Missbrauch im Schwimmen:Wenn der Trainer Nacktfotos verlangt

Missbrauch im Schwimmen: Ariana Kukors Smith bei der Pressekonferenz in Seattle

Ariana Kukors Smith bei der Pressekonferenz in Seattle

(Foto: Ted S. Warren/AP)
  • Die ehemalige Weltmeisterin und Weltrekord-Schwimmerin Ariana Kukors Smith verklagt ihren einstigen Trainer Sean Hutchison wegen Missbrauchsvorwürfen und den US-Schwimmverband, weil er sie nicht geschützt habe.
  • Bereits als sie 13 war, hätte der damals 31-Jährige eindeutige Anspielungen gemacht. "Seit 2006 war es in der Führungsgruppe des Verbandes bekannt, dass Hutchison eine sexuelle Beziehung mit der damals 16-Jährigen hatte", steht in der Anklageschrift.
  • Hutchison bestreitet die Vorwürfe. Die Führungsebene des Schwimmverbandes ist schon mehrfach damit konfrontiert worden, bei sexuellem Missbrauch von Trainern wegzuschauen.

Von Saskia Aleythe

Umarmungen, Händchenhalten und Küssen in der Öffentlichkeit, "es war schwierig, es nicht mitzubekommen", sagt Robert Allard, als er am Montagnachmittag in Seattle sein Statement verliest. Allard ist Anwalt und hat schon viele ehemalige US-Schwimmerinnen vertreten, die von ihren Trainern missbraucht worden sind, nun steht er mit Ariana Kukors Smith vor Mikrofonen und Kameras. 2009 gewann Kukors WM-Gold über 200 Meter Lagen, schwamm sogar Weltrekord in den damals noch zugelassenen Zauberanzügen.

Ihr Trainer, seit sie 13 war: Sean Hutchison, der sie seitdem auch belästigt und später sexuell missbraucht haben soll. "Die sexuelle Beziehung zwischen Trainer Hutchison und seinem Schützling war das am schlechtesten gehütete Geheimnis im Schwimmen", sagt Allard noch in den ersten Sekunden seiner Rede. Was dann sogleich dazu führt, warum Ariana Kukors Smith nicht nur ihren ehemaligen Trainer, sondern auch den US-Schwimmverband verklagt.

Der Missbrauchsskandal im Turnen hatte gerade erst die stolze Sportnation erschüttert, nun wirft das Schicksal von Kukors Smith ähnliche Fragen auf. "Durch Nichtstun wurde es Sean ermöglicht, mich über ein Jahrzehnt zu missbrauchen", sagt Kukors Smith, als sie selber vor die Presse tritt. Sie ist heute 28 Jahre alt, ihre Karriere hat sie vor fünf Jahren beendet, seit acht Monaten arbeitet sie in einer Therapie auf, was ihr passiert ist. In den Jahren, in denen sie zu den besten Schwimmerinnen des Landes gehörte. In den Jahren, in denen viele zugesehen haben, wie sich ihr Trainer - und 2008 Assistent der Olympia-Mannschaft - erst ihr Vertrauen und dann ihre Nähe erschlichen habe. Unter Mitwissen hoher Funktionäre im US-Schwimmverband, die wenig bis nichts unternommen hätten.

Eindeutige Anspielungen schon seit sie 13 war

Bereits im Februar hatte Kukors Smith ihre Vorwürfe gegen Hutchison erstmals öffentlich gemacht, der Trainer stritt ab, etwas gegen ihren Willen getan zu haben. "Ich weise absolut zurück, irgendeine sexuelle oder romantische Beziehung mit ihr gehabt zu haben bevor sie nach dem Gesetz alt genug war, solche Entscheidungen für sich selbst zu treffen", ließ Hutchison mitteilen, "nach den Spielen 2012 waren wir in einer einvernehmlichen Beziehung, sie lebte in meiner Wohnung für mehr als ein Jahr." Damals war sie 22 Jahre alt, "ich war gefangen in dieser Beziehung für so lange Zeit", sagt Kukors Smith heute, "ich wurde programmiert von diesem Mann".

Seit ihrer ersten Begegnung habe der heute 46-Jährige eindeutige Anspielungen gemacht und unangemessene Nachrichten geschickt. Als sie 16 war, sollen die Berührungen, Küsse und Aufforderungen, ihm Nacktfotos zu schicken, begonnen haben. "Seit 2006 war es in der Führungsgruppe des Verbandes bekannt, dass Hutchison eine sexuelle Beziehung mit der damals 16-Jährigen hatte", steht in der Anklageschrift. Nationaltrainer der US-Schwimmerinnen zwischen Juni 2006 und November 2010 war Mark Schubert, er soll in dieser Zeit bereits bei internationalen Wettbewerben unsittliche Berührungen von Hutchison mitbekommen haben.

Zweifelhafte Moral hoher Funktionäre im US-Schwimmverband

Auch gegen Schubert richtet sich nun die Anklage, erst 2010 hatte er dem Cheftrainer eines Schwimmteams, bei dem Hutchison dann angestellt war, über unangemessene Begegnungen berichtet. Jener Trainer hieß Bill Jewell, er ließ Untersuchungen per Privatdetektiv anordnen, Hutchison kündigte seinen Job, angeblich auf Eigeninitiative. 2013 wurde Jewell vom Verband selber für drei Jahre gesperrt, er soll seine Athleten mit sexuellen Sprüchen belästigt haben.

Erst nach einem Bericht der Washington Post über die zu enge Beziehung leitete der US Schwimmverband 2010 Untersuchungen ein. Beauftragt damit war damals Susan Woessener, die das Amt des "Safe Sport Senior Directors" des Verbandes begleitete. Sie rief Sportlerin und Trainer an, stellte 19 Fragen, in denen beide eine Beziehung verneint hätten. "Ich habe gelogen, ich hatte Angst, ich habe mich so allein gefühlt", sagt Kukors Smith heute. Woessener ist von ihrem Amt zurückgetreten, als die Vorwürfe gegen Hutchison im Februar öffentlich geworden waren - und der Umstand, dass sie selber einst küssend mit Hutchison gesehen worden war.

Dass in der obersten Ebene des Schwimmverbandes manche Funktionäre mit zweifelhafter Moral tätig waren, zeigte sich etwa am Beispiel des mittlerweile verstorbenen Vorstandschefs Chuck Wielgus. Eigentlich sollte dieser in die Hall of Fame des Schwimmens aufgenommen werden, was im Jahr 2014 aber daran scheiterte, dass sich immer mehr Schwimmerinnen meldeten, die ihm eklatantes Wegschauen bei Missbrauchsvorwürfen gegen prominente Trainer vorwarfen - über Jahrzehnte hinweg.

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