Serie A:Pfiffe gegen Italien

Der römische Rechnungshof verklagt Schiedsrichter wegen Rufschädigung auf 120 Millionen Schadenersatz. Strippenzieher Moggi ist dagegen bester Laune.

Birgit Schönau

Fast drei Jahre nach dem Manipulationsskandal um den ehemaligen Juventus-Turin-Manager Luciano Moggi und die offensichtlich von ihm dirigierten Verbandsfunktionäre und Schiedsrichter fangen die rekordverdächtig langsamen Mühlen der italienischen Justiz tatsächlich an zu mahlen. Eine Reihe von Prozessen überzieht das Land, der kurioseste steigt ab Montag in Rom.

Serie A: Alte Serie A, neue Serie A: David Beckham (Bild unten, Mitte) gab am Sonntag sein Debüt für den AC Mailand beim 2:2 in Rom. Dagegen findet sich Luciano Moggi, mutmaßlicher Strippenzieher des Schiedsrichterskandals 2006 vor Gericht wieder.

Alte Serie A, neue Serie A: David Beckham (Bild unten, Mitte) gab am Sonntag sein Debüt für den AC Mailand beim 2:2 in Rom. Dagegen findet sich Luciano Moggi, mutmaßlicher Strippenzieher des Schiedsrichterskandals 2006 vor Gericht wieder.

(Foto: Fotos: dpa/Reuters)

Da hat der Rechnungshof der Republik Italien 18 Referees und Sportfunktionäre auf Schadensersatz verklagt, weil sie in Ausübung eines öffentlichen Amtes dem Ansehen Italiens geschadet hätten. Nicht einmal der WM-Titel von 2006 habe den guten Ruf des Landes und seines Fußballs wieder herstellen können, heißt es in der Klageschrift: "Das beweist der Ausschluss Italiens bei der Vergabe der Europameisterschaft 2012." Oder gibt es einen anderen, einleuchtenden Grund dafür, dass Italien ausgerechnet Polen und der Ukraine unterlegen ist? Eben.

Für diese Schmach, den Zuschauerrückgang, die "Schwierigkeiten, nach dem Skandal überhaupt die neue Saison zu planen", die Verzögerungen bei dem nachfolgenden Saisonstart und den Kundenboykott beim Fußballtoto sollen die Schiedsrichter und ihre Betreuer jetzt zahlen. Der Rechnungshof verlangt die runde Summe von 120 Millionen Euro.

Nun ist einerseits das Ansehen Italiens natürlich viel, viel mehr wert. Andererseits fallen einem spontan eine ganze Reihe von Leuten ein, die Italien in der Welt mindestens so sehr runtergeputzt haben wie das verdrucksten Gestammel des gefügigen Schiedsrichters Massimo De Santis am Telefon mit Luciano Moggi. Und wenn der Rechnungshof alle diese anderen Herren - plus einige Damen - zur Kasse bitten würde, wären zumindest die Renten in der Repubblica Italiana auf Jahre sicher.

Aber darum geht es nicht. Es wird interessant sein zu verfolgen, ob die Richter sich der Argumentation des Rechnungshofes anschließen, Fußball-Schiedsrichter seien Amtsträger, also eine Art verlängerter Arm des Staates und als solche keinesfalls gewöhnliche Taschendiebe. Das nämlich ist die Gretchenfrage dieses Schadensersatz-Prozesses.

Luciano Moggi, der den italienischen Staat nie und in keiner Form vertreten hat, am wenigsten auf einem Fußballplatz, wird aus ersichtlichen Gründen von niemandem um Schmerzensgeld gebeten. Er hat von einem anderen römischen Gericht vergangene Woche ein erstes Urteil kassiert. Es setzte eine Haftstrafe von 18 Monaten wegen Nötigung. Moggis Sohn Alessandro bekam 14 Monate, Davide Lippi, der Spross von Nationaltrainer Marcello Lippi, wurde freigesprochen.

Pfiffe gegen Italien

In dem Verfahren ging es um die Machenschaften der von Moggi junior geleiteten Spieleragentur GEA. Nach Ansicht der Anklage eine kriminelle Vereinigung, die den Markt mit unlauteren Mitteln manipulierte und beherrschte. Dieser Ansicht mochte das Gericht aber nicht folgen. Die Richter befanden nur, dass die beiden Moggis Kunden und Konkurrenz gehörig und mehr als einmal bedroht und genötigt hätten.

Alessandro Moggi wurde in diesem Prozess von Giulia Bongiorno verteidigt, einer Abgeordneten der mit Berlusconi verbündeten Rechtskonservativen. Bongiorno, die als Rechtsanwältin von Giulio Andreotti in dessen Mafia-Prozessen reich und berühmt wurde, ist heute Vorsitzende des parlamentarischen Justizausschusses.

So fügt sich eins zum anderen - und es ist nicht weiter verwunderlich, dass Luciano Moggi nach dem Urteilsspruch wörtlich verkündete, in der Berufung rechne er "mit einem Golden Goal". Mit Freispruch also. Über die 18 Monate zuckte er noch nicht mal mit der Wimper. Schließlich bedeutet Haftstrafe in Italien nicht unbedingt Ansehensverlust und noch lange nicht Haft. Wer über 70 ist, muss sowieso nicht mehr ins Gefängnis, da ist Lucky Luciano schon heute aus dem Schneider.

Auf Moggi wartet ohnehin ein anderer, weitaus komplizierterer Prozess. Wegen seiner Mauscheleien als Generaldirektor war Juventus Turin vom ungleich schnelleren Sportgericht bereits 2006 zweier Meistertitel verlustig gegangen und in die zweite Liga zwangsrelegiert worden. Die Drahtzieher des großen Spieleverschiebens müssen sich aber erst ab dem 20. Januar in Neapel (Moggi ist dort ansässig) vor dem Strafgericht verantworten. Drei bis fünf Jahre wird dieser Prozess dauern, bei der Urteilsverkündung werden die Anklagepunkte von Betrug über Bestechung bis Nötigung höchstwahrscheinlich verjährt sein.

Bezahlen also am Ende nur die Schiedsrichter? Möglich. Die neue Klubführung von Juventus ließ sogar verlauten, im Falle eines Freispruchs von Herrn Moggi wolle man die verlorenen Meistertitel von 2005 und 2006 wieder für sich beantragen. Das aber rief die Sportrichter auf den Plan, die sofort erklärten, Sportjustiz und Strafjustiz hätten nichts miteinander zu tun. Im Sommer 2006, als sie über Juventus zu Gericht saßen, konsumierten die Sportrichter übrigens für 794 Euro Zeitungen. Und für 33.240 Euro "Erfrischungen", berichtete La Repubblica. Aber das ist wirklich nur eine Fußnote im Skandal.

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