Fifa und der DFB:Als Blatter ums Überleben kämpfte

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Lass es Falschgeld regnen: Sepp Blatter wurde im Juli in Zürich beworfen

(Foto: AFP)
  • Wohin in der Fifa flossen die Millionen Euro von den Deutschen?
  • Sepp Blatter befand sich damals in einem schmutzigen Wahlkampf - und im Finanzkomitee wirkten dubiose Figuren.

Von Thomas Kistner

Im Januar 2002, als der 6,7-Millionen-Euro-Vorschuss der deutschen WM-Organisatoren an den Fußball-Weltverband ausgehandelt worden sein soll, ging Sepp Blatter in das größte Krisenjahr seiner Karriere (sieht man von der aktuellen Krise ab). 2001 war die Haus-Agentur der Fifa, die ISL, bankrott gegangen. Nun liefen Strafermittlungen zu der Pleite und drohten zutage zu fördern, dass Blatter von Millionen-Schmiergeldern gewusst hatte, welche die Sportrechtefirma an Funktionäre ausgeschüttet hatte.

Und im Sommer 2002, bei der Präsidentenwahl kurz vor der WM in Japan und Südkorea, wollte ihn Issa Hayatou herausfordern; Afrikas Verbandschef (derzeit, wegen Blatters Suspendierung, Fifa-Interimspräsident) hatte damals die Unterstützung der Europa-Union Uefa. Überdies rückte Blatter der halbe Fifa-Vorstand zu Leibe, die Opposition unter Uefa-Chef Lennart Johansson hatte mithilfe des damaligen Fifa-Generalsekretärs Michel Zen-Ruffinen Ungereimtheiten in den Büchern und im Finanzgebaren der Fifa entdeckt und erstattete sogar Strafanzeige.

Es herrschte Krieg

Raue Zeiten, Blatter kämpfte ums Überleben. Hayatou hatte das Gros der 50 Wählerstimmen aus Afrika im Rücken. Denn Blatter hatte nicht geliefert, was er vier Jahre zuvor bei seiner Inthronisierung versprochen hatte: die WM 2006 nach Afrika zu bringen; bei der Abstimmung im Juli 2000 in Zürich hatte vielmehr Deutschland die Nase vorn, denkwürdig knapp mit 12:11 Stimmen. Vor der letzten Wahlrunde hatte der Neuseeländer Charles Dempsey den Raum verlassen, statt - wie ihm aus der Heimat aufgetragen - für Südafrika zu stimmen. Damit verhinderte er eine 12:12-Pattsituation, in der Blatters Präsidentenstimme doppelt gezählt und Südafrika den Sieg gebracht hätte.

Nun hatte der Präsident eine Rechnung mit den Deutschen offen. Und er brauchte Voten, aus Afrika und sonstwo her. Im Fifa-Haus schaute ihm der abtrünnige Zen-Ruffinen genau auf die Finger: Laut Fifa-Reglement ist es dem Amtsinhaber verboten, im Wahlkampf Mittel oder Personal der Fifa für sich einzusetzen. "Der Generalsekretär soll arbeiten statt FBI zu spielen!", wetterte Blatter. Es tobte Krieg: Hier Europa und Afrika, einige Asiaten - dort Blatter und seine Erzgetreuen, die wussten, dass sie mit ihm untergehen würden: Julio Grondona aus Argentinien, ewiger Chef des Fifa-Finanzkomitees, genannt "Don Julio". Sein Stellvertreter: Jack Warner, Skandalnudel aus Trinidad & Tobago. Und noch ein Dritter saß in dem Finanzgremium, einer, der nun in den Fokus rückt: der Katarer Bin Hammam, damals starker Mann im Asien-Verband.

