Schwimmer Florian Vogel:Terence Hill im Becken

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Florian Vogel von der LG Stadtwerke München ist deutscher Meister - und hat eine Frau vor dem Ertrinken gerettet. (Foto: Oliver Mehlis/dpa)

Der Deutsche Schwimm-Verband mag ein Nachwuchsproblem haben, aber er hat auch freche Athleten wie den Münchner Florian Vogel. Der 20-Jährige ist fleißig, erfolgreich - und hört auf einen kuriosen Spitznamen.

Von Claudio Catuogno, Berlin

Den bisher letzten großen Moment des deutschen Schwimmens hat Florian Vogel, 20, von der Tribüne aus erlebt. Europameisterschaften in Berlin vor einem Jahr, der letzte Finalabend, das letzte Rennen, die letzte Bahn. Paul Biedermann, wie er auf den letzten Metern noch den Russen Alexander Suchorukow abfängt und die deutsche 4x200-Meter-Staffel zu EM-Gold führt. Es war einer dieser Gänsehautmomente des Sports, auch für den Zuschauer Florian Vogel. Aber noch schöner ist es für einen Schwimmer natürlich, wenn man selbst derjenige ist, der im Wettkampfbecken für Furore sorgt.

Seit einigen Monaten schwimmen sie nun hin und wieder zusammen, Vogel von der SG Stadtwerke München und Biedermann vom SV Halle (Saale). Aus dem Biedermann-Bewunderer Vogel ist der Biedermann-Trainingspartner Vogel geworden. Und seit Freitagabend heißt auch der deutsche Meister über 400 Meter Freistil, jene Strecke, auf der Biedermann bis heute den Weltrekord hält: Florian Vogel. "Ich bin sprachlos", sagte Vogel, als er es in der Berliner Europa-Schwimmhalle aus dem Becken geschafft hatte. Dann fiel ihm aber, wie das so seine Art ist, doch gleich wieder ein frecher Satz ein: "Ich hoffe, Paul hat das gesehen!"

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Paul Biedermann, der Doppel-Weltmeister von 2009, konzentriert sich in diesem Jahr auf die kürzeren Distanzen, Vogel hat sein Vorbild also nicht im eigentlichen Sinne bezwungen. Aber Vogels Zeit von 3:46,53 war schon ein Statement: So schnell ist Biedermann die Strecke eine Weile nicht mehr geschwommen. Wenn man auf die Weltjahresbestenliste blickt, dann steht Florian Vogel dort auf der 400-Meter-Strecke derzeit auf Rang sechs, auf die Hundertstel zeitgleich "mit einer absoluten Ikone des Schwimmens", wie er findet: dem zurückgekehrten Grant Hackett, 34, zehnmaliger Weltmeister und dreimaliger Olympiasieger aus Australien. "Das", sagt Vogel, "motiviert mich jetzt schon maximal." Und seit dem frühen Samstagabend ist Vogel auch noch deutscher Meister über 800 Meter Freistil mit einer Zeit von 7:52,57 Minuten. Weltranglisten-Platz vier.

Gut möglich ist außerdem, dass Vogel das nächste Mal auch dabei ist, wenn eine deutsche 4x200-Meter-Staffel am Start ist. Dafür wird es bei den deutschen Schwimm-Meisterschaften an diesem Sonntag ein paar Hinweise geben, wenn die 200 Meter auf dem Programm stehen; und als Paul Biedermann nach einem eher mäßigen Rennen am Samstag über 100 Meter Freistil gefragt wurde, was ihn nun über 200 Meter erwarte, sagte er nur: "Florian Vogel."

Der Deutsche Schwimm-Verband mag weiterhin ein gewaltiges Nachwuchsproblem haben, doch auf den 200 Metern Freistil hat er inzwischen einige Athleten beisammen, die ein auch international halbwegs wettbewerbsfähiges Quartett bilden können: Neben Biedermann sind das noch die Mit-Europameister Robin Backhaus und Clemens Rapp, außerdem Vogel und Jacob Heidtmann. Nur Yannick Lebherz, der Vierte aus der Berliner Gold-Staffel, muss gerade mit gesundheitlichen Problemen pausieren.

Dass Vogel inzwischen zu gemeinsamen Trainingslagern gebeten wird, hat auch mit der Perspektive dieser 4x200-Meter-Staffel zu tun. Die Freistilschwimmer, die nun gleichzeitig Konkurrenten und Kollegen sein müssen, waren schon gemeinsam in Halle (Saale) und auf Teneriffa, demnächst treffen sie sich in Saarbrücken. Um die Abläufe zu optimieren, aber auch, um sich im Wasser gegenseitig anzutreiben. Sich mit Biedermann zu messen, gefällt Vogel natürlich deutlich besser, als ihm von der Tribüne aus zuzuschauen. Ein beteiligter Trainer nennt die beiden mehr scherz- als schmeichelhaft "Bud Spencer und Terence Hill": hier der Hüne Biedermann, 1,93 Meter groß, ein Oberkörper wie von Michelangelo modelliert (was man von Bud Spencer nur bedingt sagen kann), dort der deutlich gedrungenere Vogel mit dem kraftvollen Beinschlag.

"Wenn die beiden eine Beinschlag-Einheit machen, nervt das den Paul natürlich, wenn der kleine Kerl immer an ihm vorbei zieht", sagt der Chef-Bundestrainer Henning Lambertz; und genau das ist es, was er mit der Staffeltraining-Maßnahme erreichen will: dass die Besten voneinander profitieren und dadurch noch ein bisschen besser werden. Florian Vogel wiederum kann davon berichten, dass es bisher eher die Ausnahme ist, dass er dabei Paul Biedermann ärgert: "Wenn es dann um den Armschlag geht, zahlt mir Paul das zigfach zurück."

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In den vergangenen zwei Jahren ging es für Florian Vogel in Riesenschritten voran, "das ist schon eine Leistungsexplosion", sagt auch sein Trainer Olaf Bünde. Drei Dopingkontrollen an den ersten drei Berliner Tagen - auch daran muss er sich jetzt wohl gewöhnen. In den Bereichen, in die der gebürtige Bayreuther nun vorgedrungen ist, wird die Luft langsam dünn, er wird seinem Körper jedes weitere Zehntel jetzt sehr viel mühsamer abringen müssen als bisher.

Ob ihm das gelingt, wird dann darüber entscheiden, ob er auch international bestehen kann, gegen Amerikaner, Australier, Chinesen, die oft einen ganz anderen Lebensentwurf haben als er, der Bauingenieur-Student im zweiten Semester mit diversen universitären Verpflichtungen. Mittwochs trafen der Schwimmer Vogel und der Trainer Bünde sich im vergangenen Semester immer schon morgens um 5:50 vor dem Münchner Olympiabad - mehr freie Zeit hatte er als Student an diesem Tag nicht fürs Training.

Mit dabei sein wird Florian Vogel nun bei den Weltmeisterschaften Anfang August in Kasan, auch für Olympia in Rio im kommenden Jahr sieht es gut aus. Alleine das ist viel mehr, als er sich bis vor kurzem vorstellen konnte. Und nun? Hat Florian Vogel sich vorgenommen, einerseits seine Grenzen kennenzulernen und sich andererseits "selbst treu zu bleiben dabei" - und das ist ja schon mal kein schlechter Vorsatz in einem Sport, in dem das auch nicht immer allen gelingt.

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