Sebastian Vettel in der Formel 1:Plötzlich vom Himmel gestürzt

Sebastian Vettel in der Formel 1: "Wenn das Auto fährt, geht meistens was kaputt": Sebastian Vettel

"Wenn das Auto fährt, geht meistens was kaputt": Sebastian Vettel

(Foto: AFP)

Kaputte Batterien, explodierende Bremsscheiben: Zwei Wochen vor dem ersten Formel-1-Rennen ist das neue Auto von Sebastian Vettel zuverlässig unzuverlässig. Dem viermaligen Weltmeister droht ein Fehlstart in die Saison.

Von René Hofmann

Es ist eine ziemlich ungewöhnliche Geschichte, wenn ein Formel-1-Fahrer am vorletzten Testtag vor Saisonstart sagt: "Bis jetzt hat die Testerei für uns noch nicht so recht angefangen." Wenn dieser Fahrer aber auch noch der Titelverteidiger ist, der Seriensieger - dann ist das eine ziemlich einmalige Geschichte.

Sebastian Vettel hat in den vergangenen Jahren Sporthistorie geschrieben. Vier Titel in Serie, im Alter von 26 schon in Erfolgs-Regionen, in die Alain Prost erst viel später vorstieß und Rennfahrer-Größen wie Niki Lauda nie: Das will etwas heißen. In der vergangenen Saison glückten Vettel in 19 Rennen dreizehn Siege, die letzten neun in Serie. Das hat selbst Michael Schumacher nie erreicht.

Jetzt aber droht der Sturz des Himmelsstürmers. Wenn nicht alle Anzeichen täuschen, könnte Vettel nun wieder Geschichte schreiben: Mit dem überraschendsten Abstieg, den ein Favorit je hinlegte.

Am 16. März beginnt die Formel-1- Saison mit dem Großen Preis von Australien in Melbourne. Am Sonntag fanden auf dem Bahrain International Circuit bei Manama die letzten Testfahrten statt. Zwölf Testtage hat es insgesamt gegeben. Vier Ende Januar in Jerez in Spanien, vier vom 19. bis 22. Februar in Bahrain und jetzt noch einmal vier an gleicher Stelle. Mal waren bloß acht Teams am Start, mal alle zwölf. Mal führte am Ende des Tages Kimi Räikkönen im Ferrari die Zeitenliste an, mal Lewis Hamilton im Mercedes, mal Sergio Perez im Force India und mal Felipe Massa, der nun Williams fährt. Einer aber kam zum Start nie wirklich in Schwung: der Vorjahressieger.

Vettel weiß selbst, was das bedeutet. "Im Moment ist es unmöglich, irgendwelche Erwartungen zu haben", sagt er. Am Freitag glückten seinem neuen Teamkollegen Daniel Ricciardo tatsächlich einmal 20 Runden am Stück im neuen Red Bull 10. Die Erleichterung darüber war groß. Schon am nächsten Tag aber, als Vettel das Steuer übernahm, kehrten die Probleme zurück.

Auf der Einführungsrunde ging die Batterie kaputt. Als diese am Nachmittag repariert war, streikte ein anderes Teil, und der prominente Fahrer kam wieder nicht zum Fahren. Am Sonntag wiederum drehte Vettel tatsächlich 40 Runden, davon 15 am Stück, schaffte insgesamt aber nur die zehntschnellste Rennrunde. Dann explodierte eine Bremsscheibe. "Die Zuverlässigkeit ist im Moment nicht gut. Dafür fahren wir zu wenig. Und wenn wir fahren, geht meistens was kaputt", sagt Vettel, dem zumindest noch nicht anzumerken ist, wie sehr ihn die Misere nerven muss.

Entwicklung ohne Rücksicht auf den Motor

Das Dilemma hat mehrere Gründe. In den vergangenen Jahren änderten sich die Regeln im Winter nur marginal; die Sieger konnten all ihre Vorteile mit ins neue Jahr nehmen. Dieses Mal ist das anders. In diesem Winter wurden die Regeln umgestülpt. Wenig ist noch, wie es war. Vor allem die Motoren sind neu, wobei: Motoren ist eigentlich schon der falsche Ausdruck. Die Ingenieure sprechen inzwischen von "Antriebseinheiten", weil die vielen Maschinen, die auf sehr unterschiedliche Weise Kraft erzeugen, sammeln oder sie speichern, zu einem großen Ganzen zusammenfinden müssen.

Statt Achtzylinder-Motoren, die ihre Kraft aus 2,4 Litern Hubraum schöpfen, gibt es nun Sechszylinder-Aggregate, die nur noch über 1,6 Liter Hubraum verfügen, aber mit Turbo-Technik aufgeladen werden. Außerdem darf mehr als bisher kinetische Energie, die beim Bremsen frei wird, gesammelt, in elektrische Energie umgewandelt, gespeichert und auf Knopfdruck wieder freigesetzt werden.

Und auch bei den heißen Abgasen ist ein solches Abschöpfen nun erlaubt. Klingt kompliziert? Ist es auch! Und wenn die Systeme nicht aus einer Hand kommen, wenn sie unter Zeitdruck entwickelt wurden und extrem ambitioniert verpackt werden, gibt es eben besonders viele Probleme.

Die Konkurrenz steht besser da

Mercedes fuhr zuletzt nicht um den Titel. Das Team konnte deshalb früh viele Ressourcen auf die neue Antriebseinheit lenken. Entsprechend gut steht es und stehen seine Kundenteams McLaren, Force India und Williams nun da, wenn die Testeindrücke nicht täuschen. Auch Ferrari entwickelte die Antriebseinheit in gewohnter Manier selbst und reicht das solide Teil unter anderem an Sauber weiter.

Red Bull bezieht den Antriebsstrang wie Lotus und Toro Rosso von Renault. Die Franzosen reizten das alte Motorenkonzept am weitesten aus. Dafür bezahlen sie nun. Ihre Frage, ob sie vielleicht drei Monate länger Zeit bekommen, ehe ihre Konstruktion vom Automobilweltverband besiegelt wird, lehnten die Rivalen wenig überraschend ab.

Weil Red-Bull-Konstrukteur Adrian Newey zudem prinzipiell den Ansatz verfolgt, beim Fahrzeug-Design ohne Rücksicht auf den Motor stets ans Limit zu gehen, sind die Probleme bei den Titelträgern nun so außergewöhnlich vielfältig. "Wir haben ein gutes Bauchgefühl, was den Speed des Autos angeht", sagt Sebastian Vettel. Gedankenpause. "Wenn es mal läuft."

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