Olympia:Biedermann schwimmt nachts alleine in der Halle

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Trainiert auch mitten in der Nacht: Paul Biedermann (Archivbild).

(Foto: AFP)

Mit dem Titel als "Dänischer Meister" will sich Paul Biedermann nicht begnügen: Zum Karriere-Abschluss soll in Rio eine Medaille her - dafür kämpft er mit ungewöhnlichen Mitteln.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Es muss jetzt niemand annehmen, Paul Biedermann würde mit Zipperlein morgens aus dem Bett steigen. Gut, der Mann ist nun 29 Jahre alt und gehört in Schwimmerkreisen zur Generation Rentenalter. "Es gibt wesentlich mehr Erholungseinheiten, Massagen zum Beispiel. Das bringt das Alter mit sich, dass man mehr auf sich achtet", sagt er. Aber im Allgemeinen flutscht es noch. Das Training ist anstrengend wie immer, nur einen Unterschied hat er festgestellt: "Bei den jungen Athleten geht der erste Griff heute zum Smartphone und nicht zum Handtuch." Da ist er dann doch eher oldschool: Schwimmen, Abtrocknen, Anziehen.

Diesen Frühling wird man Paul Biedermann dabei noch beobachten können: Schwimmen, Abtrocknen, Anziehen. Im Sommer auch noch: Schwimmen, Abtrocknen, Anziehen. Doch dann ist Schluss. Der zweimalige Weltmeister und Weltrekordhalter wird seine Karriere beenden, "definitiv". Auch wenn es in Rio bei den Olympischen Spielen wieder nicht mit einer Medaille klappen sollte? "Auf jeden Fall", sagt Biedermann, "mein Seelenfrieden mit dem Sport hängt nicht von einer Medaille ab."

Es steht also fest: Er startet nun in eine Saison der letzten Male. Ab Donnerstag in Berlin zum Beispiel: die letzte deutsche Meisterschaft des Paul Biedermann. 2004 gab er dort sein Debüt, als 17-Jähriger, im Folgejahr gewann er seinen ersten Titel.

Ein zweiter Platz in Berlin würde ihm reichen für die Olympia-Norm

Und wie ist das nun, zwölf Jahre später? "Ich blicke dem nicht mit Wehmut entgegen", sagt Biedermann, "ich freue mich einfach auf die Zeit". Und überhaupt: "Ich weiß, dass es ein Leben nach dem Sport gibt, worauf ich mich freue." Wer sich schon auf das Danach freut, lebt im Jetzt ja offenbar auch ganz gut.

Das Ziel in Berlin ist die Olympia-Norm, durch seine Bronze-Medaille über die 200 Meter Freistil bei der WM in Kasan im Vorjahr ist er schon vornominiert, nun muss er nur noch als einer der zwei Besten anschlagen. Trotzdem hat er sich die Zeiten vorgenommen, die der Deutsche Schwimm- Verband (DSV) festgelegt hat. Vor zwei Wochen in Kopenhagen war er schon nah dran an den geforderten 1:47,17 Minuten über 200 Meter Freistil, nur zwei Zehntel fehlten. Überhaupt, Kopenhagen: Er schwamm dort bei den offenen dänischen Meisterschaften, über 100 und 200 Meter Freistil gewann er, nun ist Biedermann also noch auf den letzten Drücker dänischer Meister geworden.

"Das war nicht so weit weg und hat in den Kalender gepasst", sagt Biedermann, "die dänische Prinzessin war da, das war eine tolle Atmosphäre dort."

Bloß nicht wieder wie in London

Eine Prinzessin wird Berlin wohl kaum hervorzaubern können, eine gute Vergleichsmöglichkeit mit der Konkurrenz werden die Wettbewerbe aber bieten. National ist Biedermann über seine Paradedisziplin 200 Meter Freistil noch immer entrückt, über 100 Meter unterbot der junge Essener Damian Wierling zuletzt Biedermanns Saisonbestzeit.

In der Weltspitze reichen seine Leistungen noch nicht für die Top 20, der Brite James Guy, der im vergangenen Jahr WM-Gold über 200 Meter gewann, schwamm bei den heimischen Meisterschaften mehr als zwei Sekunden schneller. Mit seinem Saisonverlauf ist Biedermann aber zufrieden, die Höhepunkte kommen ja noch. "Ich bin ganz glücklich, dass ich gesund geblieben bin", sagt er.

Etwas Neues hat Biedermann in seiner letzten Saison auch noch ausprobiert: Training tief in der Nacht. Da die Endläufe bei den Olympischen Spielen zwischen 22 und 24 Uhr Ortszeit stattfinden werden, änderte Biedermann schon einmal in einer Testwoche seinen Rhythmus, stand spät auf, schwamm spät alleine in der Halle. "Das sind wirklich ungewohnte Zeiten", sagt er, "aber ich bin überraschend gut klar gekommen."

"Da ist vieles in die Hose gegangen"

Nach den deutschen Meisterschaften soll es weitere Spätschwimmübungen geben, damit die Spiele besser laufen als vor vier Jahren: Wie schon 2008 in Peking blieb Biedermann in London 2012 ohne Medaille. "Da ist vieles in die Hose gegangen", sagt er, auch wegen seiner eigenen hohen Erwartungen. Doch Biedermann, der 29-Jährige, empfindet sich nun als gereifter. "Ich habe an Erfahrung gewonnen und konnte gut trainieren. Vielleicht kann ich jetzt auch gelassener an so ein Rennen herangehen", sagt er.

Irgendwann zwischen Laufenlernen und Buchstabieren-Üben hat Paul Biedermann mit dem Schwimmen begonnen, irgendwo zwischen der Jagd nach Bestzeiten und der letzten Dusche in Rio wird seine Karriere enden. "Der Sport ist nur eine Etappe in meinem Leben", sagt Biedermann. Er freut sich auf die nächste Etappe, "die Freiheit, die man als Leistungssportler oft nicht hat. Einfach mal spontan auf Konzerte gehen zu können. Ohne sich zu fragen: Werde ich da jetzt krank? Passt das mit dem Training?" Aufs Oktoberfest will er dieses Jahr. Dann, wenn er nach seiner Saison der letzten Male nicht mehr der Schwimmer ist. Sondern wieder allein Paul Biedermann.

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