Sieben Kurven der Formel 1:Sorry, er kann grad nicht

Lewis Hamilton verpasst TV-Interviews, weil er sich lieber von Fans feiern lässt. Die Toro Rossos sammeln Strafpunkte. Und Sebastian Vettel freut sich über Platz sieben. Wirklich! Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

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Lewis Hamilton

2017 British Grand Prix - Race Day - Silverstone Circuit

Quelle: dpa

Der Platz in der Mitte des Podiums für die Pflicht-Fernsehinterviews blieb leer, Lewis Hamilton musste sich noch schnell einen Energieschub holen - beim Bad in der Menge. Zahlreiche Fans hatten nach Hamiltons viertem Silverstone-Sieg in Serie die Rennstrecke gestürmt, sie trugen den Mercedes-Piloten auf Händen. Insgesamt Fünf Mal den britischen Grand Prix zu gewinnen, das war zuvor nur Jim Clark und Alain Prost vergönnt. Mit 32 ist der Brite Hamilton jetzt in der Legenden-Liga angekommen: Eine Pole-Position noch, dann hat er Michael Schumachers Rekord (68) eingeholt. Qualifikationsschnellster, Rennsieger, immer in Führung und die schnellste Runde gefahren - das war der Grand Slam für Hamilton. Selten hatte ein Fahrer in dieser Saison ein Wochenende so unter Kontrolle, er konnte nach Belieben eine Sekunde schneller sein als die Konkurrenz. Hammer-Time nennt sich das Phänomen. Und es war eine Revanche an allen Kritikern, die ihm die Beachparty zur Wochenmitte in Mykonos übel genommen hatten. "Ich denke", sagte der Sieger mit einem entsprechenden Grinsen, "dass es keinen Grund gibt, meine Vorbereitungen in Frage zu stellen." Nicht wirklich.

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Valtteri Bottas

F1 Grand Prix of Great Britain

Quelle: Getty Images

Er ist zweiter Sieger, aber dennoch der erfolgreichste Fahrer der letzten fünf Rennen. Nach einem Getriebewechsel auf Rang neun zurückgestuft, kämpfte er sich diesmal klug nach vorn, trotz härterer Reifen als die Konkurrenz. Als er dann mit frischen, superweichen Pneus unterwegs war, fuhr er weiter klug, aber noch kämpferischer. Er drängte erst Sebastian Vettel in einen Fehler, vielleicht dadurch auch in den Reifenschaden. Und seinen Landsmann Kimi Räikkönen setzte er ebenfalls bis zum Schluss unter Druck. Der Lohn ist der zweite Doppelerfolg des Jahres. Außerdem macht er es Mercedes immer schwerer, ihn nach dem Bewährungsjahr nicht für eine weitere Saison zu verpflichten. In der Sommerpause, sagt der 27-Jährige, werde man darüber sprechen. Solange setzt er auf das Ausdrucksvermögen seines rechten Fußes.

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Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Great Britain

Quelle: Getty Images

Glücklich nach einem siebten Platz? Das aus dem Mund des Heppenheimers, dem immer noch amtierenden Weltmeister des Ehrgeizes, zu hören - entweder purer Hohn oder eine Überraschung. Tatsächlich aber hat er es gesagt, nach der minimalen Schadensbegrenzung von Silverstone. Dort wandelte sich am Ende ein ohnehin schon sparsamer vierter Platz zum siebten, nach einem Reifenplatzer in der vorletzten Runde. Die WM-Führung hält der Ferrari-Pilot noch mit einem Pünktchen. Weshalb sich das "glücklich" auch nur darauf bezieht, überhaupt die Zielflagge gesehen zu haben. Womit wir beim Unglück sind, das er beim Exklusivausrüster Pirelli sieht, und nicht bei einer Überbeanspruchung während seiner vergeblichen Abwehrmanöver gegen Valtteri Bottas. "Ich wüsste auch gern, wie es dazu kommen konnte. Der hätte locker halten müssen, das war keine Sternstunde für die Reifen." Aber eine für Mercedes.

