Segeln:Jochen Schümanns dritte Familie

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Jochen Schümann bei der Kieler Woche: Der Teamchef spricht vom America"s Cup und löst einen olympischen Konflikt.

Von Christian Zaschke

Kiel - Während dieser gesamten Kieler Woche tauchte der Name Jochen Schümann immer wieder auf, er habe dies gesagt und sei gegen jenes und immer so fort. Am Freitagabend tauchte der Teamchef der deutschen Olympia-Segler dann persönlich in Kiel auf. Zuvor war er seinem Broterwerb nachgegangen, er segelte in Newport für das Schweizer America"s-Cup-Team Alinghi, das einige Wettfahrten gegen das Team von Oracle/BMW bestritt; ziemlich unwichtige Wettfahrten, die allerdings zur Revanche für den Cup-Sieg der Schweizer im vergangene Jahr erklärt wurden. Nun war Schümann also da, um Stellung zu nehmen zu den vielen ihm zugeschriebenen Äußerungen, doch als er sich am Samstag äußerte, ging es zunächst einmal nicht um die Olympischen Spiele, sondern um Schümann selbst und um Alinghi.

Seit längerem ist nicht klar, ob der neuseeländische Skipper Russell Coutts beim Schweizer Team bleiben will. Diese Personalie ist entscheidend, da Coutts als bester Segler der Welt gilt und in der Szene als ¸¸der Unterschied" gilt, als der Unterschied zwischen einer Mannschaft die gewinnt und einer, die verliert. Schümann ließ durchblicken, dass sich Coutts wohl vom Team trennen will. ¸¸Es ist ein privates Problem zwischen Russell und Ernesto Bertarelli", sagte Schümann. Der Biotech-Milliardär Bertarelli ist Eigner des Teams. Zu hören ist, dass es Coutts nicht passte, dass er bei der Vorbereitung der Titelverteidigung 2007 vor Valencia nicht in entscheidender Position saß. Der studierte Ingenieur Coutts hat es gern, wenn in der Planung alle Fäden bei ihm zusammenlaufen. Erst später, auf dem Wasser, wird er zum Phänomen, das wie aus einer anderen Welt steuert. ¸¸Jetzt werde ich wohl mehr segeln müssen", sagte Schümann lapidar.

Zunächst will er allerdings dafür sorgen, dass andere erfolgreich segeln. Er drückte es ein wenig pathetisch aus, indem er sagte, neben seiner eigenen Familie in Penzberg habe er nun noch zwei weitere Familien: das Team Alinghi und die deutsche Olympiamannschaft. Nicht jeder mag jeden in einer Familie, und die erste große olympische Frage nach Schümanns Ankunft war, wie er mit der Hagen-Sache umgehen würde.

Alexander Hagen, Starboot-Segler, hatte einigermaßen lässig angekündigt, dass er als Teil seiner Olympia-Vorbereitung zwei Wochen Urlaub mit seiner Familie plane. Aktivurlaub, führte er aus, mit Rad und Surfbrett. Die Funktionäre des Deutschen Segler-Verbandes (DSV) waren sauer, Präsident Dierk Thomsen und Sportdirektor Hans Sendes teilten mit, dass eine vernünftige Vorbereitung anders aussehe. Eine Nachrichtenagentur konstruierte daraus die Geschichte, dass Hagen vor dem Olympia-Aus stünde. Beim DSV waren sie zwar nicht sonderlich erbaut darüber, dass der 49 Jahre Hagen sich in der Olympia-Qualifikation durchsetzte, da man Marc Pickel, 32, favorisierte, doch ein Ausschluss Hagens stand nie zur Debatte; zumal das rechtlich kaum möglich gewesen wäre. Was also würde Schümann sagen, fragten sich Segler und Funktionäre.

Schümann sagte: ¸¸Wir empfehlen unseren Seglern sogar, noch eine Auszeit einzulegen - keiner kann von der Kieler Woche bis zum ersten Startschuss in Athen sechs Wochen durchsegeln." Ein Satz, und aus der aufgebauschten Geschichte war alle Luft entwichen. Präsident Thomsen schob noch nach: ¸¸Eine reine Erfindung, keiner wollte Hagen das Olympiaticket entziehen."

Stattdessen plant der DSV, einen Platz mehr oder weniger zu verschenken. In zehn der elf olympischen Klassen sind Segler nominiert, lediglich der Laser ist noch offen. Dem Kandidaten Mathias Rieck ist es nicht gelungen, die Kaderkriterien zu erfüllen, also bei Welt- oder Europameisterschaften ein entsprechend gutes Ergebnis zu erzielen. Der DSV strebt jedoch eine so genannte ¸¸Härtefall-Regelung" an, um den 24 Jahre alten Bundeswehrsoldaten doch noch mit nach Athen nehmen zu können. ¸¸Wir denken dabei auch an die Spiele in Peking 2008. Er kann jetzt schon Erfahrung für ein solches Top-Ereignis sammeln", sagte Sportdirektor Sendes.

In Kiel wurde Rieck als Neunter bester Deutscher. Immerhin absolvierten die Laser zehn Wettfahrten; die meisten Bootsklassen konnten nicht so oft aufs Wasser, da der Wind dieser 122. Kieler Woche zusetzte. Die Tornados kamen bis zum Wochenende nicht ein Mal aufs Wasser, gleiches gilt für die Ynglinge, deren Wettfahrten bei lediglich drei gemeldeten Crews keine Aussagekraft hatten. Am Samstag waren die Verhältnisse besser, am Sonntag gesellte sich jedoch zum Nieselregen eine Flaute. ¸¸Es war die schwierigste Kieler Woche, an die ich mich erinnern kann", sagte Wettfahrtleiter Dieter Rümmeli, der die Regatten seit 19 Jahren leitet. Zum einen lag das am Wind, zum anderen daran, dass viele Crews, die die Olympia-Qualifikation verpasst haben, sich zurückgezogen haben und erst ab dem kommenden Jahr eine neue olympische Kampagne starten.

Als dann am Wochenende auch die Tornados segelten, war der deutsche Olympia-Starter Roland Gäbler erleichtert. Er war zuvor verstimmt gewesen, dass er seine Vorbereitung in Athen unterbrechen musste, um in Kiel anzutreten. Der DSV hatte seine Olympiafahrer nach Kiel gebeten. Einerseits stieß das auf Verständnis, da Sponsoren und Publikum die deutschen Segler bei der weltgrößten Regatta sehen wollen. Andererseits fühlten sich einige in ihrer Vorbereitung auf Athen gestört.

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