Segeln:Zu Hause in allen Winden

Philipp Buhl

Um Philipp Buhl, Deutschlands derzeit größte Olympia-Hoffnung im Segeln, macht sich dessen Trainer keine Sorgen.

(Foto: Carsten Rehder/dpa)

Er erlebt gerade die bisher erfolgreichste Saison seiner Karriere: Philipp Buhl verdankt seine Silbermedaille bei der WM in Kanada auch einer neuen Gelassenheit.

Von Matthias Schmid

Philipp Buhl sehnt sich nach dem Rubihorn, auch der Grünten hat es ihm angetan. Doch die Gipfel der Allgäuer Alpen wird er erst im September wieder sehen können, wenn er zurückkehrt in seine Heimat, nach Berghofen. "Die Berglandschaft fehlt mir extrem", sagt Buhl. Die Wander- und Klettertouren. Hier im Oberallgäu ist Buhl, 25, aufgewachsen, ehe er vor sechs Jahren auszog, um von Kiel aus die Segelwelt zu erobern. Rund 250 Tage im Jahr verbringt er auf dem Wasser. Die Plackerei hätte ihm in dieser Woche fast den größten Erfolg der Karriere beschert, doch am Ende musste er sich bei der Weltmeisterschaft im kanadischen Kingston mit Platz zwei begnügen, zu Halbzeit hatte er das Klassement noch angeführt. "Der zweite Rang ist aber ein überragender Abschluss für mich", sagt Buhl. In der letzten Wettfahrt hatte er sich vom fünften auf den zweiten Platz katapultiert.

Dass ihm der Titel als erster Deutscher letztlich verwehrt geblieben ist, findet er deswegen nicht tragisch. "Ich bin dankbar für die Erfahrung", sagt Buhl. Er ist niemand, der lange über die verpasste Gelegenheit hadert, der beginnt an sich zu zweifeln. Er sieht die WM als weitere wertvolle Lektion auf dem Weg zum weltbesten Segler. Er ahnt, dass er die Chance wieder bekommen wird. Buhl ist Deutschlands Bester in der meistgesegelten olympischen Einhand-Disziplin Laser, er gilt als große deutsche Medaillenhoffnung für die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro. Dennoch sagt er fast ehrfürchtig: "Für einen WM-Titel würde ich sofort meine vier Weltcup-Siege eintauschen."

Buhl hat in seiner Karriere schon etliche Rennen angeführt, doch nie stand er bei seiner WM so unter Beobachtung. "In Führung liegend haben alle auf mich geschaut", sagt er. Mit dieser Bürde kam er nicht klar. Die WM ist der wichtigste Wettbewerb der Saison. "Es gibt nur diese eine Chance", sagt Buhl. Er hat die Anspannung unterschätzt, sie hat ihn verkrampfen lassen, "es war eine neue Situation für mich, an der ich aber wachsen werde".

Doch auch ohne WM-Sieg erlebt Buhl die bisher erfolgreichste Saison seiner Karriere - zwei Weltcups und eine weitere große Regatta hat gewonnen. "Ich weiß selber nicht, warum es so gut für mich läuft", sagt Buhl. Sportler sind im Erfolgsfall meist nicht daran interessiert, die Gründe zu hinterfragen. Sie wollen den Flow nicht gefährden. In Buhls Fall gibt es nachvollziehbare Ansätze. Seit er sein Fernstudium ruhen lässt und sich voll dem Sport widmen kann, gehört er zu den drei weltbesten Seglern. "Studium und Sport haben bei mir nie funktioniert", gibt Buhl zu. Er ist einer der größten Profiteure der Initiative "Sailing Team Germany". Audi und SAP unterstützen seit 2010 die besten Segler finanziell, ideell und technisch. "Seitdem muss ich mir keine Sorgen um einen Bankrott mehr machen", sagt Buhl. Segeln ist nicht nur ein aufwendiger, sondern auch ein teurer Sport, reich wird man davon nicht. Für seinen Weltcupsieg in Miami in diesem Jahr bekam Buhl nicht einen Cent, für den zweiten in Hyères 3000 Euro. Die regelmäßigen Einkünfte auch als Sportsoldat haben ihn gelassener gemacht, sie haben dazu geführt, dass er endlich so trainieren kann, wie er sich das in einer idealen Sportlerwelt schon lange vorgestellt hat. Vor der WM feilte er beispielsweise mit dem Ruderer Marcel Hacker in St. Moritz an seiner Fitness. Buhl ist vielleicht der beste Allrounder in seiner Klasse, er kann bei allen Winden gleich gut segeln. Die Guanabara-Bucht vor Rio gilt als Leichtwindrevier. Nach der EM in der nächsten Woche im dänischen Aarhus wird er sich nach Brasilien aufmachen, um dort die Bedingungen zu ergründen. Drei bis fünf Wochen dauert es, bis sein in einem Container verstautes Segelboot über den Seeweg ankommt. Der Große Alpsee daheim, in dem er als Wickelkind das erste Mal segelte, ist nur ein Kilometer breit.

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