Sebastián Abreu:Der 26. Verein des Verrückten

Sebastián Abreu: Verein Nummer 26: Sebastián Abreu geht ab sofort in Chiles höchster Spielklasse auf Torejagd (hier noch im Trikot von Club Nummer 14 - River Plate aus Buenos Aires im Jahr 2008).

Verein Nummer 26: Sebastián Abreu geht ab sofort in Chiles höchster Spielklasse auf Torejagd (hier noch im Trikot von Club Nummer 14 - River Plate aus Buenos Aires im Jahr 2008).

(Foto: AFP)
  • Sebastian Abreu wechselte mit Jahresbeginn zu seinem 26. Verein und stellte damit den Rekord von Torhüter Lutz Pfannenstiel ein.
  • Seine Reise führte von Spanien über Israel bis El Salvador. Durch einen Lupfer vom Elfmeterpunkt wurde er endgültig als "El Loco" bekannt.
  • Bei seinem neuen Verein möchte der mittlerweile 41-Jährige nochmals seine fußballerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Von Javier Cáceres

Neulich, als der chilenische Erstligist Audax Italiano die Verpflichtung von Sebastián Abreu bestätigt hatte, fühlte sich Lutz Pfannenstiel zu Unrecht verfolgt. "Er jagt den Falschen", sagte der frühere deutsche Torhüter dem kicker. Audax, muss man wissen, ist der 26. Klub in der Karriere des früheren uruguayischen Nationalspielers Abreu, und ehe der Deal unter Dach und Fach war, galt Pfannenstiel mit 25 Vereinen als der Fußballer mit den meisten Profi-Klubs im Curriculum.

Als Pfannenstiel, 44, vor ein paar Jahren sein Buch "Mein Leben als Welttorhüter" vorstellte, sei er allerdings darüber belehrt worden, dass die Engländer John Burridge und Trevor Benjamin "weit" vor ihm liegen würden; für die Briten werden - angeblich - 29 Vereine aufgeführt. Sagte Pfannenstiel. Von Jagd auf Pfannenstiel oder sonst sonstwen könne keine Rede sein, sagte Abreu, als er am Dienstag in Santiago als neuer Audax-Stürmer vorgestellt wurde. Zum Beweis verwies er auf seinen Lebenslauf: "Mein Rekord ist nichts, was ich vorbereitet hätte. Andernfalls hätte ich nicht so oft bei Nacional (Montevideo) gespielt."

Aus Marketinggründen in die tiefste chilenische Provinz?

Auf jeden Fall lässt sich ohne Übertreibung dieses feststellen: Abreu, mittlerweile 41, ist unter den Rekordverdächtigen der prominenteste - und erfolgreichste. Der Uruguayer wurde mit San Lorenzo und River Plate argentinischer, mit Nacional uruguayischer Meister. Mit Botafogo, dem legendären Klub des noch legendäreren Garrincha, holte er unter anderem die Staatsmeisterschaft von Rio de Janeiro. Zuletzt spielte Abreu bei Puerto Montt, und da wurde gespottet, er sei nur aus Marketing- und Rekordgründen in die tiefste chilenische Provinz gewandert, Puerto Montt liegt rund 1000 Kilometer südlich von Santiago.

Sebastián Abreu: Selbsternannter Welttorhüter: Lutz Pfannenstiel, 44, spielte für Vereine auf allen Kontinenten.

Selbsternannter Welttorhüter: Lutz Pfannenstiel, 44, spielte für Vereine auf allen Kontinenten.

(Foto: Simon Koy)

Dann aber wurde Abreu mit elf Treffern Torschützenkönig der zweiten chilenischen Liga - und letztlich für gut genug befunden, Audax zu verstärken, immerhin ein Verein, der in der nächsten Copa Sudamericana mitspielen wird, dem zweitwichtigsten kontinentalen Vereinswettbewerb Südamerikas. Dass Audax in der ersten Runde auf seinen Ex-Klub Botafogo trifft, quittierte Abreu mit den Worten: "¡La puta madre!", in etwa: Verdammt noch mal. Er fühlt sich in jedem Fall gewappnet. "Man geht nicht mit einem Personalausweis auf den Rasen", belehrte er die Journalisten in Santiago. "Nicht alle, die 20 Jahre alt sind, können spielen, und das Gleiche gilt für 40-Jährige. Es spielen immer die, die Ball und Taktik beherrschen."