Gegen "Don Julio" wird noch nach seinem Tod ermittelt

In diese aufreibende Zeit fiel also - so lautet die Darstellung von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach - das wegweisende Vier-Augen-Gespräch, das Franz Beckenbauer als Chef des WM-Organisationskomitees mit Blatter geführt haben soll, um Einigkeit zu erzielen über eine millionenschwere WM-Beihilfe der Fifa an die deutschen WM-Organisatoren. Und wenn im Weiteren, wie ebenfalls behauptet, mit dem Finanzkomitee über den deutschen Vorschuss verhandelt worden sein soll, dann wurde das Gremium durch Warner, Bin Hammam und "Don Julio" präsentiert - den Mann, dessen Millionendeals der Bundesanwalt in Buenos Aires noch heute nachgeht, obwohl Grondona 2014 starb.

Niersbach zufolge müssten Beckenbauer und Co. aus ihren Gesprächen mit diesen Fifa-Leuten zwei Erkenntnisse gewonnen haben: Sie mussten zehn Millionen Franken, seinerzeit rund 6,7 Millionen Euro, für das Fifa-Finanzkomitee besorgen, die dort (laut heutiger Angaben der Fifa) weder hingehören noch angekommen sein sollen. Und sie mussten diese 6,7 Millionen offenkundig unter starkem Druck besorgen - und deshalb so diskret, dass es keiner im WM-OK mitbekam, der die Usancen in Blatters Fifa nicht kennt. Warum sonst sollte Beckenbauer sogar an sein eigenes Konto gedacht haben - statt den OK-Schatzmeister einfach zur nächsten Bank zu schicken, zwecks Kreditaufnahme? Warum sonst hätte man schließlich auf Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus als privaten Darlehensgeber kommen sollen?

Wohin das angebliche Louis-Dreyfus- Darlehen 2002 tatsächlich floss, ist völlig unklar. Klar ist, dass die Ungereimtheiten damit nicht zu Ende waren, sondern weitergingen, als 2005 die Rückzahlung der Millionen an Louis-Dreyfus anstand.

Warum nahmen Fifa und WM-OK 2005 das enorme Risiko auf sich, den Millionen-Geldfluss an Louis-Dreyfus aus dem politisch hochkarätig beaufsichtigten Organisationskomitee über die Konten des Weltverbandes laufen zu lassen? Warum zog die Fifa das Geld nicht einfach von jenen 170 Millionen Euro ab, die sie dem OK ja ohnehin auszahlte, als besagten Organisationszuschuss? Das hätte den Deutschen all die Probleme erspart, die nun auffliegen. Und Blatters Fifa hätte nur eine Innen-Verrechnung von Beträgen vorgenommen - so, wie sie es übrigens wenig später in einem anderen Fall tat. Mit weit größerem Risiko.

Auch Südafrika musste zahlen: 10 Millionen für die Karibik

Die Parallelen sind ja nicht zu leugnen. Im Jahr 2004 wurde Südafrika die WM 2010 zugesprochen, und anno 2008 zahlten die Organisatoren am Kap plötzlich zehn Millionen Dollar an Jack Warners Verband; angeblich als Entwicklungshilfe für die afrikanische Diaspora in der Karibik. Die US-Justiz stuft diese Zahlung inzwischen als korrupt ein und ermittelt - zumal die Fifa selbst es war, die das Geld in die Karibik geleitet hatte. Sie hatte den Betrag einfach vom Budget für die WM-Organisatoren abgezogen und gar nicht erst nach Südafrika überwiesen; auf ausdrücklichen Wunsch der Veranstalter.

Wohin flossen die Dreyfus-Millionen in Blatters Wahl- und Krisenjahr 2002? An Individuen? Fifa-Leute - oder Deutsche? An Bin Hammam, wie es Theo Zwanziger gehört haben will, und dann weiter an Wahlmänner in Asien? Oder in ein stilles Wahlkampfbudget? Die Fifa und auch damalige Spitzenleute des Weltverbandes sagen heute, sie wüssten es nicht. Weil zugleich die Version von Beckenbauer und Niersbach darlegt, dass diese Gelder allerhöchster Diskretion bedurften, lässt sich ihr Charakter erahnen. Man nennt das schwarze Kasse. Bloß dass diese Kasse womöglich nicht beim DFB, sondern bei der Fifa zu suchen wäre.

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