Sieben Kurven in der Formel 1:Der Kampf der wild gewordenen Bullen

Die beiden Red-Bull-Fahrer Max Verstappen und Daniel Ricciardo crashen sich aus dem Rennen. Sieger Lewis Hamilton vergisst kurz, dass er gewinnt. Sebastian Vettel verzweifelt erst am Safety Car und dann an einer Kurve.

Von Elmar Brümmer

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Helmut Marko

Helmut Marko

Quelle: dpa

Er ist der Mann, der den Motorsportsachverstand eines ganzen Konzerns verantwortet. Die Österreicher nennen ihn "Konsulent", der Rest der Formel 1 nennt ihn nur den "Doktor". Helmut Marko ist Ex-Rennfahrer, Hotelbesitzer, Kunstkenner und promovierter Rechtswissenschaftler. Außerdem, und das macht ihn weltweit bekannt, ist Marko der Talentscout von Red Bull Racing und enger Vertrauter von Konzernlenker Dietrich Mateschitz. Sebastian Vettel hat er entdeckt und fördern lassen, auch Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Am Freitag feierte Marko seinen 75. Geburtstag - doch statt eines Geschenks seiner Fahrer bekam er beim Rennen in Baku einen Unfall von Verstappen und Ricciardo zu sehen. Red Bull kostete der Crash mindestens 22 WM-Punkte. Um seinen Blutdruck stehe es gerade nicht gut, gestand Marko. Die Schuldfrage war ihm reichlich egal: "Egal wer Schuld hat, sowas darf einfach nicht passieren. Beide sollten so viel Hirn haben."

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Max Verstappen

2018 Azerbaijan GP BAKU CITY CIRCUIT AZERBAIJAN APRIL 30 Max Verstappen NED Red Bull Racing RB

Quelle: imago/Motorsport Images

Verstappen ist der Mann, der Weltmeister provoziert und unter den Zuschauern schon fast so polarisiert wie zuletzt Michael Schumacher. Aber dummerweise ruiniert er mit dieser Art anderen das Rennen, sich selbst am Ende vielleicht sogar die Karriere. Nach dem Crash mit Vettel in Shanghai zeigte er Reue, suchte das Gespräch, gelobte Besserung. Vermeintlich. Man hätte bei den Bekundungen zur Buße nur richtig hinhören müssen. Er werde weiter angreifen, und wer zu viel nachdenke, werde nur langsamer. Folgerichtig fuhr er mit dem Teamkollegen Daniel Ricciardo in Baku einen kleinen Krieg aus, der auf den rennentscheidenden Eklat gut zehn Runden vor Schluss zusteuerte. Schuld, befanden die Kommissare, seien irgendwie beide. Soll heißen: Die wild gewordenen Bullen sollen das unter sich ausmachen.

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Romain Grosjean

Azerbaijan F1 Grand Prix

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Der Schweizer mit dem französischen Pass ist so etwas wie der Radio-Kommentator der Formel 1. Einst selbst der größte Pistenrüpel, sogar mit einer Rennsperre belegt, ist er heute derjenige, der jedes kleine Vergehen der Konkurrenz oder des eigenen Teams wüst kommentiert. Am Ende der Safety-Car-Phase von Baku war aber nur ein eher kleinlautes "Non, Non" zu hören. Grosjean, mit seinem Haas-Ferrari auf einem sicheren sechsten Platz liegend, brachte das Kunststück fertig, beim Reifenaufwärmen hinter dem Safety Car in der Mauer zu landen. Getriebe, Bremsen, das ausbrechende Heck - Grosjean hatte eine Menge Erklärungen für den Anfängerfehler. Sogar den Schweden Marcus Ericsson hatte er zunächst als Übeltäter ausgemacht, aber der war zehn Meter hinter ihm. Am glaubhaftesten ist aber die Aussage: "Ich muss mich beim Team entschuldigen, es ist hart, wenn man so viele Punkte verschenkt."

