Sebastian Vettel wird Fünfter in Hockenheim:Überholmanöver im Grenzbereich

Weltmeister Sebastian Vettel wird beim Heimrennen gleich zweimal ausgebremst - erst von Sieger Fernando Alonso, dann von den Regelhütern. Wegen eines gewagten Überholmanövers in der vorletzten Runde stufen sie ihn auf den fünften Platz zurück.

Michael Neudecker, Hockenheim

Niki Lauda stieg aufs Podium, jetzt war Siegerehrung, Niki Lauda hatte ein Mikrofon, er sollte jedem der drei Besten dieses Rennens in Hockenheim eine Frage stellen. Niki Lauda ging zuerst zu Fernando Alonso, dem Sieger, "so", sagte der Österreicher Niki Lauda ins Mikrofon, "Fernando, congratulations", und: Wie es denn sei, als Spanier im italienischen Auto in Deutschland zu gewinnen?

Fernando Alonso, Sebastian Vettel

Nummer eins und Nummer fünf am Hockenheimring: Fernando Alonso (links) und Sebastian Vettel.

(Foto: AP)

Lauda lachte, Alonso lachte, toll, sagte Alonso, wunderschön, solche Sachen, dann ging Lauda zu Sebastian Vettel. Lauda hat ja einige Fernseherfahrung, er stellt die Fragen, die die Leute interessieren, seine Frage an Vettel konnte also nur eine sein: "So", sagte Lauda wieder, "Sebastian", das Überholmanöver in der vorletzten Runde gegen Jenson Button - was er dazu sage?

Ausrede oder Wahrheit?

Eine Siegerehrung ist der falsche Ort, um solche Themen zu diskutieren, Vettel also sagte nur lächelnd, ach, Jenson habe sich nicht beschwert, und Button, der Dritte, ging gar nicht weiter darauf ein. Noch kurz vorher, als Vettel und Button ausgestiegen waren und miteinander gesprochen hatten, hatte Vettel zu Button gesagt, er habe nicht gewusst, wo genau er, Button, gewesen sei, deshalb habe er die Strecke verlassen. Später sagte Vettel das auch zu den Reportern: "Ich wusste nicht, ob er innen war. Das Letzte, was man in so einer Situation will, ist, dass man sich berührt. Daher bin ich weiter rausgefahren, um es sicher für uns beide zu machen."

Ausrede? Wahrheit? So oder so: Vettels Manöver am Ende des Großen Preises von Deutschland kostete ihn den zweiten Platz. Die Rennkommissare des Weltverbandes FIA stuften ihn auf Rang fünf zurück.

Teamchef Christian Horner reagierte bald darauf mit Unverständnis auf die nachträgliche Bestrafung des Weltmeisters Sebastian Vettel. "Die Strafe ist dem Vergehen nicht angemessen", sagte der Brite: "Aber leider war es die einzige mögliche Strafe, die die FIA in ihrem Reglement vorgesehen hat."

66 Runden lang war dieses Rennen ein weitgehend ereignisloses, Alonso, der von der Pole Position gestartet war, fuhr im Ferrari vorneweg, er baute mit seinem dritten Saisonsieg seine WM-Führung vor den Red-Bull-Piloten Mark Webber und Vettel aus. Hinter Alonso war Vettel im Rennen Zweiter, bis Button in der 42. Runde von einem Boxenstopp Vettels profitierte und an ihm vorbeizog. Und dann, eine Runde vor Schluss, scherte Vettel aus.

Er beschleunigte, Button beschleunigte auch, die Tachoanzeige stieg und stieg, dann kam die Kurve, eine Rechtskurve, die beiden Autos wurden wieder langsamer, sie bogen in die Kurve ein, es wurde eng, aber Vettel blieb stur, blieb außen, beschleunigte wieder. Dann war er an Button vorbei. Es war ein beeindruckendes Manöver, aber auch: ein grenzwertiges, Vettel hatte die Strecke ja verlassen, er war neben dem Asphalt gefahren. Die Rennkommissare untersuchten das Manöver gleich nach dem Rennen, und nach etwa zwei Stunden gaben sie ihre Entscheidung bekannt: Vettel habe sich einen Vorteil verschafft, als er die Strecke verließ, er habe damit gegen Artikel 20.2 des Regelbuchs verstoßen. Auf seine Zeit wurden 20 Sekunden addiert, im Rennresultat fiel er damit auf Rang fünf zurück, Button stieg auf den zweiten Platz auf, Kimi Räikkönen auf den dritten.

Makel in der Statistik

Sebastian Vettel ist schon zwei Mal Weltmeister geworden, aber seine Siegstatistik hat noch einen Makel: Er hat noch nie ein Heimrennen gewonnen. Als zusätzlichen Makel haben ein paar Reporter neulich die Tatsache entdeckt, dass er noch nie im Juli ein Rennen gewonnen hat, in Hockenheim ist Vettel deshalb oft nach dem so bezeichneten Julifluch gefragt worden, er hat dann meistens geschmunzelt: Er fand die Fragen sonderbar.

Dieser Sonntag aber passt jetzt wunderbar in die Julifluch-Sache: Der Sonntag hatte ja schon schlecht begonnen für Sebastian Vettel. Eine Zeit lang war sogar unklar, ob er überhaupt starten darf.

Die Rennkommissare beschäftigen sich immer wieder mal mit Vettels Auto, Formel 1 ist schließlich auch Autobauen an der Grenze zur von der FIA definierten Legalität, und die Konstrukteure von Red Bull tänzeln besonders gern auf dieser Grenze herum. In Bahrain und Monaco ging es um ein paar Löcher im Unterboden, die den Rennkommissaren nicht gefielen, seitdem sind Löcher im Unterboden verboten.

Und jetzt, in Hockenheim, gab es Kritik an der Aerodynamik. Jo Bauer, der technische Delegierte des Weltverbands, ließ um kurz vor zehn Uhr einen Bericht anfertigen, Inhalt: Bei den beiden Autos von Red Bull gebe es Unregelmäßigkeiten, die nach seiner Ansicht ein Regelverstoß seien, dies sei so der Rennkommission gemeldet worden.

Der Bericht war acht Zeilen lang, darin standen technische Abkürzungen, typische Formel-1-Formulierungen und ein Verweis auf einen Artikel des Regelbuches, im Grunde lief Bauers Hinweis darauf hinaus, was die Konkurrenz schon länger vermutet: dass Red Bull wieder den seit dieser Saison verbotenen sogenannten angeblasenen Diffusor verwendet. Angeblasener Diffusor, das ist auch so ein Formel-1-Begriff, es geht da um eine Vorrichtung, die Luft auf das Heck bläst, das Auto kann dadurch schneller fahren.

Eine Stunde vor Rennbeginn erteilten die Rennkommissare Vettel und Webber dann aber doch die Starterlaubnis, sie verkündeten: Die Argumentation von Red Bull sei zwar nicht vollends überzeugend gewesen, aber es gebe derzeit keine Möglichkeit, eine Strafe auszusprechen. Man könnte auch sagen: Das Reglement ist zu schwammig formuliert, um sich daran festhalten zu können. Es soll nun, so ist zu hören, präzisiert werden, schon bis zum Rennen in Ungarn am kommenden Wochenende.

Kann sein, dass sich Vettel dann wieder sonderbare Fragen anhören muss: Das Ungarn-Rennen ist ja auch noch im Juli.

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