Segeln:Triumph des Pedalboots

Neuseelands America's-Cup-Sieger ergötzen sich an ihrer Revanche gegen die materiell überlegene US-Segel-Mannschaft - mancher Seitenhieb ist unvermeidbar.

Von Jürgen Schmieder, Bermuda/Los Angeles

America's Cup Match Presented by Louis Vuitton - Day 5

Einsam an der Spitze zum 7:1-Sieg: Team Neuseeland hatte auch in den letzten beiden Rennen des 35. America's Cup alles unter Kontrolle.

(Foto: Ezra Shaw/AFP)

Es war schon eine freche Geste, die Peter Burling seinem Rivalen Jimmy Spithill da entgegenbrachte - und sie dürfte Spithill umso mehr genervt haben, weil sich Burling diesen kleinen Moment der Arroganz leisten konnte. Wettrennen werden ja an der Ziellinie entschieden, doch beim 35. America's Cup in Bermuda war das anders: Wenn die Amerikaner am Start führten, dann hatten sie eine winzige Chance auf den Sieg - ansonsten stand Neuseeland als Sieger fest. Beim Rennen am Sonntag sorgte Burling vor dem Start mit einem geschickten Manöver für Stillstand beim Gegner und hielt ihm aufgrund des immensen Vorsprungs das Victory-Zeichen hin.

Wie gesagt: Burling, gewöhnlich eher ein kühler Analytiker als Redner oder Gestikulierer, konnte sich diese augenzwinkernde Botschaft an den stets eher grimmig daherkommenden Spithill wahrlich leisten, sein Katamaran war der schnellere, wendigere und leichter zu manövrierende bei dieser Regatta. Es gab keine dramatische Aufholjagd der Amerikaner wie noch vor vier Jahren, das Duell war viel einseitiger, als es das Ergebnis von 7:1 ohnehin besagt. "Es war ziemlich aufregend", sagte Burling nach dem letzten Rennen, allerdings sprach und guckte er dabei so wie ein Nachrichtensprecher, der den Wetterbericht vorliest.

Das wirklich Überraschende und Elektrisierende in der Bucht vor Bermuda war dieses pfiffige Boot des Siegers. Beim America's Cup bestimmt von jeher der Besitzer der Trophäe die Regeln der nächsten Veranstaltung. Das ist so grotesk, als würde der Sieger dieser Formel-1-Saison darüber entscheiden, mit welchen Fahrzeugen und auf welchen Strecken in der Saison danach gefahren wird. Der Ausgang jeder America's-Cup-Regatta ist deshalb immer auch eine Entscheidung über die Zukunft des traditionsreichen Wettbewerbs. Der amerikanische Software-Milliardär Larry Ellison hat nach dem Sieg im Jahr 2009 ein Spektakel der Superlative kreieren wollen. Das ist ihm zweifelsohne gelungen, doch nur weil eine Sportart die Zuschauer an Fernsehern und Smartphones elektrisiert, heißt das noch nicht, dass millionenschweres Wettrüsten ein zukunftsträchtiges Konzept ist.

America's-Cup-Sieger seit 1980

Seit dem ersten Rennen 1851 ging der America's Cup lange an die USA. Erst nach fast 130 Jahren wurden andere Nationen stärker. Für Neuseeland ist es der dritte Titel. Die Sieger seit 1980:

1980 USA - Australien 4:1

1983 Australien - USA 4:3

1987 USA - Australien 4:0

1988 USA - Neuseeland 2:0

1992 USA - Italien 4:1

1995 Neuseeland - USA 5:0

2000 Neuseeland - Italien 5:0

2003 Schweiz - Neuseeland 5:0

2007 Schweiz - Neuseeland 5:2

2010 USA - Schweiz 2:0

2013 USA - Neuseeland 9:8

2017 Neuseeland - USA 7:1

"Wir wussten nach der Niederlage in San Francisco, dass wir auf gar keinen Fall mehr Geld haben würden. Unsere Gegner hatten fünfmal so viel wie wir und hätten auch siebenmal so viel ausgegeben, wenn es ihnen geholfen hätte", sagte Grant Dalton, der Geschäftsführer des neuseeländischen Teams: "Wir mussten also schlauer sein." Noch so ein Seitenhieb auf die Amerikaner - und wieder war er berechtigt: Der Katamaran war nicht aufgrund der finanziellen Möglichkeiten so schnell (das Budget Neuseelands soll dennoch bei knapp 80 Millionen Dollar gelegen haben), sondern wegen einiger interessanter Innovationen.

Da gab es etwa diese fahrradähnlichen Pedale, über die die Seilwinden für Segel und Hydrauliksysteme kontrolliert wurden. Man verfügte über eine Playstation, über die andere Elemente des Bootes gesteuert werden konnten. Und natürlich war da auch der Filmemacher Nick Bowers, der eineinhalb Jahre lang die Trainingseinheiten Neuseelands mit einer Drohne verfolgte und den Verantwortlichen einzigartige Bilder zur Analyse lieferte, die sonst niemand hatte. "Wir haben jedes einzelne Detail ans Limit getrieben", sagte Burling danach: "Bei einem falschen Knopfdruck geht dieses Boot unter, wie wir in der Qualifikation bewiesen haben. Es kann Dich aber auch über den Mond tragen, wenn nichts schiefgeht."

America's Cup Match Presented by Louis Vuitton - Day 5

Am Ziel: Neuseelands Skipper Peter Burling mit Pokal.

(Foto: Clive Mason/AFP)

Burling ist 26 Jahre alt, er hat mit seinem Segelpartner Blair Tuke nach der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2012 in London alle 28 bedeutsamen Regattas gewonnen, an denen er teilgenommen hat. In Rio trug Burling erst die neuseeländische Flagge ins Stadion, danach gewann er gemeinsam mit Tuke die Goldmedaille. Auch auf Bermuda war Tuke dabei, als Burling zum jüngsten Segler wurde, der jemals die Trophäe "Auld Mug" gewonnen hat - eine Leistung, über die der unterlegene Spithill sagte: "Das ist der beste Segler der Welt, daran gibt es keinen Zweifel."

Der beste Segler der Welt soll den America's Cup in vier Jahren verteidigen, der Yachtclub Sizilien mit Team Luna Rossa hat Neuseeland offiziell herausgefordert und wird somit über das Reglement verhandeln, wie Dalton bestätigte. Die Italiener waren diesmal aus Protest über die späten Regeländerungen der Amerikaner ausgestiegen und hatten auf eine Niederlage von Ellisons Mannschaft gesetzt. Teamchef Patrizio Bertelli wünscht sich eine Rückkehr zur Einrumpf-Segelboot.

Es wird wohl beim nächsten Cup nicht wieder stundenlange Fahrten auf hoher See geben, dafür waren die letzten Veranstaltungen zu spektakulär. "Wir würden die Regatta gerne in der Heimat austragen", sagte Neuseelands Premierminister Bill English nach dem Sieg: "Wir haben jedoch genug Zeit für Verhandlungen über die Details. Jetzt konzentrieren wir uns erst einmal eine Woche lang aufs Feiern."

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