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Charles Leclerc

Azerbaijan F1 Grand Prix - Qualifying

Quelle: Getty Images

Es ist selten im Ego-Gewerbe der Formel 1, dass ein Teamkollege etwas Nettes über den anderen sagt. Marcus Ericsson, schon vier Jahre bei Sauber, lobte seinen Kollegen Charles Leclerc allerdings überschwänglich. Und die Leistung des Monegassen imponiert nicht nur dem Schweden ("Wenn ich mir die Vita von Charles anschaue, ist er einer der besten Fahrer, die in den letzten Jahren in die Formel 1 gekommen sind. Für mich ist er der stärkste Teamkollege, den ich je hatte"), sondern auch den Betreibern der Ferrari-Fahrerakademie. Auf der Suche nach einem Eigengewächs lassen sie Leclerc in der Schweiz ausbilden. Leclerc gab gern zu, dass er sich nach seinen ersten Grand-Prix-Punkten in einem Schwebezustand befinde, aber er blieb Realist: "Wir erkennen unsere Stärken, aber wir wissen auch, dass solche Resultate unter normalen Umständen schwierig zu erreichen sind."

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Lewis Hamilton

Azerbaijan F1 Grand Prix

Quelle: Getty Images

Ganz zum Schluss einen Rennsieg zu erben, der schon früh verloren schien, seinen direkten Kollegen Valtteri Bottas nach dem explodierten Reifen am Boden zerstört sitzend zu sehen, die WM-Führung nach einem chaotischen Wochenende zu übernehmen - dieses Gefühlschaos ist selbst für einen Champion der Emotionen nicht einfach zu verdauen: "Es fühlt sich komisch an, hier oben zu stehen", gestand der späte Triumphator von Aserbaidschan. Hamilton sieht sich bestärkt darin, nie aufzugeben: "Das war die Lektion, die mir mein Vater erteilt hat, und an die ich schon lange nicht mehr erinnert wurde." Ob damit die Divenhaftigkeit von Auto und Reifen und die Krise bei den Titelverteidigern beendet ist? Immerhin, der Zaungast Bernie Ecclestone wurde vor Ort eines Besseren belehrt - er hatte gemutmaßt, dass Hamilton nicht mehr der Alte sei. Für einen Moment stutzte der im Silberpfeil-Cockpit aber selbst: "Als ich um die letzte Kurve fuhr, war ich nicht ganz sicher, welche Position ich wirklich habe. Aber die Glücksfee hat mir diesmal geholfen."

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Lawrence Stroll

Azerbaijan F1 Grand Prix

Quelle: Getty Images

Der Sohnemann Lance landete auf Platz acht, das Chaos von Baku hat sich also auch für das strauchelnde Williams-Team am Ende ausgezahlt. Der kanadische Multi-Milliardär will seinen Sohn dennoch bald in einem Rennstall mit besseren Chancen und einem besseren Auto sehen. Williams-Technikchef Paddy Lowe hatte das Kühlungssystem von seinem alten Arbeitgeber Mercedes kopiert, aber am Williams überhitzt es. Also müssen Kühllöcher in die Fahrzeughülle geschnitten werden, was auf Kosten der Aerodynamik geht. So eine Bastelbude ist gegen Strolls Prinzipien. Deshalb hat er Kontakt zu Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff aufgenommen, um Mercedes zu einer Partnerschaft mit Williams zu überreden, wie sie Ferrari mit Haas pflegt - als B-Team. Noch dementiert Teamchefin Claire Williams entschieden: "Williams ist immer sein eigener Konstrukteur gewesen, für diese Unabhängigkeit hat mein Vater vier Jahrzehnte lang gekämpft." Aber Freiheit muss man sich leisten können.

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Sebastian Vettel

Azerbaijan F1 Grand Prix

Quelle: Getty Images

Er wirkte gefasst, konnte selbst Herpes-Witze von RTL-Boxenreporter Kai Ebel einigermaßen parieren. Unter regulären Umständen wäre der 50. Formel-1-Sieg des Heppenheimers zu einem Spaziergang geworden. Doch dann kam das Safety Car, das Taktikglück für Mercedes, und sein eigener, formidabler Verbremser, als er sich wieder an die Spitze setzen wollte. Doch bei Tempo 330 und in der Zange von zwei Silberpfeilen kann auch ein vierfacher Champion mal die Übersicht verlieren: "Ich hatte meine Chance auf der Innenbahn, aber im Windschatten habe ich nicht viel gesehen und wusste nicht mehr, wo ich bin. Die Kurve kam dann schneller als erwartet, das hintere Rad hat blockiert, damit war der erste Platz futsch." Vettel zeigte aber nach Platz vier weder zu viel Wehmut noch Demut: "Manchmal ist es eben ein bisschen Lotterie. Es war eine Sekunde, die das Rennen entschieden hat. Aber man darf nicht vergessen, dass da noch sehr viel Gutes war in diesem Rennen."

© SZ.de/chge/jki/dd
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