Sepp Blatter:Kein Fuß auf amerikanischen Boden

Sepp Blatter: Will Ende Mai als Fifa-Präsident wiedergewählt werden und zieht deshalb mal wieder weltweit Strippen: der Schweizer Sepp Blatter, 79.

Will Ende Mai als Fifa-Präsident wiedergewählt werden und zieht deshalb mal wieder weltweit Strippen: der Schweizer Sepp Blatter, 79.

(Foto: Ennio Leanza/AP)

Seit 2011 meidet Sepp Blatter die Vereinigten Staaten von Amerika - aus Angst vor dem FBI? Der Fifa-Chef verneint. Allerdings laufen seit jenem Jahr in den USA Ermittlungen gegen enge Vertraute.

Von Thomas Kistner

Das Gerücht ging seit langem um, und mit jedem Monat, der verging, ohne dass der rastlose Weltreisende Sepp Blatter amerikanischen Boden berührte, verdichtete es sich: Meidet der Chef des Fußball-Weltverbands Fifa die USA - weil ihn dort wissbegierige Mitarbeiter der Bundespolizei FBI empfangen könnten? Nun hat sich Blatter zu dieser Frage erstmals öffentlich erklärt. Im Zürcher Fifa-Hauptquartier legte er dar, jeder wisse doch, "dass in den USA Untersuchungen gegen ehemalige Fifa-Funktionäre" liefen, aber: "Da läuft nichts gegen mich."

Warum er das heikle Thema aufgriff? Es ist Wahlkampf, am 29. Mai will der 79-Jährige ein fünftes Mal zum Präsidenten gekürt werden. Die drei Herausforderer sind chancenlos in Blatters Fußball-Spezialdemokratie, in der er das Geld verteilt und jeder Zwergstaat dasselbe Votum hat wie der sieben Millionen Mitglieder starke DFB. Gefahr droht Blatter nur von außen. Die hat nun der Sportsender ESPN beleuchtet: In einem TV-Report heißt es, Blatter habe die Staaten seit 2011 nicht mehr aufgesucht, weil er befürchte, in den Sog von FBI-Untersuchung zu den WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar zu geraten.

Fakt ist, dass die US-Agenten seit 2011 den Geschäften und Verflechtungen zweier Figuren nachgehen, die viele Jahre im Fifa-Vorstand saßen und Blatters Macht absicherten. Bei Wahlen schusterten ihm Jack Warner und Chuck Blazer stets das 40-Stimmen-Paket des Nord- und Mittelamerika-Verbands Concacaf zu. Im Gegenzug durfte Concacaf-Chef Warner (Trinidad/Tobago) nach Gusto mit Fußballgeldern walten; er erwarb Sportimmobilien, die er für private Millionenprofite nutzte. Auch erhielt er - bis heute kein Fall für die Ethikkommission, an deren Spitze der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert sitzt - jahrzehntelang von Blatter die WM-TV-Rechte für die Karibik zugeschanzt, für Spottpreise. Kollege Blazer war Generalsekretär und Schatzmeister der Concacaf. Der Amerikaner, genannt "Mister zehn Prozent", schloss gern auch Marketingverträge mit sich selbst ab; Millionenbeträge wanderten aus den Verbandskassen auf Blazers karibische Offshore-Konten.

Solche Dinge interessieren das FBI. Warners Sohn und Finanzverwalter verbrachte bereits mehr als ein Jahr Hausarrest in Miami. Und Blazer hatte neben den Feds auch bald die Steuerfahndung IRS auf dem Hals. Undementierten Berichten zufolge hat er so umfänglich kooperiert, dass er sogar Spitzeldienste verrichtete. Am Rande der London-Spiele 2012 soll er ein Funktionärstreffen eingefädelt haben, das er fürs FBI aufzeichnete - über ein in einem Schlüsselanhänger verborgenes Mikro.

Weil die zwei (inzwischen aus dem Fußball entfernten) Fifa-Spitzen auch bei den WM-Vergaben an Russland und Katar mitwirkten, könnten sie in den Genuss von Schmiergeldzahlungen gelangt sein; sogar die Fifa ist ja der Frage nachgegangen, ob damals alles sauber ablief. Wiewohl das Ergebnis dieser Selbstuntersuchung sehr erwartbar war: Alles sauber. So sauber, dass der damalige Chefermittler, der Amerikaner Michael Garcia, entrüstet hinwarf.

Nicht auszuschließen ist auch, dass das FBI bei der Durchleuchtung der zwei früheren Fifa-Granden auf Sachverhalte stieß, zu denen es den Fifa-Boss gern selbst befrage würde, als Zeugen. Der Geschäftsfilz von Warner und Blazer hat die Schweiz womöglich nicht ausgespart: Wie alle Fifa-Vorstände verfügten sie auch dort über Bankkonten. Insofern wirkt die Darlegung der Fifa zur Sache wenig erhellend. Der Vorwurf, dass Blatter aus Angst vor einer FBI-Befragung nicht in die Staaten reise, sei unwahr, denn: "Die Fifa hat nie ein Ersuchen von amerikanischen Strafbehörden erhalten." Nur sind diese - und das FBI im Besonderen - nicht dafür bekannt, dass sie höflich anfragen, wenn sie Verhöre planen.

Blatter, heißt es vage, wolle die USA im Jahr 2016 besuchen. Aber man kann sich auch einen anderen Termin vormerken. Am 6. Juni beginnt die Frauen-WM in Kanada. Dort wird enge Rechtshilfe mit den USA gepflegt. Ein Fifa-Präsident darf bei der WM nicht fehlen.

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