Sechste DLV-Medaille:"Jetzt haste Spaß hier drinne"

Sechste DLV-Medaille: Cindy Roleder.

Cindy Roleder.

(Foto: Johannes Eisele/AFP)

Cindy Roleder überrascht mit Silber über 100 Meter Hürden. Nur zwei Hundertstelsekunden trennen sie von Weltmeisterin Danielle Williams.

Von Johannes Knuth, Peking

Cindy Roleder war dann drin in diesem Finale. Acht Schritte bis zur ersten Hürde, Nachziehbein, rüber, drei Schritte, immer weiter, zur Halbzeit sah es gut aus für die Hürdensprinterin Cindy Roleder, 26, aus Leipzig. Sie hatte den Endlauf über 100 Meter Hürden bei der WM in Peking auf Bahn acht begonnen, auf Bahn acht stehen in der Leichtathletik die Außenseiterin. Roleder hatte sich deshalb eine eingängige Strategie zurechtgelegt: "Jetzt haste hier drinne Spaß." Das machte sich vor allem in der zweiten Rennhälfte bemerkbar. Roleder war nach 12,59 Sekunden drinne im Ziel, so schnell war sie dort noch nie eingetroffen. Und vor ihr lag nur die Jamaikanerin Danielle Williams (12,57). "Das hätte ich niemals gedacht", sagte Roleder nach ihrem Silberlauf, sie musterte die Reporter, dann sagte sie: "Das hättet ihr alle nicht gedacht!" Niemand widersprach.

Der Freitag war ein guter Tag für die deutsche Mannschaft bei der WM in Peking. Im letzten Rennen des Abends verwandelte er sich dann in einen besonderen. Am frühen Abend hatten sich zunächst die Zehnkämpfer Rico Freimuth (Halle), Kai Kazmirek (Rhein-Wied) und Michael Schrader (Dreieich) nach ihrem ersten Tag auf den Plätzen drei bis fünf eingefunden, sie hatten ihre Medaillenchancen gewahrt. Und dann drängelte sich Roleder tatsächlich auf diesen zweiten Platz vor. Vor einem Jahr hatte sie bei der EM in Zürich Bronze gewonnen. Sie hat beide Erfolge quasi im Nebenjob erwirtschaftet. Roleder hatte vor eineinhalb Jahren den Hürdensprint zur Seite geschoben und sich dem Mehrkampf verschrieben, seitdem trainiert sie mit Freimuth, Schrader und der Siebenkämpferin Jennifer Oeser bei Wolfgang Kühne in Halle. Der Chef-Bundestrainer Idriss Gonschinska sagt: "In der Trainingsgruppe wollen alle nach vorne. Das ist genau die Atmosphäre, die dann diese kleinen Überraschungen möglich macht."

Man kann nicht sagen, dass Roleder vor ihrer Karriere als hürdenlaufende Siebenkämpferin eine schlechte Hürdensprinterin war. Sie war 2011 deutsche Meisterin, ihre Bestzeit hatte sie auf 12,91 Sekunden gedrückt. So richtig kam Roleder aber nicht mehr weiter, das änderte sich erst, als sie ins Mehrkampfgewerbe wechselte. "Mir tut das vielseitige Training auf jeden Fall gut", sagt sie. Kugelstoßen zum Beispiel, "das ist ja auch eine Schnellkraft-Übung. Das ist sicherlich nicht ein Weg für jedermann. Aber ich werde den auf jeden Fall weitergehen." Sie wird auch im kommenden Jahr ihre Siebenkämpfe machen, in Ratingen hat sie ihre Bestleistung zuletzt auf 6055 Punkte verbessert. Nicht jeder hatte Roleder verstanden, als sie vor eineinhalb Jahren auf diesen Weg einbog. Aber manchmal ist es keine schlechte Idee, die Lehrmeinung zu ignorieren.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: