Serie A:Auf Pantoffeln zur Dame

Football Soccer - Juventus v AS Roma - Italian Serie A

Pummelchens Rache: Der Siegtreffer gegen den AS Rom, an Antonio Rüdiger vorbei, war das zehnte Saisontor von Gonzalo Higuain (Mitte).

(Foto: Tony Gentile/REUTERS)

Juventus Turin gewinnt in der italienischen Liga das Spitzenduell gegen den AS Rom 1:0 und sichert sich mit dem Sieg vorzeitig Platz eins nach der Vorrunde. Turin krönt damit ein Jahr voller Rekorde - und erkämpft 100 Punkte.

Von Birgit Schönau, Rom

Luciano Spalletti hatte sich eine Menge vorgenommen, bevor der Trainer mit seinem AS Rom die Reise zum Spitzenspiel gegen Juventus Turin antrat: "Bis zur 50. Minute nicht leiden." Das hat dann aber leider nicht geklappt. Die Römer litten durch die erste Halbzeit, kassierten in der 14. Minute ein genial herausgespieltes Tor von Gonzalo Higuain und verließen das Stadion nicht nur geschlagen, sondern "in ganz schlechtem Zustand", wie ihr Coach gestand. Dieser Zustand, der einen packt, wenn man erkennen muss, dass gegen die Juve kein Kraut gewachsen ist. Dass man vielleicht auf ewige Zeiten auf den zweiten Platz verdammt ist. Von dort war die Roma gestartet, dort ist sie geblieben, nur dass der Abstand jetzt sieben Punkte beträgt.

Die Konstellation gab es häufig in den vergangenen Jahren, die Turiner streben den sechsten Meistertitel in Serie an. "Die Konkurrenz verkriecht sich, wenn wir kommen", hatte Kapitän Gianluigi Buffon vor Wochen gelästert und dafür landesweit große Empörung ausgelöst.

Verkriechen, von wegen! Was erlauben Buffon? Man gibt schließlich alles! Womöglich zur Buße, vielleicht aber auch, um die Gegner vollends aus dem Konzept zu bringen, ließ der Torwart sich einen Schnurrbart wachsen, mit dem er aussieht wie ein aus der Zeit gefallener sizilianischer Dorfpolizist. Mit dem Effekt, dass zumindest die Roma Buffon weitgehend in Ruhe ließ. Einzig der Argentinier Diego Perotti prüfte ihn ein wenig, mit einem weichen Ball, für den das Italienische die zärtliche Bezeichnung pantofolata kennt - Pantoffeltritt.

Auf Pantoffeln zur Alten Dame, das war keine gute Idee. "Physisch sind das Tiere", beschrieb Spalletti die Sieger, es war anerkennend gemeint: "Wir können einfach nicht kämpfen wie die." Es half auch nicht, dass die Roma nach der Pause die Hausschuhe gegen Stiefel tauschte, im Gegenteil - die Mannschaft erarbeitete sich 60 Prozent Ballbesitz, ohne davon profitieren zu können. Gegen Juve fehlte ihr ewiger Kapitän und Anführer Francesco Totti; der 40-Jährige kommt in seinem mutmaßlich letzten aktiven Jahr nur noch selten zum Einsatz. Daniele De Rossi, der nun auch schon 33 Jahre alte "Kapitän der Zukunft", zeigte als Tottis Prinz Charles wieder einmal, dass ihn Welten vom alternden Regenten trennen. Von Higuain ließ De Rossi sich mühelos austricksen. So blieb Torhüter Wojciech Szczesny der beste Roma-Mann, er verhinderte kurz vor Schluss mit einer Parade gegen Stefano Sturaro Schlimmeres. Wobei man natürlich darüber streiten kann, ob ein minimales 1:0, das dann in alter Juve-Manier über lange Strecken beinhart verteidigt wird, nicht demütigender ist als ein umkämpftes 3:2.

Juventus hat sich vorzeitig Platz eins nach der Vorrunde gesichert, nach einem Jahr der Rekorde. 100 Punkte in 2016, und es wird vor Weihnachten ja noch einmal gespielt, bevor sich die Konkurrenz über die Feiertage die Wunden lecken kann. Neben dem AS Rom sind das der AC Mailand und der SSC Neapel. Der Klub aus dem Süden, im vergangenen Jahr noch "Wintermeister", hinkt elf Punkte hinterher, was vor allem daran liegt, dass Higuain jetzt bei Juventus spielt - wie auch der ehemalige Römer Miralem Pjanic, ein Meister des Pantoffelfußballs. Für Napoli hatte Higuain in der vorigen Saison 36 Tore geschossen, für Juve sind es bislang zehn. Es sind wichtige Treffer dabei, gegen sein früheres Team und nun gegen die Roma. Higuain hält dem Titelverteidiger die Rivalen vom Leib.

Jene Lästerzungen, die Juves beeindruckende Transferzahlung von 90 Millionen Euro als hinausgeworfenes Geld verspotteten und den nicht ganz schlanken Argentinier als Pummelchen verhöhnten, sind inzwischen verstummt. Wenn es zunächst so zu sein schien, als sei Higuain für den neuen Arbeitgeber vor allem eine teure Trophäe, so beweist der 29-Jährige neuerdings Kreativität und Beweglichkeit, die ihn für seinen Trainer Massimiliano Allegri zusehends unverzichtbar werden lassen. Gegen alle Prognosen scheint sich Higuain blendend mit seinem neuen Angriffspartner Mario Mandzukic zu verstehen. Der frühere Wolfsburger ist klug genug, dem talentierten Kollegen den Vortritt zu lassen, und solide genug, sich notfalls allein durchzusetzen. Unterstützt wird das Duo von Paulo Dybala - der begabte Pantoffelheld erfindet für den älteren Landsmann Higuain die ausgefallensten Zuspiele. Auch nach dem Wegzug von Paul Pogba bleibt Allegris Team also eine Mixtur aus Feinpinslern, Mittelfeld-Wasserträgern und routinierten Abwehrmännern, die in Italien so gut wie konkurrenzlos ist.

In der Champions League, wo Juventus immerhin als Gruppenerster ins Achtelfinale startet, sieht die Welt natürlich anders aus, auch wenn der FC Porto in der nächsten Runde noch kein Angstgegner ist. Massimiliano Allegri kann also ziemlich beruhigt das nächste Saisonziel anpeilen: das Match um den Ligapokal gegen den AC Mailand in Katar. Am 23. Dezember wartet das nächste Weihnachtsgeschenk auf den Wintermeister.

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