Schwimmen:Ein Podium, zwei Geschichten

Swimming - Olympics: Day 6

Die US-Amerikanerin Simone Manuel (links) und die Kanadierin Penny Oleksiak brauchten ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass sie nach dem Rennen über 100 Meter Freistil tatsächlich zeitgleich angeschlagen hatten.

(Foto: Richard Heathcote/Getty Images)

Simone Manuel ist die erste dunkelhäutige Schwimmerin, die für die USA Gold gewinnt, gemeinsam mit Penny Oleksiak.

Von René Hofmann

Am Ende des letzten Finalrennens herrschte erst einmal Verwirrung. Erst wurde die Kanadierin Penny Oleksiak als Siegerin ins Bild gesetzt. Dann schwenkte die Kamera auf die Amerikanerin Simone Manuel, und wieder leuchtete die Aufschrift "Gold-Medaillengewinnerin" auf den Anzeigentafeln im Olympic Aquatics Stadium. Auch die beiden Protagonistinnen brauchten ein Weilchen, bis sie realisierten, was ihnen da gerade Ungewöhnliches über 100 Meter Freistil geglückt war: Sie hatten beide die Distanz in 52,70 Sekunden hinter sich gebracht. "Als ich sah, dass für zwei Bahnen olympischer Rekord eingeblendet wurde, wusste ich, was los war", sagte Penny Oleksiak. Simone Manuel erging es ähnlich.

Zusammen durften sie auf die höchste Stufe des Siegertreppchens und dort erst der US-Hymne lauschen und dann der kanadischen. Und beim Anblick der Szene dürfte es auf der Ehrentribüne viele gegeben haben, die mit Erleichterung hinsahen. Penny Oleksiak und Simone Manuel bieten beide wunderbare Geschichten. Geschichten, mit denen sich zum Abschluss der Woche ganz kurz ein wenig ablenken ließ von all dem Doping-Ärger und Doping-Zank, der die Wettbewerbe der Beckenschwimmer bei diesen Spielen dominiert hatte.

"Ich habe sie heute erst kennengelernt, aber eigentlich ist sie wie ich - cool", sagte Simone Manuel erfrischend unbekümmert, nachdem sie mit Penny Oleksiak wieder vom Siegertreppchen geklettert war. Simone Manuel ist die erste schwarze Schwimmerin, die für die USA Gold über eine Einzelstrecke gewinnt. Für sie sei ihre Hautfarbe nichts Besonderes, ließ Simone Manuel wissen, aber trotzdem hoffe sie, dass ihr Sieg helfe, "die Vielfalt im Sport" zu befördern und ein Signal "der Hoffnung und der Veränderung" in eine Welt zu senden, in der im Moment recht viel vor sich gehe, das ihr nicht gefällt.

Für eine 20-Jährige klang ihr Vortrag recht routiniert. Es war aber auch nicht das erste Mal, dass sie ihn hielt. Nach Silber mit der 4 x 100-Meter-Freistil-Staffel hatte sie schon einmal üben können.

Die Geschichte, die Penny Oleksiak zu erzählen hat, ist ebenfalls nicht schlecht. Sie war in Rio zuvor schon dreimal dekoriert worden. Mit der Freistil-Staffel hatte sie über 100 und 200 Meter Bronze geholt, im Finale über 100 Meter Schmetterling hatte sie als Zweite angeschlagen. Über 100 Meter Freistil komplettierte sie nun nicht nur ihren Medaillensatz. Auch sie schrieb Olympia-Geschichte.

Penny Oleksiak wurde am 13. Juni 2000 geboren. Sie ist gerade einmal 16 - und die erste Olympiasiegerin überhaupt, die in diesem Jahrtausend auf die Welt kam. Ein politisches Statement ließ sich damit nun nicht unbedingt verbinden, aber wer wollte, konnte auch in ihrer Kür etwas Wegweisendes erkennen. Sie ist der zweite Schwimm-Teenager, der Aufmerksamkeit erregt - nach Lilly King, der 19-Jährigen Amerikanerin, die über 100 Meter Brust voraus schwamm und die anschließend laut und deutlich und in Anwesenheit der einst wegen Dopings gesperrten Russin Julia Jefimowa einen generellen Olympia-Bann für alle forderte, die einmal gesperrt waren.

Die Jungen, der Alte und die üblichen Verdächtigen: In diesem Dreisatz lassen sich die Figuren recht gut zusammenfassen, die die Schwimm-Wettbewerbe bei diesen Spielen geprägt haben. Julia Jefimowa hatte in der Nacht zum Freitag auch wieder einen Auftritt. Die Russin, die sich ihr Startrecht beim internationalen Sportgerichtshof Cas erstritten hat, gewann über 200 Meter Brust, was sie auch über die halb so lange Strecke schon gewonnen hatte: Silber.

Als sie in die Arena kam, gab es ebenso wieder ein paar Pfiffe wie bei der Siegerehrung, aber es wurde längst nicht mehr so laut wie bei den ersten Auftritten der umstrittenen Athletin. Das Publikum - es ist offenbar ein wenig müde geworden, nicht nur beim Protest. Auch der inzwischen bereits 31 Jahre alte Michael Phelps, der sich über 200 Meter Lagen seine 22. olympische Goldmedaille sicherte, wurde nicht mehr gar so frenetisch gefeiert wie bei seinen ersten Glanztaten in Rio.

Der Chinesin Chen Xinyi wurde ein maskierendes Mittel für Dopingstoffe nachgewiesen

Jenseits der Jungen kehrt Routine ein. Fast schon gelangweilt konterte Jefimowa die Anfeindungen: "Der Cas hat entschieden, dass ich hier sein darf. Wer ein Problem damit hat, soll zum Cas gehen." Die 24-Jährige wurde auch noch mal gefragt, was sie von Lilly Kings Vorschlag halte, Betrüger sollten nie mehr wieder zu den Spielen eingeladen werden. Julia Jefimowa hält davon nichts. Jeder verdiene eine zweite Chance, findet sie, "wenn man zu schnell fährt, bekommt man ja auch nur einen Strafzettel und kommt nicht gleich ins Gefängnis".

So sah sie das schon vor den Spielen - und so sieht sie das auch jetzt noch, weshalb es ihr auch wenig ausmachen dürfte, wenn sie am Becken bald wieder Chen Xinyi begegnet. Der 18 Jahre alten Chinesin wurde am Sonntag, als sie über 100 Meter Schmetterling die Bronzemedaille um nur 0,09 Sekunden verpasst hatte, das Diuretikum Hydrochlorothiazid nachgewiesen, das als maskierendes Mittel für Dopingsubstanzen benutzt wird.

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