Segeln beim America's Cup:Der Kiwi flitzt, der Adler ächzt

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Das Bild in der Gischt vor Bermuda: Team Neuseeland rast voraus - Team USA fährt hinterher. (Foto: Clive Mason/AFP)
  • Vor Bermuda entscheidet sich dieser Tage der America's Cup der Segler.
  • Team USA muss gegen Neuseeland enorm aufholen, um noch eine Chancen zu haben.
  • Die Amerikaner stützen ihre Hoffnung auf Legenden aus der Vergangenheit.

Von Jürgen Schmieder

Es muss die Frage erlaubt sein, wie verrückt dieser Jimmy Spithill eigentlich ist. Klar, der Mann ist Segler, einer der besten der Welt, da gehört eine Portion schrulligen Wahnsinns zur genetischen Grundausstattung. Der Australier ist aber auch ein Füllhorn inspirierender und bisweilen martialischer Metaphorik, er zitiert Generäle und präsentiert Karikaturen, in denen ein grimmig dreinblickender US-Adler einen unschuldigen Kiwi packt. Nun, beim 35. America's Cup, da beschwert sich der Skipper der amerikanischen Mannschaft darüber, dass so ein Tag nur 24 Stunden hat: "Dann müssen wir eben fünf 24-Stunden-Schichten einlegen."

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:Schneller als der Wind

Wie erreichen die Segelboote beim America's Cup derart hohe Geschwindigkeiten? Was macht der Skipper, und wer wird "Pitbull" gerufen? Wissenswertes zur bekanntesten Regatta der Welt.

Die Amerikaner haben die ersten Rennen verloren. Nein, das stimmt nicht, sie wurden gedemütigt von Neuseeland und liegen in der Best-of-13-Serie mit 0:3 zurück. Blair Tuke vom Team Neuseeland hat sogar eine Replik auf Spithills Karikatur veröffentlicht: Der flinke Kiwi flitzt nun einem ächzenden Adler davon.

Genauso wirkte das auch bei den ersten Duellen in diesem prächtigen Naturtheater in der Nähe von Hamilton, der Hauptstadt von Bermuda: Der Katamaran von Neuseeland jagt mindestens einen halben Knoten schneller übers Wasser, er lässt sich offenbar leichter manövrieren und erreicht vor allem im Gegenwind erstaunliche Geschwindigkeiten. Bei einem der drei Rennen war das Kielwasser der Kiwis schon nicht mehr zu sehen, als die Amerikaner die Ziellinie querten.

"Sie sind klar schneller als wir, aber wir waren schon mal in dieser Situation", sagt Spithill und verweist auf die kuriose Titelverteidigung 2013 in der Bucht von San Francisco. Damals lagen die Amerikaner bereits mit 1:8 zurück, auf der vermeintlichen Siegesfahrt wurde Neuseeland nur wegen Überschreitens des Zeitlimits gestoppt. Spithill gelang eines der erstaunlichsten Comebacks in der Sportgeschichte, er siegte noch mit 9:8. Heute sagt er: "Ich hätte damals auf keine andere Weise lieber gewonnen als auf diese - und auch diesmal ist noch alles möglich."

Die Hoffnung trägt US-Skipper Jimmy Spithill, der "Pitbull"

Es verbietet sich, eine Regatta mit der anderen zu vergleichen -, es ist indes erlaubt, auf Parallelen hinzuweisen. Beim America's Cup darf der Besitzer der Trophäe "Auld Mug" seine Titelverteidigung stets nach eigenen Vorstellungen und damit Interessen organisieren. Der Besitzer des US-Teams, der Software-Milliardär Larry Ellison, wollte diese ehrwürdige Regatta schon 2013 in ein Spektakel der Superlative verwandeln, das die Zuschauer in der Bucht und vor den TV-Geräten elektrisiert.

Jenes Zeitlimit, an dem Neuseeland scheiterte, war nicht etwa aus sportlichen Gründen eingeführt worden, sondern wurde durch Fernsehverträge diktiert. Auch während der Aufholjagd von Team USA gab es viele Verzögerungen, die ebenfalls weniger der Fairness oder der Sicherheit dienten als der Taktik. Spithill und sein Team nutzten die Pausen zu massiven Veränderungen an ihrem Katamaran. In Wahrheit war dieses Comeback also gar nicht so unglaublich, wie es sich heute darstellt. Neuseeland hatte nach den Umbauten der Amerikaner einfach keine Chance mehr.

Auch jetzt wirkt das US-Boot im Vergleich zum Gegner wieder mal nicht besonders schnell. Bereits in der Qualifikation - an der die Amerikaner aufgrund einer Regeländerung freiwillig teilnehmen konnten, obwohl sie doch automatisch für das finale Duell um den Cup gesetzt waren - hatte Spithill gewaltige Probleme beim Wenden und im Gegenwind.

Und nun gab es diese fünf Tage Pause bis zum Start an diesem Samstag (19 Uhr; live auf Servus-TV) nicht aus sportlichen Gründen, sondern weil sich die Veranstalter, also das US-Team, mehr Zuschauer bei Duellen am Wochenende versprechen. Dieses Wettrennen wird also nicht auf dem Wasser entschieden, sondern in den Werkstätten der Teams. Spithill sagt: "Diese fünf Tage sind der Schlüssel. Es wird die wichtigste Zeit unserer Kampagne."

Die Amerikaner dürften neben diversen Motivationsmaßnahmen vor allem Veränderungen am Segel und an den Kufen vornehmen, auf denen die Katamarane durchs Wasser flitzen. Sie müssen ihre Grundgeschwindigkeit erhöhen, zumal die Wettervorhersage fürs Wochenende stabile Winde prognostiziert. "Wir haben die finanziellen Möglichkeiten und das technische Know-how, alles zu überprüfen und schnell zu reagieren", sagt Spithill: "Die gesammelten Daten lassen uns genau erkennen, wo wir uns verbessern müssen."

Was den Katamaran Neuseelands bislang so schnell erscheinen lässt: Die Mannschaft von Skipper Peter Burling, 26, bedient die Seilwinden für Segel und Hydrauliksysteme nicht an Handkurbeln, sondern mittels Tretpedalen. Crew-Mitglied Simon van Velthooven, der 2012 Olympia-Bronze im Bahnrad gewann, strampelt nun aus voller Überzeugung vor Bermuda: "Die Beine sind kräftiger als die Arme, also ergibt das Sinn." Team Schweden hat so ein System bereits 1977 erfolglos versucht, nun scheint es zu funktionieren. Und es ist fraglich, ob Spithills Techniker binnen weniger Tage den neuseeländischen Stramplern Konkurrenz machen können.

Es gibt Menschen, die würden sich für den Spitznamen "Pitbull" schämen. Spithill, 37, ist stolz darauf. Er schert sich nicht darum, dass ihn die Leute für verrückt erklären, wenn er behauptet, dass er noch eine Chance habe, bei diesem America's Cup. Man muss nicht unbedingt Generäle zitieren, es genügen zwei Sätze aus der legendären "Think Different"-Werbung des Computer-Konzerns Apple: "Manche halten sie für Verrückte, wir halten sie für Genies. Diejenigen, die verrückt genug sind zu denken, dass sie die Welt verändern können, sind diejenigen, denen es letztlich gelingt."

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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