Schwimmen:Frohlocken auf dem Seil

Marco Koch

Wenn in Rio ein Deutscher um Olympia-Gold mitschwimmen kann, dann er: Marco Koch.

(Foto: Patrick B. Kraemer/dpa)

Das Olympiateam nimmt Formen an. Bei den deutschen Meisterschaften empfehlen sich etliche Talente - Paul Biedermann und Marco Koch erreichen in den Finals Weltklassezeiten.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Es gibt dann doch etwas, was Marco Koch beunruhigen kann. Der Mann ist ja ein Tüftler in eigener Sache, er schwimmt jede Menge Wettbewerbe, um Routine für die ganz großen Rennen zu bekommen. Doch nun, bei den deutschen Meisterschaften in Berlin wurde es zunehmend ungemütlich für den Brustschwimmer: Die Schulter zwickte, immer mehr. Mit Problemen war er schon angereist, dann wurde es schlimmer. "Ich habe Angst, dass ich zu viel mache und dann geht es ganz kaputt", sagte Koch nach dem Vorlauf über 200 Meter. Für Rio hieße dies: Die Olympia-Medaille wäre in Gefahr.

Auch im Finale schwamm Koch nicht mit voller Kraft, erreichte aber die weltweit drittbeste Zeit des Jahres, die beiden noch schnelleren Zeiten stammen von ihm. In den kommenden Wochen wird er abwägen müssen zwischen Formaufbau und Entlastung, seine Rolle für den Verband ist wichtig. Wenn ein Deutscher um den Olympiasieg schwimmen kann, dann er. "Wir haben nur zwei, drei, vier Athleten, die um Medaillen mitkämpfen", sagte Bundestrainer Henning Lambertz nach den Eindrücken des Wochenendes, "wenn da mal Sand im Getriebe ist, dann kann es auch dazu kommen, dass sie nichts holen. Für das ausgegebene Ziel von zwei bis vier Medaillen bedeutet das: "Kann klappen, kann auch nicht klappen". Lambertz schätzt die Qualitäten des Weltmeisters von Kasan, weiß aber auch: "Marco Koch hat noch keine Medaille um den Hals hängen." Bestzeiten sind noch keine Garantie.

Damian Wierling, 20, verbessert seine Bestleistung über 50 Meter Freistil um sechs Zehntel

Dennoch lieferten die Meisterschaften ein paar Eindrücke von der Verfassung des deutschen Schwimmens, vier Jahre nach dem medaillenlosen Auftritt von London. Viele Nationen haben ihre nationalen Meisterschaften längst absolviert. Die Leistungen in Berlin waren nun der erste Schritt auf dem Weg ins Olympia-Team, bis Anfang Juli müssen die Sportler noch einmal etwas lockerere Zeiten schwimmen, um endgültig dabei zu sein. "Ich gehe von etwa 23 bis 25 Einzelstartern aus", sagte Lambertz, der Berlin guter Dinge verließ.

Schmetterlingsspezialistin Franziska Hentke aus Magdeburg katapultierte sich über 200 Meter auf Rang zwei der Weltjahresbestenliste. Rückenschwimmer Jan-Philipp Glania wurde über 200 Meter Rücken Fünfter der Welt, Florian Vogel gelang das über 400 Meter Freistil. Der Münchner hatte für den emotionalsten Auftritt der Veranstaltung gesorgt: Er unterbot in 3:44,89 Minuten die geforderte Teil-Norm für Olympia (3:47,49) deutlich. "Das bedeutet alles. Ich habe so viel gearbeitet dafür", sagte Vogel, nachdem er jubelnd auf der Leine balanciert hatte - und danach vor lauter Ergriffenheit kaum noch reden konnte. "Ich hatte die Ehre, mit dem größten deutschen Schwimmer zu trainieren", erklärte Vogel mit Verweis auf Paul Biedermann. Der präsentierte sich im Finale über 200 Meter Freistil mit der weltweiten zweitbesten Zeit des Jahres von 1:45,45 Minuten. Insgesamt fand Bundestrainer Lambertz die Leistungen im internationalen Vergleich "an vielen Stellen sehr positiv, da sind wir nah rangerutscht und können eine vergleichbare Zeit anbieten".

Nicht nur Vogel zeigte mit seinen 21 Jahren, dass das deutsche Schwimmen durchaus zukunftsfähig ist. Der 16-jährige Johannes Hintze erfüllte die Teilnorm über 400 m Lagen. Alexandra Wenk, ebenfalls 21 und aus München, knackte den 35 Jahre alten Rekord über 200 Meter Lagen und verbesserte ihn im Endlauf sogar noch. Am Sonntag unterbot sie zusätzlich ihren eigenen Rekord über 100 Meter Schmetterling im Vorlauf. "Das macht Mut für Rio", sagte sie. Für noch mehr Staunen sorgte der 20-Jährige Damian Wierling: Über 50 Meter Freistil verbesserte er seine Bestleistung um ganze sechs Zehntel und ist nun ebenfalls deutscher Rekordhalter - und so gut wie im Olympiateam. "Ich habe absolut null damit gerechnet. Dass da so ein Sprung rauskommt, habe ich nicht gedacht", sagte der Essener, "Olympia war für mich ein Traum, aber ich habe da bisher gar nicht richtig drüber nachgedacht."

Runderneuert ist das deutsche Schwimmen vier Jahre nach London freilich noch nicht, vor allem der weibliche Nachwuchs erreicht kaum internationale Topzeiten. Eine deutsche Freistilstaffel über 100 m wird es in Rio nicht geben, vor nicht zu langer Zeit war die ja noch ganz vorne dabei. Lambertz macht dafür ein strukturelles Problem aus: "Dass wir da so schlecht sind, liegt daran, dass wir keine Kraft haben." Neben den Weltklasseschwimmerinnen sähen die Deutschen aus "wie kleine dünne Models, aber nicht wie Sportlerinnen". In Zukunft steht Pumpen auf dem Plan.

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