Anderweitige Belehrungen von Medienschaffenden durch Abreu liegen schon länger zurück; sie betrafen unter anderem den Umstand, dass man ihn von jeher "El Loco" nennt, den "Verrückten". Das sei nie einer Form des Wahnsinns, sondern stets nur einer pointierten, aber freundlich-zärtlichen Umschreibung seines Wesens geschuldet gewesen, beteuert Abreu. Okay, als Fünfjähriger lief er mit der Dienstpistole seines Vaters, einem Polizisten, zur Oma, ohne sich darum zu scheren, ob die Waffe geladen war oder nicht. Nach einem seiner ersten Spiele führte er für ein Lokalblatt ein Gespräch mit sich selbst. Ansonsten fiel er aber eher dadurch auf, dass er gängige Formen von Aberglauben ablehnt.

"Deswegen spiele ich mit der Rückennummer 13, deswegen betrete ich den Rasen mit dem linken Fuß, deswegen gehe ich unter Leitern hindurch, und wenn eine schwarze Katze meinen Weg kreuzt, applaudiere ich", sagte er einmal.

Woran Luis Suárez im Unterschied zu Abreu scheiterte

Dass nicht jeder der "13" gewachsen ist, musste sein fußballerischer Ziehsohn bei Nacional erfahren, Luis Suárez. Er wollte zu Beginn seiner Karriere auch mit der "13" triumphieren, doch das ging so schief, dass er nicht nur ein halbes Jahr lang kein Tor erzielte, sondern "am Ende sogar von den Taubstummen im Stadion beschimpft wurde", wie Abreu berichtete. Erst nachdem Suárez die "13" seines Idols abgelegt und die "9" übergestreift hatte, traf er so gut und häufig, dass er Verträge bei europäischen Topklubs wie Ajax Amsterdam, FC Liverpool oder eben dem FC Barcelona unterzeichnen durfte. "Ich habe den Druck nicht ausgehalten", erzählte Suárez - und äußerte damit einen Satz, der Abreu wohl nie über die Lippen gehen würde.

Zumindest nicht, wenn man sich noch mal die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika vor Augen führt. Im Viertelfinale gegen Ghana kam es in Johannesburg zum Elfmeterschießen, auch Abreu musste vom Punkt antreten. Am Vorabend hatte er im Training jeden Elfmeter verschossen, seinen Kameraden aber versprochen, dass er, im Falle des Falles, gegen Ghana treffen würde - per Lupfer. "Tu's nicht, Loco", beknieten ihn die Mitspieler im Mittelkreis. Doch Abreu lupfte den Ball, so wie der Tscheche Antonin Panenka gegen Sepp Maier im Europameisterschaftsfinale von 1976. Der Ball flog in hohem Bogen ins Netz, Uruguay war im Halbfinale.

Gut ein Jahr später setzte Abreu einen drauf: Im brasilianischen Pokal lupfte er für Botafogo gegen Fluminense wieder einen Elfmeter - doch der Torwart hielt. Minuten später erhielt Botafogo einen weiteren Elfmeter zugesprochen, Abreu trat wieder an und traf, à la Panenka, wie sonst. "Lieber sagte ich hundert Mal, ich habe mich geirrt, als dass ich mich ein Mal frage, was wohl gewesen wäre, wenn ..."

Auch deshalb zog er nach Chile, ans Ende der Welt. Ein spanisches Magazin namens Panenka taufte ihn daher "den modernen Phileas Fogg", in Anlehnung an den Helden aus Jules Vernes' "In 80 Tagen um die Welt". Im Fogg-Ranking aber liegt Pfannenstiel vorn: Er ist der einzige, der bei Klubs aus allen sechs Kontinentalverbänden des Fußballweltverbands Fifa gespielt hat. Abreu kommt nur auf drei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: