Serie: Der Glanz von einst (1):Schräg nach unten

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Von 1979 bis 1986 spielten die Ansbach Grizzlies in jedem Finale der deutschen American-Football-Meisterschaft mit, drei Mal holen sie den Titel. Der Grund für den Niedergang war die steigende Beliebtheit des Sports.

Von Sandra Mooshammer

Eigentlich, erzählt Erich Grau, hätten sie den Absturz ja schon viel früher erwartet: "1979 kamen wir ins Endspiel der deutschen Meisterschaft - und dann haben wir gesagt: Wahrscheinlich war's das." Aber Grau und seine Ansbach Grizzlies blieben erfolgreich, blieben in der Bundesliga. Bis der Absturz doch kam, etwas später als gedacht. Der dreimalige deutsche Meister des American Football versank, bis es ihn nicht mehr gab. Dann kam er zurück. Dann löste er sich erneut auf. Und jetzt spielt er wieder. Vierte Liga, aber immerhin.

Die Geschichte der Ansbacher begann mit zwei begeisterten Studenten. Ende der Siebzigerjahre zeigte das ZDF den Super Bowl, das Finale um die amerikanische Football-Meisterschaft. Und im Standort der US Army im Ansbacher Vorort Katterbach gab es eine High School, deren Football-Team gegen die besten Jugendteams Europas antrat. Erich Grau, damals Sportstudent in Erlangen, sah die Spiele, den Super Bowl, hatte zwei Footbälle aus Amerika mitgebracht - und bekam Lust auf die Sportart. Zusammen mit seinem Freund Uli Sorge veranstaltete er am 3. April 1979 einen Infoabend in Ansbach, seiner Heimatstadt. Heraus kamen die Grizzlies, eine Mannschaft aus 18 Deutschen und rund 15 Army-Soldaten, die sich freuten, fernab der Heimat Football spielen zu können.

Im selben Jahr entstand in Deutschland die erste Football-Liga - mit sechs Mannschaften. Ansbach war dabei. Auf Anhieb schafften die Grizzlies es ins Finale, bildeten sich aber nicht viel darauf ein. "Wir dachten, jetzt ist die Liga bekannt, jetzt kommen bezahlte Spieler, also werden wir in der nächsten Saison untergehen", erinnert sich Grau.

Zum ersten Spiel der neuen Saison fuhren die Ansbacher nach München. Sie gewannen 20:0. Am Ende standen sie erneut im Finale.

Große Zeiten in Schwarz-weiß: Eine Szene des Finalsiegs der Ansbacher 1985 gegen die Düsseldorf Panther. (Foto: imago)

Grau hatte von den Munich Cowboys gehört, dass sie in jeder Münchner Disco Zettel aufgehängt hatten, um Spieler zu finden. "Da hab' ich mich schon gefragt - warum in der Disco?" Die Grizzlies klebten ihre Zettel lieber in Sporthallen. Zu ihnen stießen mit der Zeit Bundesliga-Judoka, Kugelstoßer der deutschen Spitzenklasse oder Basketballer aus der ersten und zweiten Liga. "Und von der Kaserne kamen Amis mit dicken Ordnern unter dem Arm, voller Artikel über ihre Leistungen als Running Back in Amerika." Topsportler. Dank dieser Talente, raffinierter Spieltaktik und guter Jugendarbeit hielten sich die Ansbacher lange weit oben und überlebten auch drei größere Umbrüche in der Mannschaft.

Von 1979 bis 1986 spielten sie in jedem Finale der deutschen Meisterschaft mit - ein Rekord, den erst Braunschweig 2004 knacken konnte. Dreimal gewannen die Grizzlies in dieser Zeit den Titel. Sie brachten Bundestrainer und Nationalspieler hervor, darunter Erich Grau, Quarterback. Nach der dritten Meisterschaft 1985 folgte aber keine weitere. Zweimal kamen die Grizzlies noch ins Halbfinale, dann ins Viertelfinale, dann auf den fünften Platz. Es folgten Abstiege in die zweite, dritte, vierte Liga. "Da ging es stetig schräg nach unten", sagt der pensionierte Lehrer Grau.

Ein wichtiger Grund für den Ansbacher Niedergang war die steigende Beliebtheit des Football in Deutschland. In der Gegend entstanden mehr Vereine, in Nürnberg, in Würzburg, in Neustadt an der Aisch, und allmählich floss mehr Geld in den Sport. Spieler, die aus der weiteren Umgebung nach Ansbach gekommen waren, spielten dann lieber für ihre Heimatstadt - allein nach Neustadt gingen zehn. Andere, auch Jugendspieler, wechselten zu einem Verein, der ihnen Geld zahlte.

Ansbach konnte das nicht, sogar die Ausrüstung kauften die Spieler oft auf eigene Rechnung. Ein örtliches Basketballteam versammelte die meisten großen Firmen der Stadt als Sponsoren um sich und machte es anderen Klubs wie den Grizzlies schwer, an Geldgeber zu kommen. "Finanziell haben wir nie den Schritt ins Leichtprofessionelle gemacht", sagt Grau. Als die Erfolge weniger wurden, verließen Leistungsträger den Verein. Auch die Zahl der US-Amerikaner in Ansbach sank, als die Army nach und nach Streitkräfte abzog. Den Weggang so vieler Spieler verkrafteten die Grizzlies nicht. 1998 meldeten sie sich vom Spielbetrieb ab.

Es war nicht das Aus des ehemaligen Topklubs, aber gefangen hat er sich seither nur bedingt. Drei Jahre nach der Abmeldung fingen die Grizzlies von unten wieder an. Eine Weile lang sah es vielversprechend aus, das Team schaffte den Sprung in die viertklassige Bayernliga - 2008 folgte erneut ein Absturz. "Da kam es vor, dass an einem Spieltag nur 14 Mann bereit waren, auswärts zu spielen", sagt Andreas Chalupnik, ehemaliger Vereinsvorstand. Zu Spielbeginn müssen mindestens 22 Leute anwesend sein, je elf für Offensive und Defensive, normalerweise tritt kein Team mit weniger als 40 Spielern zu einer Partie an. Die Grizzlies meldeten sich erneut ab.

Sechs Jahre lang gab es in Ansbach wieder keinen Footballklub mehr, drei Versuche, neu anzufangen, scheiterten an zu wenigen Spielern. 2014 klappte es. Nach der langen Pause fingen die Grizzlies in der Aufbauliga an. Nach vier Siegen in vier Spielen stiegen sie direkt in die Landesliga Nord auf, schlossen diese als Zweiter ab und rutschten nach oben in die Bayernliga. Drei der besten Spieler zogen dann allerdings zum Studieren weg, ohne sie blieb Ansbach nur mit einem glücklichen Sieg in der Liga. "Das Ziel für die nächste Saison ist wieder Klassenerhalt", sagt Chalupnik. Immerhin: Mittlerweile ist die Männermannschaft 62 Mann stark, dazu kommen rund 50 Jugendliche. Eine erneute Abmeldung vom Spielbetrieb müssen die Grizzlies vorerst nicht befürchten. Aber dahin, wo sie einmal waren, werden sie wohl nie mehr kommen.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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