Sesil Karatantcheva:Einmal Wunderkind und zurück

TENNIS WTA Tennis Damen Generali Ladies 2015 LINZ AUSTRIA 12 OCT 15 TENNIS WTA Tour Generali

Will wieder zurück in die Top 50: Sesil Karatantcheva.

(Foto: imago/GEPA)
  • Sesil Karatantcheva gilt als Teenager als kommende Top-Ten-Spielerin im Welttennis.
  • Mit 16 Jahren endet der märchenhafte Aufstiega jäh, der sie auf Platz 35 in der Welt geführt hat.
  • In der zweiten Tennis-Bundesliga sucht 28-Jährige beim TC Grün-Weiß Luitpoldpark nun nach ihrer Form von einst.

Von Matthias Schmid

Die Ameisen krabbelten auf die Schlägertasche von Sesil Karatantcheva. Erst langsam und vorsichtig, dann immer lebhafter und in größeren Einheiten, weil sie merkten, dass sich das große Ungetüm nicht fortbewegte, das am Fuße des kleinen Hügels den Weg versperrte. Der Hauptplatz auf der Tennisanlage des TC Grün-Weiß Luitpoldpark liegt im Grünen, Wiesen und ein kleines Wäldchen umgeben ihn.

Und hinter den Bänken, auf denen am Donnerstag beim Zweitliga-Saisonauftakt zwischen der Heimmannschaft und dem TC Blau-Weiß Dresden-Blasewitz, den Luitpoldpark 5:4 gewann, die Spielerinnen Platz nahmen, schufteten die Ameisen auch am Feiertag - Christi Himmelfahrt kennen sie nicht. Sie interessierte auch die Herkunft des Menschen nicht, dessen Sachen sie so akkurat bearbeiteten. Er kann reich oder arm sein, jung oder alt. Und sogar ein bisschen berühmt.

So wie Sesil Karatantcheva, zumindest ist sie das in der Tennisszene. Die 28-Jährige galt mal das große Versprechen, nicht nur in ihrer Heimat Bulgarien, sondern weltweit. Die amerikanische Trainerlegende Nick Bollettieri entdeckte sie bei einem Jugendturnier und förderte Karatantcheva mit elf Jahren in seinem Camp in Bradenton/Florida. Mit 14 gewann sie den Junioren-Titel bei den French Open in Paris, ein Jahr später schlug sie in Roland Garros bei den Erwachsenen in der dritten Runde die frühere Nummer eins Venus Williams, erst im Viertelfinale musste sich die 15-Jährige Elena Likhovtseva geschlagen geben.

Doping? Sie seit mit 15 schwanger gewesen, erzählt sie

Dass sie mal eine ziemlich gute Spielerin war, die Nummer 35 des weltweiten Rankings, kann man heute noch erkennen. Sie spielt mit Köpfchen, sie spielt mal flach und schnell, mal langsam mit viel Vorwärtsdrall. Karatantcheva kann ihre Gegnerinnen mit ihren Grundschlägen aus dem Feld treiben und direkte Punkte sowohl mit der Vor- als auch mit der Rückhand gewinnen. "Bravo" riefen die Zuschauer immer wieder, weil Karatantcheva auch das eine oder andere Mal mit einem wuchtigen Topspin-Volley die Ballwechsel abschloss.

Den ersten Satz gegen Alexandra Cadantu gewann sie mit 6:2. Ihre bewegende Vergangenheit kennt hier aber kaum jemand. Sogar die Verantwortlichen des TC Luitpoldpark wussten nichts davon, als sie sie für die Zweitligasaison unter Vertrag nahmen, dass ihr märchenhafter Aufstieg im Alter von 16 Jahren jäh endete - wegen einer zweijährigen Dopingsperre, weil in ihrem Urin ein viel zu hoher Wert des verbotenen anabolen Steroids Nandrolon gefunden worden war.

"Mit Paris verbinde ich meine schönsten und meine schlimmsten Erfahrungen"

"Ich bin unschuldig", sagt sie heute über die bleierne Zeit damals, die ihr ein gramzerfurchtes Herz bescherte, wie sie zugibt, "weil mich niemand richtig geschützt hat. Ich war doch noch so jung". Nach ihrer Viertelfinal-Teilnahme in Paris war das leistungsfördernde Mittel in ihrem Körper entdeckt worden. "Persönliche Dinge", wie sie sagt, seien ursächlich für den hohen Wert gewesen. Sie sei schwanger gewesen, wie sie erst nach einer Kunstpause verrät. Mit 15 Jahren. Wie die Forschung heute weiß, produziert der Körper selber Nandrolon, und im Falle einer Schwangerschaft steigt die Produktion ganz erheblich an. "Aber das hat niemand interessiert", sagt Karatantcheva, die gegen die Sperre geklagt hatte. Vergeblich, weil eine unabhängige Untersuchung keine Schwangerschaft bei ihr nachweisen konnte.

Sie erzählt das mittlerweile mit einem Lächeln. Sie hat abgeschlossen mit der Zeit. Als unkomplizierte und umgängliche Spielerin hat sie auch Luitpoldparks Teammanagerin Hildegard Jonasz kennen gelernt. Mit ihrem Ehemann, einem früheren bulgarischen Fußballprofi, lebt sie während der Spiele in einem Hotel. "Ich liebe es sehr, in einem Team zu spielen", sagt die Rechtshänderin. Gegen Dresden verlor sie am Ende die Partie noch im Match-Tiebreak des dritten Satzes, 6:2 und 5:2 hatte sie geführt und bei 5:3 sogar zwei Matchbälle vergeben. "Ich war heute zu nervös, um das Match für mich zu entscheiden", seufzte Karatantcheva, der in wichtigen Momenten ein paar Doppelfehler unterlaufen waren.

Sie will wieder unter die besten 50 der Welt kommen

Auch das Doppel verlor sie. Die Weltrangliste führt sie im Moment auf 199. Nach ihrer Dopingsperre hatte sie nie mehr zu der Form gefunden, die sie einst in ein Viertelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier getragen hat, viermal war sie noch in die Top 100 zurückgekehrt, aber nie für längere Zeit. Daran, die Tour für immer zu verlassen, verschwendete sie aber nie einen Gedanken. "Mir macht das Tennis viel zu viel Freude", sagt Karatantcheva.

Und sie hat noch Träume. Sie will wieder unter die besten 50 der Welt kommen. "Ich will mir das selbst beweisen, dass ich das schaffen kann und die Erfolge als Teenager kein Zufall waren." Vor allem in Paris, in Roland Garros, würde sie gerne noch einmal bei einem Major aufschlagen. "Mit Paris", sagt Sesil Karatantcheva am Ende fast leise, "verbinde ich meine schönsten und meine schlimmsten Erfahrungen." Danach wischte sie die Ameisen ganz vorsichtig von ihrer Tasche.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: