Sebastian Vettel in der Formel 1:Machtloser Perfektionist

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Für Sebastian Vettel läuft es diese Saison noch nicht rund. (Foto: dpa)

Er macht gerade die schwierigste Phase seiner Karriere durch. Die Neuerungen zu Beginn der Saison bremsen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel, dazu kommen technische Probleme. Vor dem Großen Preis von Kanada ahnt Vettel, dass ihm ein verlorenes Jahr droht.

Von Elmar Brümmer, Montréal

Er kenne das Gefühl, sagt Sebastian Vettel, er kenne es ganz genau. Es ist zwar die Antwort auf die Frage, was er von der Überlegenheit der Mercedes-Rennwagen in der Formel 1 hält, die bislang alle sechs Siege und Pole-Positionen eingefahren haben.

Aber die Antwort beschreibt auch die Seelenlage eines Abonnement-Weltmeisters, der jetzt in der Verfolgergruppe feststeckt, falls es sein Auto überhaupt ins Ziel schafft. Dabei spricht die pure Sehnsucht aus seinen Augen, seiner Mimik, seiner Gestik. Ein Vettel ist immer gewillt zu kämpfen, auch beim Großen Preis von Kanada am Pfingstsonntag, seinem 101. Rennen für Red Bull Racing. Doch er muss gestehen: "Als Fahrer ist man machtlos." Und das stört ihn erst recht.

Die Pannenserie, die in Monaco zum zweiten Ausfall der Saison und einem Rückstand von nun 77 Punkten auf die WM-Spitze führte, geht im Hype um das Duell Rosberg/Hamilton mittlerweile eher unter. Und die Geschichte von Vettels neuem Teamkollegen Daniel Ricciardo, der im Qualifikations-Duell mit 5:1 führt, hören viele auch lieber als die eines strauchelnden Champions. Die jüngsten Überschriften auf Vettels Website lesen sich zwar tapfer, aber auch von Hoffnung befreit: "Es ist frustrierend . . .", "Man muss geduldig bleiben . . ." oder: "Plötzlich ging gar nichts mehr." Digitale Frustbewältigung.

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Alles sehr ungewohnt für Vettel, und er tut nach außen wohl nur so, als ob er sich damit abgefunden hat. Intern ist er der leidenschaftlichste Antreiber. Wie gehabt kauert er schlagfertig bei seinen Talkrunden hinter dem Mikrofon, aber die Lässigkeit ist wie weggefegt.

Unter normalen Umständen, das ahnen alle im Team, haben sie erst wieder mit einem radikal überholten Auto eine Chance, das fürs übernächste Rennen in Spielberg avisiert ist. Dann muss sich zeigen, ob der neue Schnitt des Autos besser zu Vettel passt, die Aerodynamik eine bessere Straßenlage und mehr Tempo bringt. Denn da ist ja immer noch der Renault-Motor, der weniger PS als die Konkurrenz hat, vor allem aber von Software-Problemen geplagt wird, über die Vettel klagt: "Jedes Mal ist etwas anderes."

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Es ist nach vier Jahren des ständigen Aufwärtstrends ein gewaltiger Rückschlag, und damit muss ein erfolgsverwöhntes Team erst mal klar kommen. Jetzt muss sich zeigen, wie stark Red Bull und Vettel wirklich sind, ob der Pragmatismus reicht. Es ist die schwierigste Situation in der Karriere des Heppenheimers. Eine, die er förmlich herbeigeredet hat, als er nach jedem der vielen Siege davor warnte, dass so etwas nicht selbstverständlich sei.

Einen Plan für die Krise hatte er nicht, so schlecht malen sich Rennfahrer die Zukunft dann doch nicht aus. Plötzlich drohen am Pannenauto des vierfachen Weltmeisters gar die erlaubten Ersatzteile auszugehen, vier Mal schon ist die Steuereinheit für den Generator ausgetauscht worden. Noch zwei Mal kann er das ohne Strafe tun - aber es stehen noch 13 Rennen auf dem Programm. Nur in Malaysia hatte er einen Grand Prix ohne technische Probleme, ausgerechnet er, der Perfektionist.

Natürlich kommt da die Frage nach der Motivation eines erfolgsverwöhnten Fahrers auf, und weil die Formel 1 nun mal eine von Klischees geprägte Serie ist, muss als ein möglicher Grund für die Hinterherfahrt selbst die Geburt von Tochter Emily im Januar herhalten.

Mit jedem Kind, so die These, würde ein Rennfahrer eine Sekunde langsamer. Nur eine von vielen Theorien, die Vettel so kommentiert: "Man weiß, welche Leute hinter einem stehen und welche ein bisschen Blödsinn reden."

Sein Mantra ist, dass er sich und allen anderen oft genug bewiesen habe, was er könne. Er will kein Mitleid, dafür ist er nicht der Typ. Er verändert sich in Nuancen, macht die alten Witze, wirkt bei aller Angriffslust aber nachdenklicher. Vor allem wird er anders wahrgenommen.

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Vielleicht ist es tatsächlich so, wie bei Michael Schumacher im Rahmen seines von einem kaum konkurrenzfähigen Silberpfeil beeinträchtigten Comebacks. Der Rekordweltmeister hatte vor ein paar Jahren erstaunt festgestellt: "Muss ich denn erst verlieren, damit die Leute merken, dass ich ein Mensch und keine Maschine bin?"

Sebastian Vettel selbst bemüht gern den Schumacher-Vergleich, wenn es um Kritiker geht, die seine Weltmeistertitel jetzt nur noch daran festmachen wollen, dass er das Glück hatte, im besten Auto zu sitzen. In der technischen Krise hegt er wieder seinen alten Wunsch, wie immer nach Unfällen, Machtkämpfen oder Pfiffen: "Man wünscht sich, respektiert zu werden."

Neu bei dem 26-Jährigen, und das zeugt eher von Stärke denn Schwäche, ist das Eingeständnis von Problemen: "Mit Sicherheit habe ich am Anfang Schwierigkeiten gehabt, mich mit den Neuerungen anzufreunden. Dass die Autos langsamer geworden sind, gefällt mir nicht. Aber es ist jetzt so, ich muss es akzeptieren."

Er weiß, dass auch er selbst aufholen muss. In einem widerspricht er aber den Zweiflern: "Meine Motivation hat nicht gelitten. Lust habe ich auf jeden Fall, denn ich habe keine Lust Zweiter zu werden, daran hat sich nichts geändert." Da ahnt einer, dass ihm ein verlorenes Jahr droht.

© SZ vom 06.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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