Sejad Salihovic beim HSV:Ein Spieler für krumme Dinger

Sejad Salihovic

Wieder in der Bundesliga: Sejad Salihovic - 2014 im Hoffenheim-Trikot.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Von Jörg Marwedel, Hamburg

An seine Zeit in China denkt Sejad Salihovic, sagen wir mal, mit gemischten Gefühlen zurück. 2015 ist er nach neun Jahren im heimeligen Hoffenheim "wegen des Geldes", wie er zugibt, und auf Vermittlung des einstigen Wolfsburger Meisterspielers Zvjezdan Misimovic zu Guizouh Renhe gewechselt. Nach dem Abstieg zog der Klub nach Peking um. Er erinnert sich, wie er anfangs nur Reis und Eier gegessen habe; daran, dass man zuweilen nur mit Mundschutz auf die Straße gehen konnte und dass fast niemand Englisch sprach, weshalb man sich mit Händen und Füßen verständigen musste. Nach 16 Monaten war Schluss. Im Februar wechselte er mit 32 Jahren zum FC St. Gallen. Dreizehn Mal lief er für den Schweizer Erstligisten auf. Dann erinnerte sich der Bosnier, der mit seiner Familie im Alter von sieben Jahren wegen des Krieges nach Berlin übersiedelte, wieder an das kuschelige Hoffenheim.

Er durfte mittrainieren. Erst bei der zweiten Mannschaft, danach sogar wieder beim Bundesliga-Team mit Coach Julian Nagelsmann. Und weil er zunehmend fitter wurde (nach eigener Ansicht so fit wie seit Jahren nicht), erwog man sogar, ihm wieder einen Vertrag zu geben. Eine Forderung, die auch gefühlsduselige TSG-Fans im Internet verbreiteten, denn Salihovic hatte 2008 großen Anteil am Aufstieg in die erste Liga. Doch Nagelsmann hatte natürlich auch gesehen, dass das von Salihovic angeschlagene beschauliche Tempo nicht zu einer Mannschaft passt, die erstmals Europa aufmischen will.

Feiert er schon in Hannover sein Comeback? Immerhin schoss er gegen 96 fünf Tore

600 Kilometer weiter nördlich, nämlich in Hamburg, sah man das ganz anders. Beim HSV fallen gerade die offensiven Mittelfeldspieler Nicolai Müller, Filip Kostic und Aaron Hunt verletzungsbedingt etwas länger aus. Und weil hier Europa gerade kein Thema ist und man seinen Kader sehr stark eingedampft hatte, war der ablösefreie arbeitslose Freistoß-Spezialist, der mit einem stark leistungsbezogenen Vertrag bis Saisonende zufrieden war, nach Ansicht von Trainer Markus Gisdol und Sportchef Jens Todt die richtige Hilfe.

Erst am Montag hatte Todt erstmals Salihovic angerufen, es folgte ein Telefonat mit Gisdol - jenem Mann, der ihn in Hoffenheim betreute und ihm am Ende keinen Platz mehr in der TSG-Startelf reservierte. Gisdol weiß natürlich, welche besonderen Fähigkeiten sein früherer Schützling technisch hat. Zum Beispiel verwandelte er schon zehn Freistöße in der Bundesliga direkt, sagenhafte krumme Dinger. Spaßvögel sagen bereits, der Mann, der die Trikotnummer 23 als Nach-Nachfolger von Rafael van der Vaart übernimmt (die hatte er auch in Hoffenheim) könne ja nur für Freistöße und Elfmeter eingewechselt werden.

Auf jeden Fall sagt Todt, die Verpflichtung des 47-maligen bosnischen Nationalspielers widerspreche "nicht unserer Transferstrategie", weil oberstes Gebot nicht das Alter eines Spielers sei, sondern "ob wir von ihm restlos überzeugt sind". Man sei einig, "dass wir mit ihm Qualität und Erfahrung bekommen". Er sei ein Spieler, der laut Gisdol vielseitig einsetzbar sei: "auf der Sechs, auf der Zehn, sogar links hinten".

Salihovic hat jedenfalls nicht lange nachgedacht, am Mittwoch übte er erstmals mit seinen neuen Kollegen. "Wenn ein Verein wie der HSV anruft, muss man nicht lange überlegen", sagte er in der ersten Presserunde. Das Angebot sei für ihn "ein Glücksfall". Zumal Deutschland längst seine Heimat sei. Dass es auch skeptische Stimmen wegen seiner Verpflichtung gebe, könne er aber verstehen. Er habe ja lange nicht in Deutschland gespielt und werde sich vorerst hinten anstellen. Aber er hoffe schon, seinem neuen Team mit seiner Erfahrung nützlich zu sein.

Trainer Gisdol hat sich, wie er am Donnerstag mitteilte, noch nicht entschieden, ob der Zugang beim Nordderby in Hannover spielt, auf der Bank oder auf der Tribüne sitzt. Seine Vita spräche jedoch dafür, dass er dabei ist. Die 96er sind sein Lieblingsgegner. In zehn Bundesligaspielen hat er gegen die Niedersachsen schon fünf Tore erzielt.

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