Segeln:Zu Gast bei Rockstars

Eine kleine Sensation: Drei Kieler Brüder stehen im Finale des Youth America's Cup. Dabei fehlte ihnen zu Beginn gar das nötige Kleingeld.

Von Thomas Gröbner, Bermuda/München

Zwei Tage hatte Paul Kohlhoff bisher Zeit, um aufzufallen. Das ist kurz und ziemlich schwierig auf dem Korallenarchipel der Bermudas. Paul Kohlhoff ist an dem Ort, an dem der America's Cup gastiert, die größte Veranstaltung des Segelsports. Oder wie Kohlhoff sagt: Hier gastieren die "Rockstars des Segelsports". Der Deutsche aus Strande bei Kiel will sich gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Max und Johann auf dem britischen Überseegebiet Bermuda einen Namen machen, aufschließen zu den Großen. Der Weg der Kohlhoffs führt über den Nachwuchswettbewerb des teuersten Segelwettbewerbs der Welt, den Youth Cup. Nur mithilfe einer Crowdfunding-Aktion konnten sie das nötige Kleingeld, das eher ein kleines Vermögen ist, für die Teilnahme zusammenkratzen.

Paul Kohlhoff, der bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro 2016 im Nacra-17-Katamaran am Start war, betrachtet es als eine Investition in seine Zukunft, eine Abkürzung auf dem Weg zum Segelprofi. Dazu muss das Team Germany beim America's Youth Cup "liefern", wie Kohlhoff es nennt. "Wenn wir hier Letzter werden, hilft das auch nicht weiter."

Nach inzwischen sechs absolvierten Rennen steht fest: Für das deutsche Team geht das Abenteuer Bermuda weiter. Das Finale am 20. und 21. Juni wartet, dort treten die besten acht Mannschaften an. Dabei hatte Kohlhoff nach dem ersten Tag noch gezweifelt: "Wir sind zu gierig geworden", sagte er. Am Start flog das deutsche Team an der Konkurrenz vorbei, nach der Wende verließen sie aber ein ums andere Mal die Nerven.

Nur eine Woche Vorbereitung blieb dem deutschen Team vor dem Youth Cup

Trotzdem lagen die Brüder auf Platz drei. Gegen fünf andere Boote balgte sich das Team im Großen Sund vor Bermuda, und schaffte es tatsächlich noch auf Platz zwei. Ein Achtungserfolg, den die Kohlhoffs am zweiten Wettkampftag wiederholen konnten. "Wir haben einfach versucht, unsere konstant guten Starts aufrechtzuerhalten und auf unsere Instinkte zu vertrauen", sagt der 21-jährige Sportsoldat Kohlhoff.

Weil allerdings auch die Nachwuchsregatten beim America's Cup Technologie-Wettstreits sind, hat das deutsche Team nun einen großen Nachteil gegen die anderen Nachwuchsteams. Nur eine Woche Vorbereitung blieb dem deutschen Team vor dem Auftakt. Wenig, vielleicht zu wenig Zeit, um wirklich eine Chance zu haben. "Auf andere Regatten bereitet man sich Monate vor", sagt Paul Kohlhoff. Der Einzug ins Finale, den die Deutschen als Minimalziel ausgegeben hatten, ist daher eigentlich schon eine kleine Segel-Sensation. "Wir haben immer geglaubt, dass wir genügend Potenzial haben, um vorne mitzumischen. Wir sind nach wie vor ein Außenseiterteam, das jetzt dennoch etwas mehr Respekt genießt."

Um bis nach Bermuda zu kommen, mussten die Kohlhoffs schon einen weiten Weg auf sich nehmen. Denn um sich überhaupt mit den anderen messen zu können, hatten sie einen sechsstelligen Betrag auftreiben müssen. Klar, das ist zwar noch mickrig, gegen die zum Teil 100 Millionen Euro schweren Budgets der Teams beim America's Cup. Doch mehrmals stand das ehrgeizige Projekt der Kohlhoffs vor dem Scheitern: Sponsoren sprangen ab. Die drei Brüder konnten das Geld für die Meldegebühr und Versicherung gerade noch zusammenkratzen, auch durch einen Spendenaufruf im Internet: "Es hat geklappt. Wir sind hier."

Die Kohlhoffs veranstalteten ein Casting mit 25 Kandidaten

Paul Kohlhoff castete für den Auftritt auf Bermuda ein Team aus Seglern, 25 Kandidaten mussten sich durch Stress- und Belastungstests quälen. Auch der jüngste Bruder Johann hatte sich in den Prüfungen beweisen müssen. "Er hat seine Hausaufgaben gemacht", sagt Paul. Wie auch Skipper Max: Der musste zehn Kilogramm Muskelmasse abbauen, um die Gewichtsvorgaben auf dem AC-45-Katamaran einzuhalten.

Auf diesen hochgezüchteten Booten fliegen die Teams übers Wasser. Je länger es Kohlhoff und seiner sechsköpfigen Crew gelingt, auf den Tragflügeln zu bleiben, desto schneller sind sie unterwegs, weil der Widerstand geringer ist, als wenn die Bootsrümpfe ins Wasser tauchen. Allerdings wird auch jeder Fahrfehler bitter bestraft: Wenn die Nase des Boots ins Wasser bohrt, überschlagen sich die Yachten. 2013, bei der letzten Ausgabe des America's Cup, ertrank der Brite Andrew Simpson, als der Katamaran zerbrach und das Segel ihn begrub. Seitdem wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, aber die Katamarane sind auch schneller geworden.

Paul Kohlhoff will an einen Unfall keinen Gedanken verschwenden. Er sieht vielmehr die "einmalige Chance" auf Bermuda, vor allem für den deutschen Segelsport: Nur einmal in der seit 1851 andauernden Geschichte des Cups setzte ein deutsches Team die Segel, 2007 endete das Unternehmen mit dem vorletzten Platz und bald darauf mit der Auflösung der deutschen Kampagne. Die Kohlhoffs wollen nun daran arbeiten, dass sich wieder ein deutsches Team beim America's Cup etabliert. Sie haben im Finale noch einmal zwei Tage, um im Korallenarchipel aufzufallen.

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