Schwimmen:Permanenter Jojo-Effekt

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(Foto: N/A)

Schon bei Olympia in Rio musste Weltmeister Marco Koch ständig über sein Gewicht reden. Und nun wieder: Er hat in sechs Wochen 13 Kilo abgenommen. Dass er nun schnell ist wie lange nicht, ist schön. Die Probleme seines Sports löst das aber nicht.

Von Claudio Catuogno

Am Ende des Sommers hat Marco Koch, 26, aus Darmstadt sechs Kilo zugenommen. Das ist zwar eigentlich Privatsache. Da es sich bei Koch aber um einen Schwimm-Weltmeister handelt, ist jedes Speckröllchen, ob nun echt oder eingebildet, selbstverständlich eine nationale Angelegenheit. Was darf einer wiegen, der der schnellste 200-Meter-Brust-Schwimmer der Welt sein will? Das war schon bei Olympia in Rio heiß diskutiert worden, wo Koch nur Siebter wurde. Weil er schon damals zu viel wog?

Marco Koch hat in der sogenannten Speckröllchen-Debatte stets darauf hingewiesen, dass er sogar noch zwei Kilo schwerer war, als er 2015 in Kasan Weltmeister wurde. 88 Kilo. In Rio: 86. Am Gewicht hat es also vielleicht doch nicht gelegen in Rio. Andererseits hat Koch in diesem Herbst, nachdem er erst besagte sechs Kilo draufgepackt hatte, wieder 13 Kilo abgenommen. Von 92 auf 79. 13 Kilo in sechs Wochen !!, ein Fall für die einschlägigen Diät-Ratgeber. Was direkt zu der Frage führt, die derzeit bei den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in Berlin das Publikum bewegt: Kommt da jetzt nicht zwangsläufig der Jojo-Effekt?

Nein, sagt Kochs Ernährungsberater Mark Warnecke, 46. Der muss es wissen - nach einer der spektakulärsten Hungerkuren der Menschheitsgeschichte wurde Warnecke 2005 ältester Weltmeister der Schwimmgeschichte. Und tatsächlich, Koch ist gut drauf: In Berlin schwamm er deutschen Rekord über 100 Meter Brust. Er wiegt jetzt 81 Kilo. Und wird, eben weil er nun so schlank und schnell ist, schon wieder zum Zurückschauen gezwungen: War er in Rio vielleicht doch zu schwer?

Die Speckröllchen-Debatte wäre gewiss weniger präsent, wenn es im deutschen Schwimmen noch andere Medaillenanwärter gäbe als immer nur Koch. Gibt es aber nicht. Wie das zu ändern ist, das ist in Berlin das noch größere Thema. Der Bundestrainer Henning Lambertz hat ein Konzept vorgelegt, das allgemein als das Gegenteil von Zuckerschlecken interpretiert wird. Mehr Kontrolle! Mehr Krafttraining für alle! Und: Strengere Qualifikations-Normen für die anstehenden Weltmeisterschaften!

Strengere Normen? Wer das Schwimmen schon eine Weile verfolgt, erinnert sich daran, dass Lambertz, als ihn die auch schon Medaillen-losen London-Spiele 2012 ins Amt spülten, als eine der ersten Maßnahmen die strengen Normen seines Vorgängers Dirk Lange aufgeweicht hat - weil die allgemein als kontraproduktiv empfunden wurden. Streng, weniger streng, streng, weniger streng, Zuckerbrot, Peitsche, Zuckerbrot, Peitsche. Das deutsche Schwimmen irgendwie zurück in die Weltspitze zu bringen: klingt wie der permanente Jojo-Effekt.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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