die Scuderia seit 2004 holte und die Fans feierte. Dass Lokalmatador Lance Stroll einen spektakulären Unfall in der ersten Runde verursachte, war schnell verziehen - es war die beste Action des Tages. Abgesehen von der falsch geschwenkten Zielflagge und Vettels Triumph natürlich.

© SZ.de/tbr/mane
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