Schwimmen:Wie Bud Spencer und Terence Hill

"Wir haben das gerockt und eine Granaten-Zeit für die Staffel": Paul Biedermann und Florian Vogel verstehen sich blendend - und tun dem Deutschen Schwimm-Verband damit sichtlich gut.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Dieses Foto wollte Florian Vogel unbedingt. Er hätte auch noch durchschnaufen können, nach dem Finale über 200 Meter Freistil. Doch der junge Münchner dachte nicht daran, aus dem Becken zu steigen, noch im Wasser winkte er sich den Sieger Paul Biedermann heran, mit dem Drittplatzierten Christoph Fildebrandt posierten sie im Wasser, Arm in Arm. Es ist ein weiteres Schmuckstück einer romantischen Entwicklung: Biedermann und Vogel, Vogel und Biedermann, das ist sportlich unübersehbar: eine Liebesgeschichte.

Wo immer einer von beiden auftauchte bei den deutschen Meisterschaften in Berlin, war der andere automatisch Gesprächsthema. Schwamm Vogel, erwähnte er danach Biedermann; schwamm Biedermann, erwähnte er danach Vogel. Auch wenn mal keiner schwamm, sondern einfach nur redete: Der Name des anderen fiel bestimmt. Im wohl stärksten Finale der Meisterschaften gelang Biedermann die weltweit zweitbeste Zeit des Jahres, Vogel blieb 99 Hundertstelsekunden dahinter, auch Fildebrandt und Clemens Rapp zeigten gute Leistungen. Was sie verbindet, ist ein gemeinsames Ziel für die Olympischen Spiele in Rio, eine Vision, die sie zusammengeführt hat: eine Medaille mit der 4x200-Meter-Freistil-Staffel zu holen.

Biedermann, 29, will in Rio seine Karriere beenden, für Vogel, 21, soll es der Anfang werden. Seit zwei Jahren trainieren die beiden miteinander im Staffel-Projekt des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), das Biedermanns Heimtrainer Frank Embacher leitet. Ein paar Mal im Jahr trifft sich die sechsköpfige Gruppe in Trainingslagern, mal zu Hause bei Biedermann in Halle an der Saale, aber auch mal auf Teneriffa, in Potsdam oder Saarbrücken. Biedermann traut seinem möglichen Nachfolger in den Freistil-Disziplinen viel zu. "Er hat die richtige Einstellung, ist trainingsfleißig, hat einen sehr guten Schwimmstil und ist sehr talentiert", sagt er, "da hoffe ich, dass er dem Schwimmsport eine ganze Weile erhalten bleibt."

Über 400 Meter Freistil, seiner Paradestrecke, gelang Vogel am Freitag die fünftbeste Zeit des Jahres. Biedermann hält da noch immer den Weltrekord, tritt nun im fortgeschrittenen Alter aber nicht mehr an. Freie Bahn für Vogel also, der nach seiner Bestmarke erst ausgelassen Freudenbrüller durch die Halle schickte und dann von Emotionen überwältigt wurde. Es verschlug ihm die Sprache für einige Augenblicke, "es fällt so viel von mir ab jetzt, ich habe so hart dafür gearbeitet", sagte er dann und kam schon im nächsten Moment auf Paul Biedermann zu sprechen: "Ich hatte die Ehre, mit dem größten deutschen Schwimmer zu trainieren. Er hat mir alles gezeigt, was mir auch mitgeholfen hat, so eine Zeit zu schwimmen." Das kam spürbar von Herzen.

Vogel frohlockt: "Wir haben das gerockt und eine Granaten-Zeit für die Staffel."

Emotionen gehören zu Vogel dazu, "ich bin eher der Introvertierte", sagt auch Biedermann, "während der Herr Vogel eher der Quirlige ist". Freche Sprüche kennt er von ihm. Als der Nachwuchs-Krauler im vergangenen Jahr über 400 Meter deutscher Meister wurde, sagte er mit einem Grinsen: "Ich hoffe, Paul hat das gesehen." Trainer Frank Embacher verglich die beiden mal mit Bud Spencer und Terence Hill. Wegen des unterschiedlichen Temperaments, aber auch wegen der Masse: Die besteht bei Biedermann freilich aus wesentlich mehr Muskeln als bei Bud Spencer, neben ihm wirkt Vogel aber recht schmächtig, einen Kopf kleiner ist er auch. Für Biedermann wird Rio die letzte Chance sein, doch noch an eine Olympia-Medaille zu kommen. Da ist so ein Staffel-Projekt eine willkommene Angelegenheit. "Diese Staffel ist mit viel Tradition verbunden", sagt Biedermann, "ich möchte dazu beitragen, dass es eine gute Tradition bleibt." 2012 und 2014 führte er die Deutschen zum EM-Titel, 2012 in London verpasste Deutschland nur um 29 Hundertstel die Bronzemedaille. Bei der WM im vergangenen Herbst reichte es zu Rang fünf, allerdings ohne Vogel, es war seine erste WM und die lief nicht so wie erwünscht.

Auch deshalb freut sich Vogel jetzt umso mehr, am vergangenen Sonntag kriegte er sich gar nicht mehr ein über die Finalleistungen über 200 Meter Freistil. "Das ist eine Ansage an alle", meinte er, "wir haben das gerockt und eine Granaten-Zeit für die Staffel." Zwar sind allein drei Australier in der Bestenliste unter den Top Ten und die Amerikaner haben ihre wegweisenden Wettbewerbe vor Olympia noch vor sich, aber ein kleines Wörtchen mitreden können die Deutschen nun schon. Natürlich sei in diesem Einzel jeder für sich alleine angetreten, "aber irgendwie auch für den anderen geschwommen", sagte Vogel noch und schloss mit dem Fazit: "Geil, geil, geil!" Geteilte Freude war in diesem Falle fast schon mehr als doppelte Freude. Bei einer Liebesgeschichte kann das ja ganz erfüllend sein.

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