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Nico Hülkenberg

F1 Grand Prix of Great Britain

Quelle: Getty Images

Er gehört zu den stillen Piloten, auch wenn sich in diesem Jahr extra eine große Hamburger Werbeagentur um das Image des deutschen Renault-Fahrers kümmert. Die Franzosen haben den 29-Jährigen geholt, weil sie seine Erfahrung schätzen, und ihn für ebenso entwicklungsfähig wie ihr Auto halten. In Silverstone kam "Hulk" zum fünften Mal in dieser Saison in die Punkte, und ohne den ihm zunächst unerklärlichen Power-Verlust während der letzten Runden wäre noch eine bessere Platzierung drin gewesen. "Aber wir waren generell schnell, das ist eine gute Nachricht", sagte der WM-Zehnte. Das kann sein britischer Teamkollege Jolyon Palmer nicht bestätigen - er schied schon in der Einführungsrunde aus. Nach Rennende machten die Renault-Techniker ein Leck am Auspuff als Verursacher des Kraftschwundes aus. "Trotzdem sind wir glücklich mit dem Ergebnis", beteuerte Hülkenberg.

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Die Toro Rossos

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Quelle: AP

Jungbullen werden die Fahrer bei Toro Rosso genannt, weil das italienische Team der Talentschuppen des Getränkekonzerns Red Bull ist. Die Hörner haben sich Daniil Kwjat und Carlos Sainz junior gleich in der ersten Runde abgestoßen, vielleicht weil beide ähnlich frustriert sind. Der Russe, weil er im A-Team wegen Max Verstappen ausgemustert wurde; der Spanier, weil er nicht ins A-Team kommen kann. Er soll, so heißt es, vielleicht schon im nächsten Grand Prix an Renault abgegeben werden. Kwjat wurde von den Rennkommissaren die Schuld für den peinlichen Crash der beiden Teamkollegen nach dem Start gegeben, der eine Safety-Car-Phase auslöste. Durchfahrtsstrafe, letzter Platz mit einem lädierten Auto - und auch noch zwei weitere Strafpunkte in der Sünderkartei. Das Team kommt jetzt schon auf neun (von zwölf erlaubten) Punkten. "Machen wir hier Motorsport oder Ballett?", fragte Kwjat ketzerisch.

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Vijay Mallya

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Quelle: AFP

Großbritannien darf der Teamchef von Force India mangels Reisepass nicht mehr verlassen. In seiner Heimat Indien liegen mehrere Haftbefehle gegen ihn vor, er befindet sich im Rechtsstreit mit mehreren Banken in Indien. Der Unternehmer schuldet den Geldhäusern laut deren Angaben mehr als 1,3 Milliarden Euro. Im April 2016 hatte das indische Außenministerium seinen Ausweis für ungültig erklärt. Wie gut, dass zumindest in den kommenden beiden Jahren noch ein Großer Preis in Silverstone auf dem Programm steht. Mallya hat einen kurzen Weg, sein Teamhauptquartier liegt gegenüber der Rennstrecke. Und wenn es schon mit den Behörden in seinem Heimatland nicht so richtig läuft, dann wenigstens auf der Piste. Platz acht und neun für Esteban Ocon und Sergio Perez bestätigen den starken Aufwärtstrend des Mercedes-Kundenrennstalls, der sich auf dem vierten Platz der Konstrukteurs-WM eingeigelt hat. Beachtlich, mit einem Budget, das nicht in einer dreistelligen Millionenhöhe liegt.

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Die Briten

F1 Grand Prix of Great Britain

Quelle: Getty Images

Der Regenschauer, der das Wochenende endgültig zum bisherigen Saisonhöhepunkt der Formel 1 gemacht hätte, stellte sich eine Viertelstunde nach Rennende ein. Aber man kann eben nicht alles haben. Die Rekordkulisse von 344 500 Zuschauern über das ganze Wochenende zeugt davon, dass Großbritannien tatsächlich noch das Epizentrum der Königsklasse ist - obwohl die Zukunft des Silverstone Circuit ungewiss ist. Dem British Racing Drivers Club geht das Geld aus, dafür haben die Fans einen Überschuss an Enthusiasmus. Lewis Hamilton hat während der Fahrt die Zuschauer in Kurve drei aufschreien hören und in Kurve sieben aufstehen sehen. "Das ging 51 Runden lang so", stellte der Sieger fest. Das passiere nur auf Rennstrecken, die selbst Charakter besitzen: "Aber so etwas wird heute nicht mehr gebaut." Ein Plädoyer gegen die Hoffnung Londons auf einen City-Grand-Prix.

© SZ.de/chge/liv
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