Serie A:"Silvio, verkauf endlich!"

Fußball Silvio Berlusconi seit 30 Jahren Präsident des AC Mailand RICCARDO MONTOLIVO BARBARA BERLU

Gute Miene, schlechtes Spiel: Klubpatron Silvio Berlusconi (Mitte) im Juni 2015 mit Neu-Trainer Sinisa Mihajlovic (re.), der jüngst entlassen wurde.

(Foto: imago)

Gestern Mr. Bee, heute Alibaba, morgen vielleicht Wanda: Berlusconi will - mal wieder - seinen AC Mailand veräußern.

Von Birgit Schönau

Gestern Mr. Bee, heute Alibaba, morgen vielleicht Wanda. Tatsache ist, dass Silvio Berlusconi nach 30 Jahren als Patron den AC Mailand verkaufen will. Seit Monaten gibt es Gerüchte um angebliche Interessenten, die von den italienischen Medien allesamt in Fernost vermutet werden. Genauer: in China, wo unter der Ägide der kommunistischen Partei Großkapitalisten wirken, gegen die der Unterhaltungsindustrielle und -künstler Berlusconi wie ein Waisenknabe wirkt. Die Chinesen, wird in Mailand behauptet, seien ganz wild auf den laut Eigendarstellung berühmtesten und erfolgreichsten Klub der westlichen Hemisphäre, weswegen sie, zumindest im übertragenen Sinne, beim Presidentissimo Schlange stünden. Umgekehrt ist es apart, dass der stramme Antikommunist Berlusconi sein liebstes Kind an die letzten beinharten Kommunisten abgeben will - gut, da wäre noch Nordkorea, aber die können nicht ernsthaft mitbieten. Noch nicht.

Auch für Lokalrivale Inter soll es Interessenten aus China geben

Der Preis der Associazione Calcio Milan dürfte dabei stündlich sinken, nachdem die nach dem Rauswurf des rabiaten Serben Sinisa Mihajlovic neuerdings von Cristian Brocchi trainierte Mannschaft standhaft jedes Indiz dafür verweigert, dass sie irgendwie noch zur Fußballelite von old Europe gehört. Vergangene Woche verlor Milan beim Absteiger Hellas Verona, um am Sonntag im heimatlichen Meazza-Stadion dem Tabellenvorletzten Frosinone erst nach verzweifelter Aufholjagd ein 3:3 abzuringen. Ein gewisser Mario Balotelli verschoss dabei einen Strafstoß und wird sich an den beiden verbleibenden Spieltagen nach Kräften daran beteiligen, von Platz sieben auf einen Rang zu krabbeln, der wenigstens die Qualifikation für die Europa League sichert - vorbei an US Sassuolo. Am 21. Mai folgt dann das Pokalfinale gegen Juventus Turin, und da hilft Balotelli und Co. vermutlich nur beten. "Silvio, verkauf endlich!" steht auf den Spruchbändern, die die letzten Fans in diesen Tagen ins Stadion tragen.

Berlusconi hatte bereits im vergangenen Jahr eine glorreiche Zukunft mit einem Geldsegen versprochen - garantiert von seinem Juniorpartner Bee Taechaubol aus Thailand. Mr. Bee, wie er in Italien der Einfachheit halber genannt wurde, war angeblich bereit, 500 Millionen Euro für einen Minderheitsanteil zu berappen. Man traf sich, man lächelte in die Kameras und trank Champagner, aber als es ernst wurde, ließ Mr. Bee sich dann lieber doch nicht mehr in Mailand blicken. Dafür trat vor ein paar Wochen Alibaba auf den Plan, der Elektro-Großkonzern des Chinesen Jack Ma, dem auch der Erfolgsklub FC Guangzhou Evergrande gehört. Luiz Felipe Scolari wirkt dort als Trainer, sein Vorgänger war der glücklose Fabio Cannavaro, als großer alter Mann aber gilt Marcello Lippi. Der Weltmeistercoach von 2006 holte mit Evergrande drei Meistertitel und einen Pokal der Champions League Asiens. Lippi soll den Deal um den AC Mailand eingefädelt haben, er dementiert, wie inzwischen alle gerüchtehalber Beteiligten. Außer Berlusconi, der mit dem Dementieren erst gar nicht anfängt.

Alibaba scheint schon wieder aus dem Rennen zu sein, vor der Tür stehen angeblich die Emissäre von Wang Jianlin, dessen Dalian-Wanda-Gruppe unter anderem den Sportrechtehändler Infront aufgekauft hat. Bei Infront arbeiten reihenweise alte Freunde aus Berlusconis Familienkonzern Fininvest, was neuerdings sogar das italienische Kartellamt auf den Plan gerufen hat. Signore Wang dürfte das nicht mehr als ein Achselzucken abringen, ebenso wie der kolportierte Kaufwert von 720 Millionen Euro für einen Mehrheitsanteil von 70 Prozent. Also knapp dreimal soviel, wie Massimo Moratti im Herbst 2013 kassierte, als er einen gleich großen Anteil von Inter Mailand an den Indonesier Erick Thohir abgab. Moratti will mittlerweile ganz aussteigen und Thohir sucht nach Investoren für den Klub. Angeblich stammen die Interessenten für die Internazionale ebenfalls aus China.

Schwer zu sagen, welches Gerücht sich bewahrheiten könnte und welcher der beiden Klubs zuerst verkauft wird. Beide sind hoch verschuldet, beide sind von der europäischen Bühne verschwunden und laufen der nationalen Konkurrenz hinterher. Inter hat die Champions League schon wieder verpasst, der Klub dürfte aber immerhin einen Platz in der Europa League erringen. Am Sonntag verlor die Mannschaft von Roberto Mancini 0:2 bei Lazio Rom. Dort wird übrigens auch ein Investor gesucht. "Gibt es keine Chinesen für Lazio?" barmte der Corriere dello Sport auf seiner Titelseite. Aber so weit ist es offenbar noch nicht.

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