Sicherheitsgipfel im deutschen Fußball:Fans sind das Problem - und die Lösung

Gewiss, der Fußball hat ein Gewaltproblem. Doch mindestens ebenso groß ist das Gewaltbekämpfungsproblem. Wer einen Fangipfel ohne Fans veranstaltet, hat nicht verstanden, um wen es geht: Wenn Zuschauer ein zentraler Teil der Vorstellung sind, muss man sich auch mit ihnen unterhalten.

Boris Herrmann

Der Fußball hat ein Gewaltproblem. Das muss man gar nicht beschönigen, um trotzdem zu der Ansicht zu gelangen: Er hat ein mindestens ebenso großes Gewaltbekämpfungsproblem. Das liegt mal ausnahmsweise nicht an der Untätigkeit der Sportpolitik. Beraten und getagt wurde zuletzt ja genug in dieser Sache. Es gab Runde Tische, eine Task Force, eine Sicherheitskonferenz im April, und auf dem Weg zu einer Sicherheitskonferenz der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche fand am Dienstag in Berlin auch noch ein Sicherheitsgipfel statt. Knapp 90 Minuten lang gipfelte der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich mit Vertretern der Profivereine, um Maßnahmen zur "Befriedung" der Stadien zu beschließen. Und was ist beschlossen worden? Dass es so nicht weitergehen kann. Dass Pyrotechniker strenger bestraft werden sollen. Dass Prävention ganz wichtig ist. Und dass man ansonsten dringend mal ein paar Maßnahmenpakete beschließen müsste, vielleicht schon in der Winterpause.

Nicht dabei waren am Dienstag, wie so oft: die Fans. Die Vertreter der Fanprojekte, die Tag für Tag an den Bundesligastandorten die soziale Kleinarbeit leisten. Nicht dabei waren mithin die Leute, um die es geht. Damit ist schon fast alles gesagt, was man über den Sinn des Gipfels wissen muss. In Sachen öffentlichkeitswirksamer Symbolpolitik war er ein voller Erfolg, zu einem konstruktiven Dialog hatte er wenig beizutragen.

Bei einem solchen Dialog müsste es selbstredend um konkrete Fragen der Stadionordnung gehen: um das Verhältnis von Einzeltäterverfolgung und Kollektivstrafen. Um Stehen oder Sitzen. Vor allem müsste aber mal grundsätzlich geklärt werden, welche Art von Publikum sich der fernsehorientierte Event-Fußball eigentlich wünscht? Betrachtet er die regelmäßigen Kurvengänger und Auswärtsfahrer als Kunden - oder als mündige Mitspieler? Wenn der Fußball aber erkennt, dass seine aktiven Zuschauer nicht nur (mal stimmungsvolles, mal nerviges) Beiwerk sind, sondern auch ein zentraler Teil der Vorstellung, dann muss er sich auch mit ihnen unterhalten. Und zwar nicht nur ab und zu in einer Task Force, sondern regelmäßig. Die Fans mögen das Problem sein. Sie sind aber auch die Lösung.

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